Aktuelle Gottesdienste und Predigten in der Corona-Zeit: 2022


 

Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für das Weihanchtsfest, 25. Dezember 2022
Pfarrer Joche Maier

 

Kirche St. Bartholomäus Sommerhausen
Bildrechte Pfarrgemeinde Sommerhausen/Eibelstadt
Wochenspruch:
"Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit."
Joh 1,14a
Predigtwort: 1.Johannes 4, 9+10

 

Liebe Gemeinde,

ein Fisch kann im Wasser nicht ertrinken. Das Wasser ist sein Lebensraum. Dort findet er alles, was er zum Leben braucht. Dort fühlt er sich wohl, dort ist er in seinem Element.
Und ein Vogel kann aus der Luft nicht abstürzen. Er breitet seine Vögel aus und gleitet scheinbar schwerelos dahin. Die Luft trägt ihn, dort ist er in seinem Element.
Aber wie ist es mit uns Menschen? Wo ist der Mensch in seinem Element?
Was trägt ihn, was lässt ihn nicht abstürzen? Was braucht er zum Leben, damit er sich richtig rundherum wohlfühlt.
Gewiss: Gut essen und trinken, Gesundheit, ein schönes warmes Zuhause, gewisse Rücklagen auf dem Bankkonto und eine ausreichende Altersvorsorge zu haben, das tut gut. In der Freizeit das tun und lassen zu können, was einem Spaß macht, dadurch wird das Leben angenehm, keine Frage.
Aber das alles ist zu wenig.
Das reicht nicht, damit es uns so richtig gut geht.
„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“, heißt es schon in der Bibel. Und auch nicht nur von Brot und Spielen. Wir brauchen mehr. Da steckt noch eine ganz tiefe Sehnsucht in uns. Eine Sehnsucht, die uns immer weiter suchen lässt nach dem, was uns Geborgenheit schenkt, was uns wirklich glücklich macht. Wir wollen verstanden werden, angenommen werden.
Also nochmals: Wann ist der Mensch wirklich in seinem Element? Was ist wirklich lebensnot-wendig, was wendet die Nöte?
Ich glaube: So richtig in seinem Element ist der Mensch nur dann, wenn er spürt: Ich werde von jemandem geliebt. Wenn ein anderer sagt: Du, mit dir kann ich etwas anfangen, ich hab` dich gern, ich bin bei dir, ich steh dir zur Seite. Ich möchte mit dir alt werden, ich habe dich lieb!
Die Liebe, sie ist das Element des Menschen.
Wir feiern Weihnachten. Wir nennen es das Fest der Liebe. Und findige Geschäftemacher haben sich einiges ausgedacht, wie wir uns diese Liebe zeigen können, von den edelsten Genüssen bis zur modernsten Elektronik. Trotz Inflation und Energiekrise biegen sich aus dieses Jahr wieder die Gabentische. Und ich möchte das ja gar nicht schlecht machen. Im Gegenteil: Jemand anderem durch ein Geschenk eine Freude zu machen, das ist etwas Schönes und Großes! Und es sind ja beileibe nicht die teuersten Geschenke, die am meisten Freude machen! Einem anderen durch ein Geschenk zu zeigen: Ich schätze dich! Das ist etwas Schönes.
Aber das alles ist nicht elementar, nicht wesentlich.
Wesentlich, grundlegend ist, dass jemand „ja“ zu mir sagt, so wie ich bin, mit meinen Licht und Schattenseiten, dass er zu mir steht, was auch kommt. Ich habe mal irgendwo den Spruch gelesen: „Geliebt bin ich dort, wo ich den Bauch nicht einziehen muss!“ Das klingt ein Stück selbstironisch, aber da steckt eine tiefere Wahrheit drin.
Da sagt jemand wirklich und vorbehaltlos „ja“ zu mir.
