Gottesdienste 2024, 2. Quartal

Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für den 3.Sonntag nach Trinitatis – 16. Juni 2024
Pfarrer Jochn Maier

 
Kirche St. Bartholomäus Sommerhausen
Bildrechte Markt Sommerhausen
Wochenspruch:
"Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist." Lk 19,10
Predigttext: Lukas 15,1-3.11b-32

 

Liebe Gemeinde,
 
wenn wir etwas verlieren, dann sind wir traurig und wir freuen uns, wenn wir es wiederfinden. Wer z.B. einen Schlüssel verliert, der durchstöbert und durchforstet alles in der Hoffnung, das verlorene Teil wiederzufinden. Das kann einen fast in die Verzweiflung treiben. Umso größer die Freude, wenn das verlorene Teil dann plötzlich wieder auftaucht.
Diese Traurigkeit über den Verlust und die Freude übers Wiederfinden, die kannten die Menschen zu allen Zeiten und Jesus hat das gleich in mehreren Gleichnissen aufgegriffen, so etwa in der Geschichte vom verlorenen Schaf oder der vom verlorenen Groschen. Das schönste und wohl auch bekannteste Gleichnis in dieser Reihe ist die Geschichte vom verlorenen Sohn:
Lukas 15,1-3.11b-32
Es ist eine Geschichte, die anrührt, die einen ergreift, auch wenn wir sie schon oft gehört haben.
Mit wem können Sie, mit wem könnt Ihr Euch identifiziert in dieser Geschichte?
Mit dem jüngeren Bruder, der auszieht, sein ganzes Vermögen vergeudet und dann reumütig zurückkehrt?
Über mit dem älteren Bruder, der sein Leben lang treu und brav auf dem Hof seines Vaters arbeitet und zornig ist, als der den Heimkehrer so freudig begrüßt?
Oder vielleicht auch mit dem Vater, der stürmisch seinem Sohn entgegenläuft und der versucht, den älteren Bruder mit dem jüngeren zu versöhnen?
Schauen wir uns diese drei Personen doch einmal genauer an.
Da ist zunächst einmal der jüngere Sohn. Der hält es zuhause nicht mehr aus. Der will raus in die Welt. Er sieht für sich keine Zukunft auf dem elterlichen Hof, will was erleben. Er will nachts nach Hause kommen, ohne dass ihn jemand fragt, wo er denn so lange war und warum es so spät geworden ist.
Nach dem Tod der Eltern wird ohnehin der Ältere alles erben. Also bittet der Jüngere den Vater, ihm sein Erbteil auszuzahlen und mit einem Sack voller Geld zieht er los. Der Vater lässt ihn ziehen. Macht ihm kein schlechtes Gewissen, gibt keine guten Ratschläge, die manchmal ja auch Schläge sind.
Der Sohn zieht los, feiert wilde Parties und weil er stets alle Rechnungen zahlt, findet er viele Freunde und willige Mädchen.
Aber dann kommt der Absturz.
Als die letzten Münzen ausgegeben sind, verziehen sich die gekauften Freunde und der Sohn ist nun ganz allein. Und wie das so ist: Ein Unglück kommt selten allein: Ausgerechnet da kommt eine Hungersnot und die Lebensmittelpreise steigen auf Rekordhöhe.
Der Sohn kämpft verzweifelt ums Überleben. Die niedrigsten Jobs muss er annehmen: Schweine hüten – unreine Tiere. Die Arbeit ist hart und schmutzig und auch noch schlecht bezahlt. Vom Millionenerbe zum Schweinehirten – was für ein Absturz. Er ist so tief gesunken, wie ein Mensch nur sinken kann: bitterarm, hungrig und einsam.
Es gibt wohl kaum einen Menschen, der in seinem Leben nicht auch Abstürze erlebt hat. Vielleicht nicht so drastisch, wie im Gleichnis, aber doch auch schmerzlich: Da platzen Träume und man weiß nicht, wie es weitergehen kann. Manche stürzen durch eigene Schuld, andere durch äußere Umstände: Krankheiten, Unfälle, Arbeitslosigkeit, mögliche Gründe gibt es viele. Martin Luther hat das in seinen ersten Jahren als Mönch auch so erfahren und später hat er darüber gedichtet: „Ich fiel auch immer tiefer drein,/ es war kein Guts am Leben mein,“ zur Hölle musst ich sinken.“
Und unser verlorener Sohn aus dem Gleichnis Jesu, was tut er? Er besinnt sich auf das, was ihm noch geblieben ist im Leben. Er erkennt, dass er sich an seinem Vater und an Gott versündigt hat und will um Verzeihung bitten. Er rechnet nicht damit, wieder als Sohn aufgenommen zu werden. Das hat er sich verspielt. Nur als Tagelöhner will er bei seinem Vater arbeiten, als einer, der täglich von der Hand in den Mund lebt. Aber immerhin besser, als Schweine zu hüten in der Fremde.
Wie muss er gestaunt haben, als sein Vater ihm dann freudestrahlend entgegenrennt? Keine Vorwürfe, keine Zurechtweisung, nichts. Ganz im Gegenteil. Der Vater nimmt ihn einfach in den Arm, drückt ihn an sein Herz. Und nicht nur das: Er erkennt ihn sofort wieder als seinen Sohn an, indem er ihm Kleider gibt und den Ring, als Siegel der Verbundenheit.
Was mag im jüngeren Sohn vorgegangen sein, wie hat er sich gefühlt? Bestimmt war er erleichtert, vielleicht aber hatte er auch ein schlechtes Gewissen, war beschämt. Wie wird sein Leben am nächsten Tag gewesen sein? Hat er sich geändert? Ob er wohl auch an seinen älteren Bruder gedacht hat in diesem Augenblick?
Ja dieser ältere Sohn! Ein richtiges Mustersöhnchen, könnte man meinen! Bleibt schön zuhause, treu und eifrig und fleißig. Vielleicht war er auch manchmal neidisch, wenn die Eltern am Mittagstisch davon sprachen, dass sie sich Sorgen machten über den verlorenen Jüngeren.
Und dann steht dieses Bürschchen plötzlich vor der Tür. Beziehungsweise schlimmer: Er steht gar nicht vor der Tür sondern ist der Mittelpunkt eines großen, rauschenden Festes. Als der Vater ihn einlädt, mitzufeiern, da macht er ihm Vorwürfe: „Dieser dein Sohn hat doch alles durchgebracht, hat alles vergeudet! Da ist ja der Ehrliche der Dumme und der Fleißige wird bestraft!“ „Dein Sohn“ – das Wörtchen „Bruder“ kommt ihm nicht über die Lippen.
Ich kann ihn schon auch verstehen, den älteren Bruder. Vielleicht hätte es ihm ja auch gut getan, mal rauskommen, mal was anderes zu sehen. Ich habe irgendwo gelesen, dass in Italien die Nesthocker, die jungen Männer, die nicht von zuhause wegkommen, „Bamboccioni“ Riesenbabys genannt werden- in Italien seien das 70 % aller 20 bis 30-jährigen. Die wohnen im Hotel Mama, bis es nicht mehr geht.
Als ich am Mittwoch mit einer Gruppe von lieben Menschen über dieses Gleichnis gesprochen habe, da hatten wir den Eindruck, dass es diesem älteren Sohn zwar materiell gut ging, er aber nicht glücklich war. Gott aber will, dass es uns gut geht, dass wir uns am Leben freuen können.
Der Vater versucht seinem älteren Sohn klarzumachen, dass er keinen Grund hat, neidisch oder eifersüchtig zu sein. Alles, was ihm selbst gehört, gehört auch dem älteren Sohn. Der Jüngere nimmt ihm nichts weg.
Ob der seinen Neid überwinden konnte? Schafft er es, diese selbstzerstörerischen Eifersüchteleien zu überwinden und seinen verlorenen Bruder in den Arm zu schließen? Kann er am Ende vielleicht doch mitfeiern? Man kann es ihm nur wünschen. Die Geschichte lässt das bewusst offen.
Aber schauen wir nun auf den Vater. Er ist die eigentliche Hauptperson der Geschichte. Würden wir uns als Väter und Mütter auch so verhalten? In dem Moment, wo der Vater seinen jüngeren Sohn zurückkehren sieht, da hat er Erbarmen mit ihm. Das griechische Wort, das an dieser Stelle steht, beschreibt ein ganz starkes, ein überschwängliches Gefühl. Man könnte übersetzen: „Seine Eingeweide zogen sich zusammen!“ Er rennt seinem Sohn entgegen, nimmt ihn freudestrahlen in den Arm. Ein hochangesehener Gutsherr vor 2000 Jahren tut so etwas ja eigentlich nicht. Aber das ist ihm völlig gleichgültig, so überwältigt ist er von der Freude über die Heimkehr.
Aber den älteren Sohn hat er darüber nicht vergessen. Er liebt ihn kein bisschen weniger. Er wünscht sich von Herzen, dass beide Söhne sich vertragen, er liebt beide bedingungslos.
Ja, liebe Gemeinde, diese bedingungslose Liebe des Vaters, die steht im Mittelpunkt dieser wunderbaren Geschichte. In dieser Welt, in der normalerweise jede Leistung eine Gegenleistung erwartet, da gibt es eine Liebe die ganz und gar bedingungslos ist. Das mag sich nun kitschig anhören, aber es ist die tiefe Wahrheit des Glaubens: Gott misst nicht ab, er berechnet nicht und er vergleicht nicht. Er liebt nicht den einen mehr als den anderen. Und vor allen Dingen: Gott gibt niemanden verloren. Wer spürt, dass er geliebt wird, der hat auch den Mut, Fehler zuzugeben und um Verzeihung zu bitten, so wie der jüngere Sohn es tat.
Gott wartet auf uns, jeden Tag und jede Stunde.
Das ist seine bedingungslose Liebe.

