Aktuelle Gottesdienste und Predigten in der Corona-Zeit: 2020



 

Gottesdienst der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
Weihnachten 2020
Pfarrer Jochen Maier


Predigttext: Hebräer 1,1-3

Liebe Gemeinde,

vielleicht kennen manche von Ihnen die die prächtige spätbarocke Abteikirche von Neresheim auf der Ostalb.
Balthasar Neumann, dem wir auch die Würzburger Residenz verdanken, war der Baumeister.
Wenn man die Kirche betritt hoch über dem kleinen Ort gelegen, dann spannen sich über einen die eindrucksvollen Deckenfresken von Martin Koller. Zentral über der Vierung der Kirche sieht man die hoch im Himmel thronende Heilige Dreifaltigkeit mit Vater, Sohn und Heiligem Geist. Umgeben vom himmlischen Hofstaat, farbenfroh, in vollem Glanz und in barocker Pracht. Wenn man dieses Bild anschaut, dann hört man förmlich die himmlischen Chöre: Jauchzet frohlocket!
Dieses Bild, diese Erinnerung kam mir in den Sinn, als ich unser Predigtwort für diesen Weihnachtstag gelesen habe.
Da heißt es am Anfang des Hebräerbriefes, Hebräer 1,1-3:
Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er zuletzt in diesen Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum Erben über alles, durch den er auch die Welten gemacht hat.
Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort und hat vollbracht die Reinigung von den Sünden und hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe.
Ein richtig wuchtiges Wort ist das: Vom Abglanz der Herrlichkeit ist die Rede, von der göttlichen Majestät – mit Tannengrün und Rausch-goldengelchen, mit Kerzenschein und Krippelein hat das zunächst herzlich wenig zu tun, sondern wie eine Fanfare tönt dieses Wort mitten hinein in die Weihnachtsidylle, die dieses Jahr gar nicht so idyllisch ist.
Und doch: wenn wir etwas genauer hinschauen, dann wird da genau das beschrieben, das Weihnachten doch im Kern ausmacht: „Zuletzt in diesen Tagen (hat Gott) uns geredet durch den Sohn.“
Das ist doch genau das Wunder der Weihnacht!
Der große erhabene Gott thront eben nicht nur im himmlischen Hofstatt, so wie es auf dem Kuppelfresko der Neresheimer Abteikirche zu bestaunen ist, sondern der mächtige majestätische Gott beugt sich ganz tief hinab bis in die Niedrigkeiten unserer menschlichen Existenz.
Der große Gott wird ein kleines hilfloses Kind.
In diesem kleinen Kind ist Gott selbst gegenwärtig.
„Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens“. Gott hat die Kluft zwischen Himmel und Erde überwunden. Er will zu uns kommen, will uns ganz nahe sein.  
„Ihr werdet finden, das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend,“ so hat es der Engel in der Heiligen Nacht verkündet. Gott will sich von uns finden lassen. Er will verstehbar sein – auch für so einfache Leute wie diese Hirten damals draußen vor den Toren von Bethlehem, auch für so einfache Menschen wie dich und mich. Für so einfache, kleine Menschen, die alles andere als perfekt sind, die viele Fehler haben. Uns will er auch Augenhöhe gegenübertreten.
Als die Hirten damals vom Stall weggingen, da hat sich äußerlich nichts verändert. Sie mussten weiterhin Schafe hüten, galten weiterhin als sozial eher am Rand stehend. Die Leute haben weiterhin die Nase gerümpft, wenn sie vorbeikamen. Und doch war für sie alles anders geworden: Das Kind in der Krippe hatte ihren Blickwinkel verändert. Gott hatte ihre Hoffnung neu entfacht und ihre Zuversicht gestärkt.
Dafür macht Gott sich ganz klein, wenn er uns näher kommt und darum sind die kleinen Dinge und die kleinen Gesten auch so wichtig! Scheinbar kleine Ereignisse können große Wellen schlagen. Von so einem scheinbar kleinen Ereignis möchte ich Ihnen und Euch erzählen.