Und das ist es, was Weihnachten ausmacht. Im 1. Johannesbrief heißt es: „Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen. Darin besteht die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden.“
Das ist es, was Weihnachten ausmacht: Gott hat sein „ja“ gesprochen zu uns, zu jedem und jeder von uns. Gottes Liebes, sein bedingungsloses Ja zu uns wird handgreiflich, sie bekommt Hand und Fuß in Jesus Christus, im Kind in der Krippe. Das ist die menschgewordene Liebe Gottes. Keine Religion hat je so ganz und gar menschlich von Gott gesprochen. Im Islam beispielsweise ist solch eine Rede undenkbar. Da ist auch von Jesus die Rede, aber da ist er nur ein Prophet, ein wichtiger zwar, aber keinesfalls Gottes Sohn. Aber für uns Christen ist es genau das, was Weihnachten, ja was unseren Glauben ausmacht: Gott wird Mensch.
Und menschlicher und liebenswürdiger hat auch Gott nie zu den Menschen geredet. Er verlässt sein Element, seine göttliche Herrlichkeit, seine Unbegreiflichkeit. Er wird greifbar.
Das feiern wir an Weihnachten. Gott tritt ein in unser Leben und das hat Konsequenzen, das kann Menschen verändern.
Viele Weihnachtsgeschichten und Weihnachtsmärchen erzählen davon. Ich bin dieser Tage mal wieder auf die schöne und bekannte Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens gestoßen. „A Christmas Carol“ , ein echter Klassiker aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Duzendfach verfilmt wurde diese Geschichte, als Theaterstück auf die Bühne gebracht, illustriert, wie auch immer. Diese Geschichte des geizigen Geschäftsmanns Ebenezer Scrooge, dem in der Heiligen Nacht Geister – man könnte auch sagen: Engel erscheinen und ihm die Folgen seines Geizes und seiner Lieblosigkeit aufzeigen. Ihm wird sozusagen ganz anschaulich vor Augen gemalt, wie es enden wird, wenn er so weiter macht wie bisher. Wohin sein Geiz ihn bringen wird. Und er spürt plötzlich die Leere, die ihn tief drin beherrscht und die er einfach nur zu überdecken, zu kaschieren versucht hat mit Geld und noch mehr Geld. Der Geist der Weihnacht berührt das kalte Herz dieses Mannes und erwärmt es, lässt Güte und Mitgefühl wachsen und die tief verschüttete Sehnsucht nach Gemeinschaft und menschlicher Nähe findet endlich Erfüllung.
Geschichten wie diese wären ja nicht so überaus erfolgreich, wenn sie nicht etwas in uns anrühren würden, was in jedem von uns verborgen ist.
Das feiern wir an Weihnachten. Gott tritt in unser Leben und das hat Konsequenzen. Das berührt uns ganz elementar, grundlegend.
Weil Gott das Leben, die Freude und das Leid der Menschen teilt, deshalb ist nun kein Ort der Welt mehr Gott-los, kein Abgrund mehr Gott-leer und kein Menschenleben Gott-fern.
Gott ist mit uns, was auch kommt.
Gott ist Mensch geworden und er möchte, dass auch wir Mensch-lich werden, dass wir seiner Liebe unter uns eine Chance geben. Wo das geschieht, da kommt Christus durch uns zur Welt, immer wieder neu. Dann können wir so manche Not wenden. Denn dann ist Weihnachten nicht nur ein Festtag der Liebe, sondern dann wird Weihnachten zum Lebensgrundsatz. Und dann sind wir wahrlich in unserem Element.
So sei es.
 