AMEN
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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für den 1.Sonntag nach Trinitatis, 02. Juni 2024
Pfarrerin Irene Maier

 
Kirche St. Bartholomäus Sommerhausen
Bildrechte Markt Sommerhausen
Wochenspruch:
"Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich." Lk 10,16a
Predigttext: Jeremia 23,16-29

 

Liebe Gemeinde,

nach Pfingsten waren wir zu viert für ein paar Tage beim Wandern in Tirol. Für jeden Tag haben wir uns eine kleinere oder größere Bergtour vorgenommen und das jeweilige Ziel am Abend vorher miteinander ausgesucht und festgelegt. Schließlich gibt es im Kaisergebirge ganz viele Möglichkeiten an reizvollen Wanderwegen und Gipfeln mit herrlichem Ausblick. Ausgestattet mit Wanderkarten und Wanderführern war die Entscheidung nicht immer ganz leicht.
Einmal, da hatte ich eine schöne Tour mit herrlicher Aussicht und Einkehrmöglichkeiten gefunden und vorgeschlagen.
Die andern aber hat es nicht so recht überzeugt. Bevor wir loswandern wollten haben wir uns erst noch mit einem einheimischen, bergerfahrenen Freund getroffen. Ohne von meiner Idee zu wissen hat er uns dann genau dieselbe Tour vorgeschlagen. Und auf einmal waren alle dafür.
Wundert Sie das?
Eigentlich war es klar, wenn einer, der in den Bergen aufgewachsen ist, sich wirklich auskennt, eine Tour vorschlägt, dann wird man selbstverständlich auf den Ortskundigen und Bergerfahrenen hören, als auf jemanden wie mich, die ich nur aus Büchern die Informationen habe.
Liebe Gemeinde, auf wen hören wir und wonach richten wir uns?
Es wäre gut, wenn wir bei unseren Entscheidungen auch so vorgehen wie beim Aussuchen jener Bergtour. Wenn wir uns nicht von oberflächlichen Meinungen und Angeboten beeinflussen lassen, sondern dem Vertrauen schenken, der das Leben wirklich kennt in all seiner Tiefe und Weite und der mehr sieht als wir erahnen können. Leider ist das oft nicht der Fall. Das war auch zur Zeit Jeremias nicht selbstverständlich. Doch hören Sie selbst. Ich lese aus dem Buch des Propheten Jeremia im 23. Kapitel:
 