Es war kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in einer kleinen Stadt in Frankreich am Heiligen Abend in aller Früh. Die deutschen Kriegsgefangenen zogen durch die Rue Bonaparte hinaus in den Steinbruch, um dort Granit zu brechen. Die Bevölkerung hatte sich längst an den Anblick der Kriegsgefangenen gewöhnt. Traurige Gestalten in teilweise zerschlissenen Wehrmachtsuniformen. Die Schrecken des Krieges und die Verbrechen, die geschehen waren, sie waren noch zu frisch, als dass die Franzosen Mitleid gehabt hätten mit den deutschen Kriegsgefangenen. Es waren Feinde. Für die Franzosen waren diese Männer mit daran schuld, dass Ehemänner, Söhne und Freunde gar nicht oder oftmals schwer verletzt in die Heimat zurückgekehrt waren.
René mit seinen zwölf Jahren hatte den Krieg nur aus der Ferne erlebt. Er verdiente sich zu jener Zeit vor der Schule ein kleines Taschengeld, indem er mit dem Fahrrad für den Bäcker Brötchen ausfuhr. Und da passierte es an diesem Heiligen Abend in der Früh, dass sein Rad auf dem rutschigen Kopfsteinpflaster ins Schlingern geriet und er kopfüber vom Rad stürzte und sich überschlug.
83 Brötchen, so rechnete der Bäcker nachher genau aus, 83 frische Brötchen kullerten über das harte Pflaster eben als der Zug der deutschen Kriegsgefangenen vorbeizog. Und ehe die beiden Wachsoldaten oder auch René selbst richtig begriffen, was da geschah, da waren die Brötchen auch schon verschwunden wie Schnee in der Sonne.
René war bis auf eine zerrissene Hose und ein blutendes Knie nichts passiert – vom Bäckermeister aber gab es noch eine schallende Ohrfeige – eigentlich hatte er noch mehr erwartet.
Damit schien die Angelegenheit zunächst erledigt.
Nicht aber für die übrigen Bewohner des Städtchens. Was da geschehen war, das ging wie ein Lauffeuer durch die Stadt. Eine Stunde später kam die junge Lehrerin Nanette in den Bäckerladen und sagte: „Ich habe gehört, Sie haben den armen Deutschen heute am Heiligenabend einen Korb Semmeln gespendet. Das soll ihr Schaden nicht sein. Hier haben sie das Geld!“
Und noch ehe der Bäckermeister die Angelegenheit richtigstellen konnte, war die junge Lehrerin auch schon wieder verschwunden.
Wenig später betrat der Notar Gevrey den Laden. Vorsichtig schaute er sich nach allen Seiten um. Er flüsterte: „Sehr geschickt, wie Sie das mit den Semmeln gemacht haben. Sehr geschickt! Man könnte Sie sonst ja wegen Begünstigung des Feindes verklagen – aber so war es halt ein Unfall – sehr geschickt! Aber ich möchte mein Scherflein bei-tragen um den Schaden zu mindern und die gute Tat unterstützen!“ So ging das weiter. Am Abend dieses denkwürdigen Tages hatte der Bä-cker Geld für 795 Semmeln im Kasten. Was sollte er tun? Behalten wollte er das Geld nicht, das wäre nicht in Ordnung . Der Unfall konn-te aber auch nicht so ohne weiteres wiederholt werden. So ging er in die Kaserne, die nun als Kriegsgefangenenlager genützt wurde und einigte sich mit dem sehr verständnisvollen wachhabenden Hauptmann darauf, dass René morgens als erstes zum Lager der Deutschen Bröt-chen brachte. Und bald freute sich René darauf, in den harten und ernsten Gesichtern der Männer ein verklärtes Lächeln zu sehen, wenn er kam.
Was aber noch bedeutsamer war: Das weihnachtliche Geschehen auf der Rue Bonaparte hatte die Herzen der Menschen verwandelt.
Und das ist es, wozu Gott Mensch geworden ist, um Liebe und der Barmherzigkeit mehr Raum zu schaffen in einer oft so friedlosen Welt. Gott sagt: Ich will, dass du Vertrauen gewinnst und dass du lieben lernst. Und dass du diese Liebe weitergibst an andere. Du sollst spüren, dass Geld und Gut nicht alles sind in dieser Welt. Weihnachten soll die Sehnsucht wach halten nach Liebe und Harmonie.
Und das brauchen wir heute so sehr wie eh und je.
Darum ist Gott nicht in fernen himmlischen Sphären verharrt, sondern hat sich klein gemacht, ganz klein.
Im Stall von Bethlehem hat er ein neues Kapitel mit uns Menschen aufgeschlagen. Gott, der Schöpfer Himmels und der Erde, wollte sich auf menschliche Augenhöhe begeben.
„Gott hat in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn“, so heißt es im Hebräerbrief. Ja das hat er. Und wo wir der Liebe Gottes Raum geben in unserem Leben, wo Versöhnung geschieht und Grenzen überwunden werden, da ist der Geist von Weihnachten spürbar – so wie damals in jenem kleinen Städtchen in Frankreich.