AMEN
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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für den   Toten- /Ewigkeitssonntag, 20. November 2022
Pfarrer Jochen Maier

 

Kirche St. Bartholomäus Sommerhausen
Bildrechte Pfarrgemeinde Sommerhausen/Eibelstadt
Wochenspruch:
"Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen."  Lk 12,35
Predigttext: Markus 13,31-37 

 

Jesus Christus sprach zu seinen Jüngern:
Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen.
Von jenem Tage aber oder der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater.
Seht euch vor, wachet! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist.
Es ist wie bei einem Menschen, der über Land zog und verließ sein Haus und gab seinen Knechten Vollmacht, einem jeden seine Arbeit, und gebot dem Türhüter, er sollte wachen:
So wacht nun; denn ihr wisst nicht, wann der Herr des Hauses kommt, ob am Abend oder zu Mitternacht oder um den Hahnenschrei oder am Morgen, damit er euch nicht schlafend finde, wenn er plötzlich kommt.
Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Wachet!

 

Liebe Gemeinde,
 
„Himmel und Erde werden vergehen“, sagt Jesus in unserem Predigtwort. Das ist ein Satz, den wohl keiner von uns gerne hört. „Himmel und Erde werden vergehen“, das klingt nach Untergang, nach Ende, nach Abschied, das will ich mir gar nicht vorstellen und doch haben manche von uns das so erlebt. Viele von uns sind am Grab eines Menschen gestanden, den sie geliebt haben. Auch ich stand im Januar am Grabe meines Vaters. Der Tod, der Verlust hat uns getroffen. Und das verbindet uns miteinander an diesem Sonntag, den wir den Totensonntag nennen.
Wir sind besonders empfindsam an diesem Tag, vielleicht auch den Tränen nahe. Fragen tauchen auf: Fragen nach dem Tod und Fragen nach dem Leben. Kommt da noch etwas, wenn alles vergeht? Und was kommt da?
Heute geben wir diesen Fragen Raum und dabei begleiten uns die Worte Jesu und dabei begleitet uns ein Lied. Es ist das Lied: Tears in Heaven – Tränen im Himmel von Eric Clapton. Er hat im März 1991 seinen Sohn Connor verloren. Er stürzte aus dem Fenster seiner Wohnung in New York im 30. Stockwerk des Hochhauses. Das Fenster war bodentief und wegen Reinigungsarbeiten komplett geöffnet. Ein Sicherungsgitter gab es nicht. Für einen Moment unbeobachtet, lief der Vierjährige geradewegs hinaus. Das ist der Alptraum aller Väter und Mütter. Ein sinnloser Tod. Eric Claptons Trauer hat dieses Lied geboren.
Ganz behutsam, fast zweifelnd fragt er seinen Sohn: „Würdest Du meinen Namen kennen, wenn ich dich im Himmel sehen würde? Wäre es genauso wie vorher, wenn ich dich im Himmel sehen würde?“ Und dann findet Clapton einen ersten zaghaften Halt: „Ich muss stark sein und weitermachen, denn ich weiß: Ich gehöre noch nicht in den Himmel.“
Hören wir einen Augenblick hinein in dieses Lied…
Wann wird das geschehen? Wann vergehen Himmel und Erde? Diese Frage hat Menschen zu allen Zeiten und immer wieder beschäftigt. Und damit wurde auch immer wieder Angst geschürt. Sektenführer haben behauptet, den Termin zu kennen und nicht wenige sind darauf hereingefallen. Und in Hollywood wurde mit solchen Endzeitszenarien schon viel Geld verdient, dann, wenn Bruce Willis und andere mal wieder die Welt retten mussten.
Aber was sagt Jesus dazu?
Jesus sagt: „Von dem Tag aber und der Stunde weiß niemand, auch der die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater.“ So ist das. In der Bibel wird kein Geschäft gemacht mit der Angst. Die Stunde kennt allein der, der die Zeit geschaffen hat, sonst niemand. Da bleibt kein Raum für Spekulationen.
Aber was können wir dann tun?
Jesus sagt: Wach auf! Rechne im Hier und Jetzt mit der Ewigkeit. Lebe Dein Leben, bewusst und verantwortungsvoll. Höre auf die Botschaft deines Herzens, höre auf deine innere Stimme.
Jesus verwendet das Bild eines Hauses. Der, dem das Haus gehört, der, dem mein Leben gehört, der geht auf eine Reise und lässt sein Haus zurück. Er vertraut es seinen Knechten an, jedem gibt er eine Aufgabe. Er traut es ihnen zu, dass sie das schon machen werden. Sie tun was sie tun. Und sie tun das in seinem Namen. Im Geiste steht er hinter ihnen. Das stärkt und gibt Kraft. Die Bibel hat dafür das schöne Wort „Vollmacht“.
Gott hat mir mein Leben anvertraut, dass ich es lebe in Verantwortung vor ihm, vor Gott und den Menschen. Und mein Leben ist nicht die Generalprobe, sondern es ist die Aufführung. Und eben weil es begrenzt und einmalig ist, ist es so wertvoll. Alles, was lebt ist begrenzt. Aber es ist nicht alles. Da kommt noch etwas. Der Tod ist nicht das Ende.
Das ist auch die Hoffnung, von der Eric Clapton getragen ist und die ihm in aller Trauer wieder Halt gegeben hat, neuen Boden unter den Füßen gegeben hat. Er ist sich sicher, dass da keine Tränen im Himmel mehr sein werden.
Ich versuche die nächsten Verse zu übersetzen:

Würdest du meine Hand halte, wenn ich dich im Himmel sehen würde?
Würdest du mir aufhelfen, wenn ich dich im Himmel sehen würde?
Ich werde meinen Weg finden, durch Nacht und Tag, weil ich weiß, dass ich nicht bleiben kann, hier im Himmel.
Die Zeit kann dich niederdrücken,
die Zeit kann deine Knie beugen,
die Zeit kann dein Herz brechen, sie macht dich zum Bettler.
Hinter der Tür ist Frieden. Ich bin sicher, und ich weiß, im Himmel wird es keine Tränen mehr geben.