So spricht der Herr Zebaoth: Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch weissagen! Sie betrügen euch, sie verkünden euch Gesichte aus ihrem Herzen und nicht aus dem Mund des Herrn. Sie sagen denen, die des Herrn Wort verachten: Es wird euch wohlgehen –, und allen, die im Starrsinn ihres Herzens wandeln, sagen sie: Es wird kein Unheil über euch kommen. Aber wer hat im Rat des Herrn gestanden, dass er sein Wort gesehen und gehört hätte? Wer hat sein Wort vernommen und gehört? Siehe, es wird ein Wetter des Herrn kommen voll Grimm und ein schreckliches Ungewitter auf den Kopf der Gottlosen niedergehen. Und des Herrn Zorn wird nicht ablassen, bis er tue und ausrichte, was er im Sinn hat; zur letzten Zeit werdet ihr es klar erkennen. Ich sandte die Propheten nicht, und doch laufen sie; ich redete nicht zu ihnen, und doch weissagen sie. Denn wenn sie in meinem Rat gestanden hätten, so hätten sie meine Worte meinem Volk gepredigt, um es von seinem bösen Wandel und von seinem bösen Tun zu bekehren. Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der Herr, und nicht auch ein Gott, der ferne ist?
 
Liebe Gemeinde, wem schenken wir unser Vertrauen, auf wen hören wir?
Jeremia ist einer, der hier in Gottes Namen deutliche Worte spricht und er hat dafür allen Grund. Er weiß und sieht, dass das Südreich Juda in höchster Gefahr ist. Er sieht, wie der Gewaltherrscher Nebukadnezar einen Zwergstaat nach dem anderen einkassiert und nicht zu bremsen scheint in seiner Gier nach Macht. Jeremia ahnt, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis der Babylonierkönig kommen und auch Jerusalem einnehmen wird. Wenn die Regierenden ihre Politik nicht radikal ändern und wenn nicht jeder einzelne sich ändert und seinen Lebensstil umkrempelt - dann wird die Katastrophe kommen.
Aber Jeremias Warnungen gehen ins Leere. Keiner will sie hören. Die große Schar der staatlich bezahlten Propheten beruhigt die Leute: "Macht euch keine Sorgen! Was kann uns schon passieren? Wir haben alles im Griff!" Sie berufen sich auf irgendwelche Träume und Visionen. Und die Leute lassen sich nur zu gerne damit abspeisen!
 Die Leute damals und wohl auch wir heutigen hören doch lieber auf die Stimmen, die uns beruhigen, als auf mahnenden Worte.
Wer lässt sich schon gerne aufschrecken aus seinem gewohnten Trott und wachrütteln aus den liebgewordenen Illusionen. Es ist uns am liebsten, wenn alles einfach weitergeht, wie bisher.
Aber genau dagegen steht Jeremia auf. Er will nicht, dass die Menschen auf Schaumschläger und deren leere Versprechen hereinfallen. Es geht ihm um nichts anderes, als um ein gelingendes, erfülltes und gottgefälliges Leben. Das will er den Menschen, auch uns heute nahebringen.
Gott will nicht, dass wir am Wesentlichen vorbei leben.
Deshalb beruft er immer wieder Menschen, wie Jeremia, um uns den Weg dahin aufzuzeigen.
Aber - und das ist die große Frage, wie erkenne ich denn, ob einer von Gott kommt oder nicht, ob es einer wirklich gut mit uns meint oder nicht? Wie kann ich die Geister unterscheiden? Wie kann ich wissen, ob einer nicht nur im eigenen Interesse redet so wie damals die bezahlten Propheten?
Bei Jeremia heißt es: „Ein Prophet, der Träume hat, der erzähle Träume; wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen? spricht der Herr."
Mit diesen Sätzen macht es uns Jeremia nicht einfach. Er gibt uns keine schnelle Lösung, aber er mutet uns zu, zwischen wahren und falschen Propheten entscheiden zu können. Dazu gibt er uns Gottes Wort als Maßstab an die Hand. "Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott", so formuliert es schon gut 150 Jahre vor Jeremia, der Prophet Micha. Gottes Wort ist als Richtschnur und Entscheidungshilfe – Und weiter heißt es:
"Ist mein Wort nicht wie ein Feuer und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?"  
Der donnernde Hammer, der Felsen zerschmettert, das ist schon ein starkes Bild.  Vielleicht denken Sie jetzt auch an den Hammer eines Bergmanns, der mit Schlegel und Eisen wertvolles Gold und Silber oder Kupfer und Eisenerz aus dem Felsen gewinnt. Das ist zwar eine mühselige und schwere Arbeit, aber eine, die sich lohnt. Loderndes Feuer und starker Hammer, damit formt dann der Schmied aus hartem Eisen Geräte und Werkzeuge. Aus einem rohen Klotz entsteht so ein nützlicher Gegenstand.
"Mein Wort ist wie Feuer und Hammer", das heißt doch dann: Gott hat uns sein Wort gegeben, damit wir es auch verwenden, mit ihm umgehen und leben. Es hilft uns, dass etwas Sinnvolles und Nützliches entstehen kann. Und manchmal kann uns Gottes Wort sogar aufschrecken, wie das heutige Evangelium, die Geschichte vom reichen Mann und armen Lazarus zeigt. Es liegt allerdings an uns, ob wir uns die Geschichte zu Herzen nehmen und Konsequenzen daraus ziehen oder nicht.
Gottes Wort ist da. Es will von uns wahr- und angenommen werden.  Gottes Wort ist da in Jesus Christus, in ihm ist es gewissermaßen handfest geworden. Und doch bleibt es schwer, es herauszuhören aus den vielen Worten und Einflüssen, die auf uns einprasseln.
Erst vor zwei Wochen haben wir Pfingsten gefeiert. Das Fest erinnert uns daran, dass Gott uns seinen Geist versprochen hat. Er will uns zuversichtlich machen, dass wir nicht allein sind auf dem Weg, dass wir einen Helfer und Beistand an der Seite haben, wenn wir vor schwierigen Entscheidungen stehen. Gott selber sorgt dafür, dass Menschen nicht aufhören, sein Wort zu suchen, es zu hören und schließlich auch zu leben. Das gibt mir auch in schwieriger Zeit die Zuversicht, dass Kirchen und Gemeinden lebendig bleiben. Gottes Wort der Liebe will uns jeden Tag neu zeigen, worauf es ankommt.
Viele Stimmen wollen uns nur oberflächlich vertrösten und beschwichtigen. Damit sollten wir uns nicht einfach abspeisen lassen. Vertrauen wir doch lieber dem, der das Leben wirklich kennt mit all seinen Licht- und Schattenseiten. Vertrauen wir Gott und seinem Wort wie einem einheimischen Bergführer, der weiß, was eine Tour an Gefahren und Herausforderungen mit sich bringt. Er ist den Weg nämlich selbst schon gegangen.