 

Es sind die kleinen Zeichen und Gesten, in denen diese Liebe aufleuchtet – auch bei uns aufleuchtet. Schenke uns Gott, dass wir solche Zeichen erkennen und wahrnehmen und darin Zeichen der Liebe Got-tes spüren.

Der große Gott macht sich klein, um uns nahe zu kommen. Ihm lasst uns unsere Herzen öffnen.
In Jesu Namen.

AMEN

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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für den 4. Sonntag im Advent, 20. Dezember 2020
Pfarrer Jochen Maier

Wochenspruch:
„Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch!
Der Herr ist nahe!" Phil 4,4.5b

 

Liebe Gemeinde,

das heutige Predigtwort ist eine Überraschung!
Aber hören Sie selbst:
Und der HERR erschien Abraham im Hain Mamre, während er an der Tür seines Zeltes saß, als der Tag am heißesten war.
Und als er seine Augen aufhob und sah, siehe, da standen drei Männer vor ihm. Und als er sie sah, lief er ihnen entgegen von der Tür seines Zeltes und neigte sich zur Erde.
Da sprachen sie zu ihm: Wo ist Sara, deine Frau? Er antwortete: Drinnen im Zelt.
Da sprach er: Ich will wieder zu dir kommen übers Jahr; siehe, dann soll Sara, deine Frau, einen Sohn haben. Das hörte Sara hinter ihm, hinter der Tür des Zeltes.
Und sie waren beide, Abraham und Sara, alt und hochbetagt, sodass es Sara nicht mehr ging nach der Frauen Weise.
Darum lachte sie bei sich selbst und sprach: Nun, da ich alt bin, soll ich noch Liebeslust erfahren, und auch mein Herr ist alt!
Da sprach der HERR zu Abraham: Warum lacht Sara und spricht: Sollte ich wirklich noch gebären, nun, da ich alt bin?
Sollte dem HERRN etwas unmöglich sein? Um diese Zeit will ich wieder zu dir kommen übers Jahr; dann soll Sara einen Sohn haben.
Da leugnete Sara und sprach: Ich habe nicht gelacht -, denn sie fürchtete sich. Aber er sprach: Es ist nicht so, du hast gelacht.