AMEN
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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für den Sonntag Exaudi, 12. Mai 2024
Pfarrer Jochen Maier

 

Kirche St. Bartholomäus Sommerhausen
Bildrechte Markt Sommerhausen
Wochenspruch:
„Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen." Joh 12,32

Predigttext: Johannes 16,5-15

 

Liebe Gemeinde,

„Ja bist du denn noch ganz bei Trost? In deinem Alter nochmal ganz neu anfangen? Alles zurücklassen? Wegzuziehen in ein völlig fremdes Land, in eine so ungewisse Zukunft? Hast du dir das wirklich gut überlegt?“ So haben einige Bekannte damals wohl zu Abraham gesagt, als er alles zurückgelassen hat und aufgebrochen ist in ein unbekanntes Land – auf Gottes Wort hin. Er hat vertraut, hat den Schritt gewagt.
„Bist du denn noch ganz bei Trost? Glaubst du wirklich dass dieser Jesus lebt und man seinen Leichnam nicht einfach nur verschleppt hat?“ So bekam es Maria am Ostermorgen zu hören und dennoch glaubt sie an die Auferstehung.
„Bist du noch ganz bei Trost, dass du auf dem Reichstag in Worms dem Kaiser widersprochen hast? Hättest Du um des lieben Friedens willen deine Schriften nicht einfach widerrufen können? Willst du es wirklich mit Papst und Kaiser aufnehmen?“ So bekam es Martin Luther von verschiedener Seite zuhören und blieb doch seiner Überzeugung treu!

Sind wir denn noch bei Trost, wir, die christliche Gemeinde im Jahre 2024, die wir auch heute noch Gottesdienst feiern in einer Zeit, in der der Kirche der Wind schon recht steif in entgegen weht? Die Kirche hat heute ja längst nicht mehr die Bedeutung, die sich früher einmal hatte. In vielen Gegenden dieser Erde müssen Christen heute um ihr Leben fürchten – es gibt eine Organisation, Open Doors, die immer wieder auf diese verfolgten christlichen Geschwister aufmerksam macht. Die gibt es in Afghanistan, in Nordkorea, im Jemen und vielen anderen Ländern.
Und bei uns in Deutschland, da sind die Christen in manchen Gegenden inzwischen auch eine Minderheit! Kirchen werden verkauft, in Restaurants oder sonst was umgewandelt.
Was gibt uns trotzdem Hoffnung? Wo finden wir Trost?

Was wir nun heute als Predigtwort zu hören bekommen, das ist so etwas wie eine sehr persönliche Mutmachpredigt Jesu, eine Trostpredigt von Jesus Christus, dem Herrn unserer Kirche. Er verkündet den Seinen wie es mit seiner Sache, wie es mit der Sache Jesu weitergehen wird. Er kündigt Ihnen etwas an, eine Art Geschenk. Er möchte, dass die Seinen dadurch „ganz bei Trost“ sind, dass sie, dass wir einen Halt haben. Dass wir dennoch, trotz mancher Widerstände glauben, hoffen und lieben können.
Das ist das einigende Band der einen Kirche Jesu Christi vor und hinter allen konfessionellen Unterschieden.
Aber hören wir, was Jesus zu sagen hat! Der Evangelist Johannes hat es uns im 16. Kapitel seines Evangeliums aufgeschrieben:
Jesus sagt zu seinen Jüngern: Jetzt gehe ich zu dem, der mich gesandt hat. Doch niemand von euch fragt mich, wohin ich gehe.
Ihr seid nur traurig, weil ich euch dies alles gesagt habe.
Aber glaubt mir, es ist gut für euch, dass ich fortgehe; denn sonst wird der Tröster nicht zu euch kommen. Wenn ich aber fortgehe, dann werde ich ihn zu euch senden und er wird meine Stelle einnehmen. …
Ich hätte euch noch vieles zu sagen, doch das würde euch jetzt überfordern.
Aber wenn der Tröster kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch anleiten, in der vollen Wahrheit zu leben.
Was er euch sagen wird, hat er nicht von sich selbst, sondern er wird euch nur sagen, was er hört. Er wird euch jeweils vorbereiten auf das, was auf euch zukommt.
Er wird meine Herrlichkeit sichtbar machen; denn was er an euch weitergibt, hat er von mir.
 Alles, was der Vater hat, gehört auch mir. Darum habe ich gesagt: Was der Geist an euch weitergibt, hat er von mir.« AMEN


Es ist also beschlossene Sache: Jesu geht. Er muss. Er wird wieder heimgehen zu seinem himmlischen Vater. Und seine Freunde bleiben ohne ihn zurück. Miteinander hatten sie so viel erlebt. Er hatte Kranke geheilt, hatte Kinder gesegnet, sich um diejenigen gekümmert, die am Rand standen. Er hatte gepredigt. Sie hatten längst nicht alles verstanden, was er gesagt hatte, aber sie hatten gespürt: Gott ist da. Gott ist in ihm. Und jetzt sagte er: „Ich gehe zu dem, der mich gesandt hat.“
Jesus geht aber er lässt die Seinen nicht alleine.
Glaubt mir, es ist gut für euch, dass ich fortgehe; denn sonst wird der Tröster nicht zu euch kommen. Wenn ich aber fortgehe, dann werde ich ihn zu euch senden und er wird meine Stelle einnehmen. …
Jesus sendet uns seinen Tröster-Geist. Er durchweht alle Zeiten und alle Orte. Er kennt keine Grenzen, keine nationalen, keine gesellschaftlichen und keine der Hautfarbe und der Kultur.
Er weht wo und wann er will.
„Es ist gut für euch, dass ich fortgehe!“ Sagt Jesus. Er geht, aber was er gesagt und was er getan hat, das bleibt und das wirkt weiter und das bleibt lebendig. Der Geist wird aufrichten und trösten und motivieren und wird Falsches aufdecken und Lügen entlarven. Er wird zum Nachdenken bringen und immer wieder neu Glauben entfachen.
Gottes Geist ist lebendig, Kirche ist lebendig.

Letztes Wochenende, vom 3. bis 5. Mai war der Deutsche evangelische Posaunenchortag in Hamburg. Rund 15.000 Posaunenchorbläserinnen und -bläser kamen da zusammen. Eigentlich doch ein großes Ereignis. Haben sie davon was gehört in der Presse? Ich nicht! Solche positiven Bilder die sind wohl nicht so öffentlichkeitswirksam wie Negativschlagzeilen.
Aber die gibt es. Es gibt sie, die positiven Bilder und Nachrichten.
Kirche lebt. Sie lebt auch heute.
Wir haben am Himmelfahrtstag einen schönen Gottesdienst drüben in Winterhausen im Alten Steinbruch gefeiert an einem wirklich schönen Plätzchen – die Winterhäuser haben außer dem schönen Blick auf Sommerhausen tatsächlich auch noch andere schöne Plätzchen!
Ja es gibt viele ermutigende Bilder und Nachrichten, man muss sie nur wahrnehmen.
Und dass wir hier in unserer Kirche gestern eine Taufe gefeiert haben und nächsten Samstag wieder eine feiern werden, das ist doch ein Zeichen dafür:
Der Geist wirkt - auch heute noch!
Er wirkt manchmal anders, als wir es erwarten.
Vielleicht ist es nicht unbedingt das Brausen vom Himmel, von dem wir nächsten Sonntag in der Pfingstgeschichte hören werden.
Keine Feuerflammen.
Vielleicht eher ein sanfter Hauch, ein verstecktes Wirken, eine stille Gegenwart.
Da liest jemand morgens die Herrenhuter Losungen und spürt: Mensch, dieses Bibelwort, dieser Vers, der meint mich! Da bin ich angesprochen! Das gilt mir!
Oder du betest, du schüttest Gott das Herz aus und spürst wie du ruhiger wirst. Spürst, dass das wirklich stimmt: „Ich bin bei dir“ - flüstert dir der Tröster-Geist ins Herz.

Am Mittwoch war ich wieder bei den Vorschulkindern, den „Regenbogenkindern“ im Kindergarten und da haben wir auch darüber gesprochen, wie das ist, wenn man getröstet wird. Und für die Kinder war klar: Getröstet werde ich, wenn die Mama, oder Papa oder die Oma mich in den Arm nimmt. Dann ist alles halb so schlimm.
Welch ein Trost, wenn wir solche Menschen haben! Der Geist tröstet, aber er tut noch mehr:
Der Geist leitet in alle Wahrheit - er lässt uns stutzig werden, wenn Leute mit scheinbar einfachen Antworten und flachen Parolen daherkommen, oder wenn welche meinen, die ganze Wahrheit gepachtet zu haben. Mit der Wahrheit ist es wie mit dem Trinkwasser, sagt ein japanisches Sprichwort: Trinkt es eine Kuh, so wird Milch daraus. Trinkt es eine Schlange, wird daraus Gift.
Der Geist leitet in alle Wahrheit - er lässt dich immer wieder fragen: Wer ist Jesus für mich? Was ist richtig, was ist falsch?

Er entlarvt, wo du aufs falsche Pferd setzt und gar nicht merkst, wohin es galoppiert mit dir. Es kann sein, dass er dich unsanft herunterholt vom hohen Ross. Vielleicht aber greift er auch die Zügel und führt dich behutsam zurück ins Vertrauen. In die Irre gehen lässt er dich nicht.
Der Heilige Geist ist da und darum hat auch die Kirche Zukunft, wenn sie die Kirche Jesu Christi ist. Sie hat schon manchem Sturm getrotzt. Wir können den Geist Gottes nicht festhalten und ihn nicht herbeizwingen, Aber darum bitten, das können wir.

Komm, du Geist der Wahrheit und kehre bei uns ein, verbreite Licht und Klarheit, verbanne Trug und Schein.
Dann können wir getrost nach vorne blicken, denn der Tröstergeist ist uns nahe.

AMEN
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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für Sonntag, 5. Mai 2024 – Rogate
Pfarrer Jochen Maier

 
Kirche St. Bartholomäus Sommerhausen
Bildrechte Markt Sommerhausen
Wochenspruch:
"Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet."
Ps 66,20
Predigttext: 2.Mose 32,7-14

 

Liebe Gemeinde,

ums Beten geht es heute am Sonntag „Rogate“ und ich glaube es wird bei uns mehr gebetet, als man denkt. Nach einer Emnid-Umfrage betet immerhin mehr als die Hälfte der Deutschen - im Westen doppelt so viele, wie im Osten der Republik. Und in einer Studie der Goethe-Universität Frankfurt war zu lesen, dass betende Menschen in der Regel gesünder und zufriedener seien und länger leben würden als andere. Nachprüfen kann ich das nicht! Wahrscheinlich haben wir alle unsere ganz eigenen Erfahrungen gemacht mit dem Beten. Vielleicht erinnern wir uns zurück an die Kindertage, als unsere Mutter oder unsere Oma mit uns gebetet hat, abends vor dem Einschlafen vielleicht. Mag sein, dass wir ganz verschiedenartige Erfahrungen mit dem Beten gemacht haben – positive und negative. Oftmals entdecken Menschen das Gebet ja erst dann, wenn sie in eine Krise geraten. Not lehr beten, so sagt man ja nicht ohne Grund.
Da klagt eine Mutter über ihren Sohn. Irgendwie läuft alles aus dem Ruder, in der Schule fällt er ab, sie kommt einfach nicht mehr an ihn heran und hat das Gefühl, dass er mit den falschen Freunden zusammen ist. Am Ende des Gesprächs sagt ihr Gegenüber: „Ich bete für ihren Sohn!“ „Das tue ich auch!“ antwortet sie leise.
In der Bibel wird uns von vielen Betern und Beterinnen erzählt und wir können ihnen sozusagen über die Schulter schauen und können miterleben, wie diese Menschen es machen, wie sie beten.
Einer dieser großen biblischen Beter ist Mose. Er steht auf dem Berg Sinai und betet. Und auch er ist in einer echten Krise.
 