 

Liebe Gemeinde,
was ist eine Überraschung? „Der Überraschungswert eines Ereignisses ist umgekehrt proportional zur Eintreffenswahr-scheinlichkeit.“ So habe ich im Internet gegoogelt. Auf deutsch: Je weniger du etwas erwartest, desto stärker haut es dich aus den Latschen, wenn es eintrifft!
Ich jedenfalls war sehr überrascht, als ich das Predigtwort für diesen 4. Adventssonntag gelesen habe. Dieser Text ist nämlich neu in die Ordnung der Predigttexte aufgenommen worden. Ein Text, der auf den ersten Blick nun so gar nichts Weihnachtliches hat.  
Auf den ersten Blick!
Aber wenn wir etwas genauer hinschauen auf diese Geschichte von Abraham und Sarah in dem Eichenwäldchen Mamre in der Nähe von Hebron in Palästina, wenn wir da etwas tiefer bohren, dann können wir einige durchaus weihnachtliche Überraschungen entdecken.

 

Die erste Überraschung: Gott kommt immer unangemeldet.
Die Männer in der Geschichte kommen einfach vorbei. Sie rufen nicht vorher an, fragen nicht, ob’s gerade passt, die stehen einfach vor der Tür. Abraham hat keine Chance, vorher sein Zelt aufzuräumen, den Boden zu fegen, den Tisch zu decken. So ist das, wenn Gott kommt. Dann komme er mitten im Alltag und du hast keine Chance, dich vorzubereiten. Er fragt dich nicht, ob‘s dir gerade angenehm ist, ob du Zeit hast. Er ist einfach da und sieht dich, so wie du bist. So unangemeldet aufzutauchen, das kann man sonst nur bei ganz guten Freunden. Gott tut es bei uns.

 