Wir hören einen Abschnitt aus 2.Mose 32:
Der Herr redete mit Mose auf dem Berg: »Geh, steig hinab!
Denn dein Volk, das du aus Ägypten geführt hast, läuft ins Verderben. Schnell sind sie von dem Weg abgewichen, den ich ihnen gewiesen habe. Sie haben sich ein goldenes Kalb gemacht und es angebetet. Sie haben ihm Opfer dargebracht und gerufen: ›Das sind deine Götter, Israel! Die haben dich aus Ägypten geführt.‹«
Weiter sagte der Herr: »Ich habe mir dieses Volk angesehen: Es ist ein halsstarriges Volk. Jetzt lass mich! Denn ich bin zornig auf dieses Volk und will es vernichten. Aber dich werde ich zu einem großen Volk machen.« Mose aber beschwichtigte den Herrn, seinen Gott: »Warum, Herr, lässt du dich vom Zorn hinreißen? Es ist doch dein Volk! Du hast es mit großer Kraft und starker Hand aus Ägypten geführt. Warum sollen die Ägypter sagen: ›In böser Absicht hat er sie herausgeführt. Er wollte sie in den Bergen umbringen und vom Erdboden vernichten‹?
Ändere doch deinen Beschluss, lass ab vom Zorn! Hab Mitleid und tu deinem Volk nichts Böses an! Erinnere dich an deine Knechte: Abraham, Isaak und Jakob. Denn ihnen hast du mit einem Eid zugesichert: Ich will euch so viele Nachkommen geben wie Sterne am Himmel sind. Ihnen will ich das ganze Land geben, das ich euch versprochen habe. Sie sollen es für immer besitzen.« Da hatte der Herr Mitleid mit seinem Volk. Das Böse, das er ihm angedroht hatte, tat er nicht. AMEN

 
Liebe Gemeinde, die ganze Geschichte beginnt mit einem großen Ärger. Kaum ist Mose mal länger weg, da geht es drunter und drüber im Lager der Israeliten. Während Mose oben auf dem Berg Sinai die zehn Gebote empfängt als Richtschnur und Wegweisung für ein gutes Leben, da verliert das Volk, das Gott doch mit starker Hand aus Ägypten geführt hat, das er in der Wüste mit Nahrung und Wasser versorgt hat, da verliert dieses Volk das Vertrauen in den unsichtbaren Gott. Es bastelt sich ein Gottesbild, einen Stier, Gold glitzernd, ein Zeichen der Stärke und der Furchtbarkeit. Sie wollen was fürs Auge, einen Gott, den man sehen kann. Sie wollen gar nicht unbedingt einen anderen Gott, aber sie wollen was zum Vorzeigen. Die anderen Völker haben auch Götterbilder, die Ägypter, die Kanaanäer usw. also brauchen wir das auch, sagen sie. Und noch bevor Mose auf diesen Frevel reagieren kann, da donnert Gott: „Jetzt lass mich! Denn ich bin zornig auf dieses Volk und will es vernichten.“ Gott will nicht zum Wunscherfüllungsautomaten degradiert werden. Er will nicht, dass wir ihn zur Marionette unserer persönlichen Vorstellungen machen. Gott ist und bleibt Gott! Er lässt sich nicht in unsere menschlichen Bilder pressen sondern er allein bestimmt, wie er uns begegnen will. Und er ist zornig über sein Volk. Wie ein Familienvater, der sich ärgert, wenn seine Kinder immer und immer wieder dieselben Fehler machen.
Zorn und Liebe liegen ja oft ganz nahe beieinander. Wer sehr liebt, der kann auch sehr enttäuscht werden. Und was tut Mose? Er betet! Er ringt mit Gott, er fleht. Manchmal ist Beten das einzige, was wir tun können.
„Können wir noch irgendetwas für euch tun?“ so fragte der damalige Bundekanzler Helmut Schmidt seinen Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski am 17. Oktober 1977 kurz vor Mitternacht. Es waren nur noch wenige Minuten, dann sollte die entführte Lufthansa-Maschine Landshut in Mogadischu von einer GSG9-Einheit gestürmt werden. Die Älteren unter uns erinnern sich an das, was als „deutscher Herbst“ in die Geschichte einging! An Bord waren 86 Geiseln in der Gewalt von palästinensischen Terroristen, den Piloten hatten die Verbrecher bereits ermordet. Wischnewski hat damals dem Bundeskanzler geantwortet: „Ja, betet! Mehr ist nicht. Aber das ist viel!“ Und er selbst hat auch gebetet in dieser Nacht, das hat er später berichtet, er, Wischnewski, der in einem protestantisch-preußischen Elternhaus groß geworden war. Und so macht es auch Mose. Er fleht zu Gott und das Unglaubliche geschieht: „Da hatte der Herr Mitleid mit seinem Volk. Das Böse, das er ihm angedroht hatte, tat er nicht.“ Das Gebet des Mose hat Wirkung. Es wird erhört.
Der Gott der Bibel, der Gott, zu dem wir beten und den wir bekennen, der ist kein unveränderliches Weltprinzip, kein unpersönliches Schicksal, dem wir ausgeliefert sind. Sondern unser Gott ist ein Gott, mit dem man reden kann. Ein Gott, der hört, der zuhört. Dessen Wille nicht auf Gedeih und Verderben durchgesetzt wird, sondern den wir mit unserem Beten bewegen können. Und deshalb kann Mose auch mit ihm reden und deshalb können auch wir mit ihm reden, so wie Jesus uns das ans Herz legt. Wir haben das vorhin im Evangelium gehört!
Wir können mit ihm reden wie mit einem liebenden Vater, von Du zu Du.
Nun kann man natürlich einwenden: Gut, bei Mose, da mag das geklappt haben, aber ich nun mal kein Mose und ich erlebe immer wieder, dass mein Gebet eben nicht erhört wird, dass da nichts ankommt. Und es ist im Leben ja tatsächlich so, dass wir beides erleben: Auf der einen Seite das Wunder von Mogadischu, bei dem wirklich alle Geiseln gerettet werden konnten, oder auch die Erfahrung der verzweifelten Mutter, von der ich eingangs erzählt habe und die erleben durfte, dass sie tatsächlich wieder einen neuen und guten Zugang zu ihrem Sohn gefunden hat und der seinen Weg im Leben gefunden hat, zwar mit ein paar Umwegen, aber letztlich war es doch gut.
Aber es gibt eben auch die andere Erfahrung, dass die Krankheit nicht geheilt wird oder die Situation in der Familie sich nicht verbessert. Aber auch das ist durchaus keine neue Erfahrung. Wenn wir den Menschen der Bibel über die Schultern schauen, dann stellen wir fest, dass auch die durchaus beides erlebt haben. Ein Paulus z.B. der immer wieder wegen eines schweren Leidens Gott um Linderung gebeten hat und zur Antwort bekam: „Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ (2.Kor 12,9)
Auch in der Bibel werden längst nicht alle Bitten so erfüllt, wie wir es uns vorstellen. Gott ist eben kein Goldenes Kalb und keine Wunscherfüllungsmaschine. Er hat uns nicht versprochen, uns an allem Leid vorbeizuführen, aber er hat versprochen, uns auch durch schwere Zeiten hindurch ans Ziel zu bringen. Wer betet, der tritt in Beziehung zu Gott und das zu erleben, zu spüren, das ist weit wichtiger als das Ergebnis. Wenn ich bete, dann erleichtert mich das, dann tut mir das gut, unabhängig davon, ob Gott mein Gebet so erhört, wie ich es mir vorgestellt habe. Und nicht selten kann ich hinterher sagen: Wie gut, dass Gott nicht so an mir gehandelt hat, wie ich es mir gewünscht habe! Gott sei Dank!
Und ein letzter Punkt: Vielleicht ist es Euch und Ihnen schon aufgefallen: Mose bittet ja nicht für sich, er bittet für andere, für sein Volk. Es tut gut zu wissen, dass andere für einen beten. Ich erinnere mich noch gut an meine erste Predigt als junger Vikar hier in Sommerhausen – das ist nun 31 Jahre her, das war 1993.
Ich war furchtbar ausgeregt und da hat eine Frau hier aus Sommerhausen – sie ist schon vor Jahren verstorben -  zu mir gesagt: „Du, ich bete für dich!“ Und das hat mir gut getan! Für andere zu beten, für die Eltern und für die Kinder, für die Nachbarn und die Kollegen, für die Eltern und die Geschwister, für die Menschen in der Ukraine und im Gazastreifen und in Israel: „Ach Gott, hab auf sie Acht! Steh ihnen zur Seite!“ Das hilft, garantiert!
An Mose können wir sehen, was geschehen kann, wenn wir so füreinander eintreten, wenn wir füreinander beten.
Versuchen wir es einfach.
 