Aber dann die zweite Überraschung: Gott kommt verkleidet!
Sind es nun drei Männer in dieser Geschichte oder ist es nur einer? Sind es Engel, Boten oder ist es Gott selbst? Es bleibt unklar. Der Regenborgen bei Noah, der brennende Dornbusch bei Mose, der Engel bei Maria, der Stern der Weisen aus dem Morgenland – all dies sind Verkleidungen Gottes. Gott erscheint in immer anderen Formen: Mal erscheint er dir im Traum, mal im Angesicht eines Menschen und vielleicht auch einmal in einem kitschig-schönen Sonnenuntergang am Meer, oder in einem Lied, einer Melodie die dir zu Herzen geht. Er lässt sich nicht festlegen auf unsere Ideen und Denkmuster und Vorstellungen. Er kommt wann und wie und wo er will. Er hält sich offen und darum müssen auch wir offen und bereit sein für sein Kommen.
Und das hat viel mit der dritten Überraschung zu tun: Wenn Gott kommt – unangemeldet und auch noch verkleidet, dann hat es etwas mit der Zukunft zu tun, dann sind das Verheißungen. Das war bei Abraham so, bei Maria, der die Geburt des Heilands verheißen wurde und das ist heute nicht anders. Wenn er dir begegnet oder mir, wenn er dich anspricht in einem Bibelwort, einer Musik, einem Menschen, dann bedeutet das: „Ich habe noch etwas vor mit dir! Da ist noch mehr drin im Leben, mehr als du dir vorstellen kannst. „
Wenn du das Gefühl hast: Da kommt nichts mehr, ich bin in einer Sackgasse, da geht’s nicht weiter, dann kann er dir Türen öffnen, vielleicht nur kleine Schlupflöcher, wo du dich ziemlich klein machen musst, aber es sind Wege heraus aus der Enge. Manchmal fühlst du es, dass da etwas Größeres ist als du selbst, manchmal erschließt sich das aber auch erst im Rückblick.
Ja und das vierte ist eigentlich gar keine so große Überraschung: Wenn Gott kommt, dass hat das etwas mit Liebe zu tun. Gott ist die Liebe – das ist für mich einer der wichtigsten und stärksten und auch schönsten Sätze der Bibel. Gott ist die Liebe und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. Sara meinte, für sie sei die Zeit der Liebe vorbei – aber das war sie nicht. Sie wurde zur Stammmutter Jesu, der ja selbst die Liebe gelebt hat wie kein anderer. Liebe heißt Rücksicht zu nehmen, jetzt in Corona-Zeiten wo es wirklich um Leben und Tod geht und Liebe heißt den anderen so sehen, so nehmen wie er ist. Das sagt diese Geschichte: Die Zeit der Liebe ist niemals vorbei!
Und dazu gehört die fünfte Überraschung, die lautet: Nichts ist unmöglich! Auch wenn das ein geliehener Werbespruch ist: Da geht’s nun nicht um einen japanischen Autobauer, sondern um Gott. Wenn Gott kommt, unangemeldet und verkleidet, mit guten Absichten für die Zukunft und voller Liebe, dann kann alles passieren. Jedenfalls mehr, als wir es uns in der Regel vorzustellen wagen. Sara konnte es sich absolut nicht vorstellen, in ihrem Alter noch ein Kind zu gebären und Maria konnte es sich nicht vorstellen, in ihrer Jugend schon zu gebären. Jesus hat seine Jünger immer wieder auf die Kraft des Glaubens hinweisen müssen. Darauf, dass der Glaube wirklich Berge versetzen kann. Glaube kann Wunder wirken. Ein Wunder ist etwas, was jenseits unserer Erfahrungswelt liegt, was wir uns nicht vorstellen können. Es geht nicht darum, ob wir nun an Wunder glauben oder nicht. Es geht darum, dass wir Gott etwas zutrauen. Dass wir ihm zutrauen, etwas verändern zu können, dass wir uns öffnen für seine Gegenwart. Dann mag kommen, was will und es wird richtig sein und es ist völlig gleichgültig, was andere davon halten.
Und damit bin ich bei der letzten Überraschung: Gottes Überraschungen können enttäuschen. Sara wurde enttäuscht: Sie dachte, die Zeit der Liebe sei vorbei, war sie aber nicht. Die Evangelien sind voll von solchen Enttäuschungen. Die Weisen aus dem Morgenland wurden enttäuscht, weil sie den Heiland der Welt nicht in einem Palast, sondern in einer Futterkrippe fanden. Viele Gelehrten wurden enttäuscht, weil sie dachten, dass Klugheit wichtiger sei als das schlichte Vertrauen eines Kindes und auch manche späteren Anhänger Jesu wurden enttäuscht, weil Jesus nicht mit Gewalt die Besatzer vertrieben hat, sondern Liebe gelebt und gepredigt hat.
Ja, liebe Gemeinde, das sind sechs Überraschungen in dieser alten Geschichte und ich finde, die haben nun doch eine ganze Menge mit Weihnachten zu tun, damit, dass Gott zu uns kommt. Aber kann es sein, dass wir uns gerade da auch enttäuschen lassen müssen? Dass Gott gar nicht mehr zu kommen braucht, weil er immer schon da ist? Weil das, was damals geschah sich in Raum und Zeit ausdehnt bis hin zu uns und über uns hinaus?
Lasst uns also die Augen aufhalten und lassen wir uns überraschen – dann gibt es auch in Corona-Zeiten spannenden und fröhliche Weihnachten.
Das wünsche ich uns allen.


AMEN

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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für den 3. Advent, 13.12.2020
Pfarrerin Irene Maier

 

Wochenspruch:
„Bereitet dem Herrn den Weg;
denn siehe, der Herr kommt gewaltig.“ Jes. 40, 3.10
Predigttext: Lukas 1, 67-79

 

Liebe Gemeinde,

 

Besuch zu bekommen, das ist etwas Schönes - zumindest meistens!
Als uns die letzten 2 Jahre immer mal wieder Menschen aus unseren ehemaligen Gemeinden besucht haben, da hat uns das richtig gefreut! Es ist schön, vertraute Menschen wiederzusehen, die man längere Zeit nicht getroffen hat. Alte Erinnerungen auszutauschen, sich gegenseitig von neuen Erlebnissen zu erzählen, ja, Besuch zu bekommen ist etwas Wunderbares!
Und gerade in den letzten Wochen ist mir das wieder richtig bewusst geworden: Es fällt mir schwer bei Geburtstagsbesuchen an der Tür stehen zu bleiben. „Ich würde gerne reinkommen, aber ich darf nicht“. Das hinterlässt dann meist ein ungutes Gefühl in mir. Und ich denke, wir alle vermissen das unbeschwerte Zusammentreffen mit anderen.
Besuch zu bekommen, das ist bei mir auch mit schönen Kindheitserinnerungen verbunden! Ich weiß noch wie das war, als ich Kind war, da waren meine Geschwister und ich  immer sehr gespannt, vor allem wenn beim Besuch auch andere Kinder mit dabei waren, und vielleicht brachte der Besuch ja auch etwas mit, dann war es natürlich doppelt schön!
Unser Predigtwort für heute ist ein großer Lobgesang und der Grund für dieses Lob ist ganz einfach: „Es kommt Besuch!“ Und der Besuch, der da erwartet wird ist ein ganz besonderer: Gott selbst kommt vorbei! Was er schon lange versprochen hatte, jetzt löst er es ein!
Es kommt Besuch und dieser Besuch bringt etwas Wunderbares mit:
Er bringt ein warmes, helles Licht mit, das dir sagt: Du brauchst dich nicht mehr zu fürchten, ich bin bei dir. Alles wird gut!
Und dieses Geschenk reicht für alle: Es reicht für uns hier in Sommerhausen und es reicht für alle Christen weltweit.
Es reicht für die, die auf der Schattenseite des Lebens stehen, für die Traurigen, die Einsamen, die Enttäuschten und es reicht für die, die gar nicht wissen, wohin mit ihrem Glück - und es reicht für alle, die irgendwo dazwischen stehen!
Das ist ein solches Geschenk, dass man vor lauter Freude darüber nur singen kann!
Ein großer Lobgesang ist unser Predigtwort, ein Lobgesang auf den  Besuch Gottes und auf die wunderbaren Geschenke, die er mitbringt.
Dabei hatte der, der diesen Lobgesang ursprünglich gesungen hatte, Zacharias nämlich, zunächst wenig Grund zum Lachen und Sich-Freuen!
Zacharias und seine Frau Elisabeth waren schon lange verheiratet, hatten aber keine Kinder. Und das galt als Schmach damals - besonders für einen Priester. Nun waren sie beide alt und hatten die Hoffnung längst aufgegeben. Und dann kam die Botschaft des Engels, dass die beiden doch noch Nachwuchs bekommen sollten. Zacharias konnte das anfangs nicht glauben. Ihm hat es im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache verschlagen. Für einen Priester, einen Pfarrer ist das natürlich ein Fiasko: Nicht mehr reden zu können. Ein Pfarrer, der nichts mehr sagen kann - unvorstellbar!
Erst als das Kind dann da ist und als er dann, wie der Engel es im Auftrag Gottes geboten hatte, dem Kind den Namen „Johannes“ gibt, erst da löst sich seine Zunge wieder und er kann Gott loben und preisen, so wie wir es in diesen Versen nachlesen können.
Johannes selbst ist ein Zeichen dafür, dass jetzt bald Besuch kommt, dass der Heiland kommt. Johannes soll auf ihn hinweisen, auf ihn, auf den so viele voller Sehnsucht warten! Ihm soll er den Weg bereiten.
Immer schon haben Menschen gewartet. Gewartet, dass etwas kommt, dass jemand kommt, dass etwas Gutes passiert.
Und das ist heute immer noch so:
Wir warten, dass hoffentlich bald mit dem Impfen begonnen werden kann und dann unser Leben wieder mehr an Normalität gewinnt.