AMEN
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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für den Hirtensonntag, Miserikordias Domini, 14. April 2024
Pfarrer Jochen Maier

 
Denkmal Schäfer
Bildrechte Kirchengemeinde Sommerhausen/Eibelstadt
Wochenspruch:
"Christus spricht: Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben."  Joh 10,11a.27–28a
Predigttext: 1.Mose 16,1-16

 

„Abrams Frau Sarai hatte keine Kinder bekommen. Sie hatte eine ägyptische Magd, die hieß Hagar. Sarai sagte zu Abram: »Der Herr hat mir Kinder verweigert. Geh doch zu meiner Magd! Vielleicht kann ich durch sie ein Kind bekommen. «Abram hörte auf Sarai. So gab Sarai ihrem Mann Abram ihre ägyptische Magd Hagar zur Nebenfrau. Abram wohnte damals schon zehn Jahre im Land Kanaan. Er schlief mit Hagar, und sie wurde schwanger. Als sie merkte, dass sie schwanger war, sah sie auf ihre Herrin herab. Da sagte Sarai zu Abram: »Mir geschieht Unrecht, und du bist schuld. Ich war es doch, die dir meine Magd gegeben hat. Kaum ist sie schwanger, sieht sie auf mich herab. Der Herr soll zwischen dir und mir entscheiden!« Abram antwortete Sarai: »Sie ist deine Magd und in deiner Hand. Mach mit ihr, was du für richtig hältst.« Daraufhin behandelte Sarai ihre Magd so schlecht, dass diese ihr davonlief.
Ein Engel des Herrn fand Hagar an einer Wasserquelle in der Wüste. Sie war am Brunnen auf dem Weg nach Schur. Der Engel fragte: »Hagar, du Magd Sarais, wo kommst du her und wo gehst du hin?« Sie antwortete: »Ich bin auf der Flucht vor meiner Herrin Sarai.« Da sagte der Engel des Herrn zu ihr: »Kehre zu deiner Herrin zurück und ordne dich ihr unter!« Weiter sagte der Engel des Herrn zu ihr: »Ich werde deine Nachkommen so zahlreich machen, dass man sie nicht zählen kann.«  Der Engel des Herrn fügte hinzu: »Du bist schwanger und wirst einen Sohn zur Welt bringen. Den sollst du Ismael, ›Gott hat gehört‹, nennen. Denn der Herr hat dich gehört, als du ihm deine Not geklagt hast. Dein Sohn wird heimatlos sein wie ein Wildesel. Er wird mit allen im Streit liegen und getrennt von seinen Brüdern wohnen.«
Hagar gab dem Herrn, der mit ihr geredet hatte, den Namen El-Roi, das heißt: Gott sieht nach mir. Denn sie hatte gesagt: »Hier habe ich den gesehen, der nach mir sieht.« Darum nannte man den Brunnen Beer-Lahai-Roi, das heißt: Brunnen des Lebendigen, der nach mir sieht. Er liegt zwischen Kadesch und Bered.
Hagar brachte Abrams Sohn zur Welt. Er nannte den Sohn, den Hagar geboren hatte, Ismael. Abram war 86 Jahre alt, als Hagar Ismael zur Welt brachte.“

 