In den Alten- und Pflegeheimen warten die Menschen nun noch sehnlicher darauf, dass endlich alles wieder normal wird, ja dass endlich mal wieder Besuch kommen kann!
Schon vor Corona haben Menschen in Altenheimen gerade in der Adventszeit besonders sehnsuchtsvoll darauf gewartet, dass wenigstens vor Weihnachten mal wieder jemand von den Angehörigen vorbeischaut. Wir können uns wohl gar nicht vorstellen um wieviel größer heute ihre Sehnsucht ist.
Sie warten darauf, dass vertraute Menschen bei ihnen sind, ihnen zuhören und ein wenig von ihrem Leben teilen.
Zur Zeit des Propheten haben die Menschen sehnlichst auf den Messias, den Heiland gewartet. Sie glaubten, nur er kann ihr Leben hell und froh machen.
Auch heute sind wir unseren Ängsten und dem Dunkel nicht ausgeliefert, sondern ahnen in aller Sehnsucht etwas von dem Licht, das da für uns aufgeht. Die Nähe und Freundlichkeit Gottes können wir spüren und erleben, wenn wir uns dafür öffnen und sie an andere weitergeben.
Die Nähe Gottes weiterzugeben - das ist die Aufgabe unserer Kirche, und somit auch die Aufgabe unserer Kirchengemeinde: Wir alle sind dazu aufgerufen, uns einzusetzen, dass hier in Sommerhausen, dass hier unter uns etwas spürbar wird von der Nähe Gottes. Dass die Kinder das spüren und erfahren, genauso wie die Älteren und die Senioren.
Eine Aufgabe, die uns in Coronazeiten vor eine besondere Herausforderung stellt.
Doch das und nichts anderes meint Advent: Dass Gott gekommen ist und dass er wieder kommt, das macht das Leben spannend. Im Wort „Advent“ steckt es ja drin, das „adventure“, das Abenteuer, das Spannende.
Ja gerade in diesem Jahr ist und bleibt es eine spannende Aufgabe: Trotz physischer Distanz dafür zu sorgen, dass unsere Mitmenschen Wertschätzung und Beistand wahrnehmen können.  
Viele Ideen wurden schon umgesetzt. Vom Telefonieren, über digitale Medien bis hin zum Briefe schreiben… „Schenken Sie doch eine Umarmung auf Papier“, hab‘ ich kürzlich im Radio gehört. Ja, es werden immer neue Ideen gefunden. Und das ist gut so.
Auch wenn wir viele nicht erreichen und noch lange nicht alle Gott loben können. Es ist und bleibt unsere Aufgabe, daran mitzuarbeiten, dass es immer mehr werden, die das können. Unsere Aufgabe ist es ihm, Gott, zu dienen in Heiligkeit und Gerechtigkeit, wie es da in unserem Predigtwort heißt. Immer wieder zu fragen: Gott, was willst du von mir, von uns?
Gott braucht jeden von uns in seiner Situation und mit seinen Gaben. Und dazu muss keiner perfekt sein. Aber ich bin davon überzeugt: Jeder und jede von uns hat etwas, das er/sie einbringen kann. Etwas, womit er oder sie etwas von Gottes Freundlichkeit und Licht weitergeben kann. Helfen wir uns gegenseitig, das zu entdecken! Und legen wir es zusammen!
Gott hält Wort - er kommt, er wird Mensch. Das feiern wir an Weihnachten und die Adventszeit soll uns darauf vorbereiten.
Die Adventszeit ist nicht das Ziel, sie ist der Weg!
Gott hält Wort - auf ihn kann ich mich verlassen und er hat uns Worte zugesagt, von denen wir leben können:
Fürchte dich nicht, ich bin mit dir.
Du bist wertvoll in meinen Augen, und ich habe dich lieb.
Aller Welt Enden sehen das Heil unseres Gottes.
Gott hält Wort und daran dürfen wir festhalten.
So haben wir allen Grund in den Lobgesang des alten Priesters Zacharias, wenn auch nicht mit unseren Stimmen, aber sehr wohl mit unserem Herzen einzustimmen.
 
Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk - und sein Volk, da gehören wir dazu.
 
AMEN

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