Liebe Gemeinde,

ein Vers aus dieser Geschichte kommt uns vielleicht noch bekannt vor, das war die Jahreslosung 2023: „Du bist der Gott, der mich sieht!“ Hieß es da in einer etwas anderen Übersetzung. Du bist der Gott, der nicht wegschaut, sondern hinschaut, der Gott, der danach schaut, wie es mir geht. Ein schönes Wort, das guttut. Das klingt tröstlich, klingt ermutigend, obwohl die Geschichte, die wir da eben gehört haben und die hinter diesem Satz steht, zunächst einmal sehr fremd und wenig vertrauenserweckend klingt. Es ist die Geschichte von Hagar. Hagar war immer nur ein Mensch zweiter Klasse. Sie war eine ägyptische Sklavin und als solche hatte sie praktisch keinerlei Rechte.
Sie wird nicht gefragt, als ihre Herrin Sara sie kurzerhand zur Leihmutter erklärt und sie Abraham endlich den lang ersehnten Erben gebären soll. Künstliche Hormonbehandlungen oder eingefrorene Eizellen, die man nach Bedarf auftauen konnte, die gab es natürlich noch nicht und so schien das der einzig mögliche Weg zu sein, um doch noch an Nachwuchs zu kommen.
Gefragt wird Hagar nicht. Man bestimmt über sie.
Was sind das nur für Zustände?
Und weil zwar die Zustände damals ganz anders waren, weil die Menschen aber kaum anders gefühlt und gehandelt haben als heute, ging die Geschichte nicht lange gut. Es kam zu Spannungen, zu Neid und weil Hagar als Sklavin natürlich in der schwächeren Position war und auch Abram sie nicht beschützte, floh sie in ihrer Verzweiflung in die Wüste.
Aber in hochschwangerem Zustand in die Wüste zu gehen ist sicher keine gute Idee. Das ist glatter Selbstmord.
Das weiß Hagar, aber das ist ihr gleich.
Sie ist am Ende, kann nicht mehr und will auch nicht mehr.
Aber dann kommt es doch ganz anders. Hagar findet mitten in der lebensfeindlichen Wüste einen Brunnen, findet lebensrettendes, erfrischendes Wasser. Ein Brunnen in der Wüste ist das Sinnbild für Rettung und Bewahrung. Und nicht nur das: Ein Engel, ein Bote Gottes ist da und spricht Hagar an. Er hört sich ihre Geschichte an, holt sie sozusagen zurück ins Leben. Hagar wird gesehen, wir wahrgenommen, wichtig genommen, als Mensch, als Frau. „Du bist ein Gott, der mich sieht!“ Das kann sie dann aus tiefem Herzen bekennen.
Gesehen, wahrgenommen zu werden, das ist doch ein menschliches Grundbedürfnis. Wer will das nicht? In der Schule gibt es immer wieder verhaltensauffällige Kinder und wenn man genauer hinschaut, dann steht da manchmal eine tiefe Not dahinter. Kinder, die zu wenig Aufmerksamkeit bekommen, die übersehen werden. Und die holen sich dann manchmal diese Aufmerksamkeit, in dem sie aus der Reihe tanzen, indem sie stören, auffallen wollen. Das kann dann sehr anstrengend sein, aber im Grunde steckt eine große Not dahinter.
In der Woche nach Ostern haben meine Frau und ich ja unserer Tochter in London besucht. Das war schön und interessant und wir haben viel erlebt, haben vor allem gesehen, wo unsere Tochter zur Zeit lebt, aber das war auch ziemlich anstrengend. Eine riesige, tolle Stadt mit fast 9 Millionen Einwohnern – 6 mal so groß wie München! Menschen, die aneinander vorbeieilen, die sich gegenseitig nicht wahrnehmen, nicht wahrnehmen können.
Ich habe mal wieder gemerkt, dass ich kein Großstadtmensch bin.
Ich mags gerne kleinteiliger, persönlicher.
Ich bin gerne dort, wo man sich sieht und wahrnimmt und kennt.
„Du bist ein Gott, der mich sieht!“ Das klingt sehr tröstlich für mich. Ein Gott, er mir gut ist, freundlich zugewandt. Ich werde wahrgenommen, bin ihm wichtig. Wie schön ist das!
Gesehen werden, wahrgenommen werden, ernstgenommen werden. Das brauchen Menschen. Nicht gesehen zu werden, das kränkt und das macht einsam und lässt Menschen in ihrer Not allein. In Bertolt Brechts Dreigroschenoper heißt es: „Denn die einen sind im Dunkeln, und die andern sind im Licht. Und man sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht.“ Unser Predigtwort hält dagegen und bekennt: Für Gott ist niemand im Dunkeln. „Du bist ein Gott, der mich sieht!“ Sein Engel wendet sich gerade denen zu, die am Rande stehen. Gott sieht und hört ihr Elend.
Er ist der gute Hirte, der jedes einzelne seiner Herde sieht und wahrnimmt und im Blick hat. Kein einziges lässt er verloren gehen. Vielleicht ist das uralte Bild vom guten Hirten gerade deshalb auch heute noch so ansprechend und berührend, weil es das menschliche Grundbedürfnis aufnimmt: Da ist einer, der nach mir schaut, dem ich nicht egal bin.
Gott schaut uns an und er möchte auch unseren Blick auf die Welt verändern. Er möchte, dass auch wir hinschauen mit dem Blick der Liebe und der Barmherzigkeit – welch wunderbares Wort: Barmherzigkeit!
Dass wir hinschauen gerade auf die im Dunkeln. Wo sind in meinem Umfeld Menschen, deren innere und äußere Not niemand wahrnimmt? Wo kann ich zeigen: „Ich sehe dich!“
Kein Mensch darf übersehen werden. Keiner.
Das ist keine leichte Aufgabe, aber wir vertrauen auf einen Gott, der sieht und hört und Menschen Halt gibt – und die nötige Orientierung, damit wir verantwortungsvolle Wege gehen können.
Gott sieht mich, also bin ich.
Allerdings brauchen wir auch Geduld, gerade im Gottvertrauen brauchen wir viel Geduld. Gott möchte uns beides schenken: Geduld und das Vertrauen, dass Gott mich sieht und hört.

AMEN
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