 
„And I know there’ll be no more tears in heaven“ – im Himmel wird es keine Tränen mehr geben. So singt Eric Clapton und das gibt ihm die Kraft, sein Leben hier und heute zu leben.
Und das kann auch uns Hoffnung geben und Zuversicht. Gott hat noch etwas vor mit uns, mit jedem von uns. Wir sind seine Haushalter hier auf Erden in seinem Weltenhaus. Und er lässt uns nicht allein.
„Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende!“ Das ist uns versprochen.
Was bleibt von einem Menschenleben? Was bleibt am Ende der Zeiten?
Als ich mit meiner Mutter den Kleiderschrank meines Vaters durchgeschaut habe, ging mir das durch den Kopf? Was bleibt? Das meiste an Kleidung geht zum Roten Kreuz. Den schönen Lodenmantel behalte ich, vorerst – aber ob ich ihn mal anziehen werde? Richtig passen tut er nicht. Was bleibt?
Was bleibt sind viele wertvolle Erinnerungen, was bleibt ist ein Gefühl tiefer Dankbarkeit für so vieles. Und was vor allem bleibt, das ist die Liebe. Und die Liebe, die wir hier auf Erden erfahren dürfen ist eine Vorahnung der Liebe Gottes. Seine Liebe eifert nicht und sucht nicht das Ihre. Sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles und sie duldet alles.
Diese Liebe wartet auf uns, wenn Himmel und Erde vergehen. In dieser Liebe leben wir.
Wenn wir uns heute der Menschen erinnern, die wir verloren haben, dann dürfen wir wissen, dass auch sie in dieser Liebe geborgen sind. Ohne Wenn und Aber.
Ihre Namen sind im Himmel aufgeschrieben, und Gott hat sie bei ihrem Namen gerufen.
Und das bleibt!

AMEN
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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für den Volkstrauertag, 13. November 2022
Pfarrerin Irene Maier

 
Kirche St. Bartholomäus Sommerhausen
Bildrechte Pfarrgemeinde Sommerhausen/Eibelstadt
Wochenspruch:
„Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi“ (2. Kor 5,10a)

 

„Jesus sagte ihnen aber ein Gleichnis darüber, dass sie allezeit beten und nicht nachlassen sollten, und sprach: Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen.
Es war aber eine Witwe in derselben Stadt, die kam zu ihm und sprach: Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher!
Und er wollte lange nicht. Danach aber dachte er bei sich selbst: Wenn ich mich schon vor Gott nicht fürchte noch vor keinem Menschen scheue, will ich doch dieser Witwe, weil sie mir so viel Mühe macht, Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage.
Da sprach der Herr: Hört, was der ungerechte Richter sagt!
Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er's bei ihnen lange hinziehen?
Ich sage euch: Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze. Doch wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde Glauben finden auf Erden?“ (Lukas 18, 1-8)


Was für eine Szene, liebe Gemeinde!

Eigentlich wie geschaffen für ein Theaterstück auch in unserer Zeit. Ich kann mir’s bildlich vorstellen, wie der Richter da ganz gemütlich in seiner Amtsstube am Schreibtisch sitzt, die Füße hochgelegt, einen guten Schoppen genießt und die Akten in der Ecke verstauben lässt. Doch dann hört er sie schon im Vorzimmer lautstark zetern. „Da kommt sie schon wieder, die alte Furie!“, denkt er sich. „Als ob mich das interessieren würde. Vergangene Woche war sie doch erst da. Als ob’s um Leben und Tod ginge. Sie lässt nicht locker.
Wie sie nur rausgefunden hat, dass ich zuständig bin? Den Mann hat sie verloren – was kann ich denn dafür? Da geht’s doch nur um Peanuts, da ist doch nichts verdient! Und dann dieses Gerede, dass ich mich eines Tages werde verantworten müssen, vor Gott verantworten müssen, hat sie gesagt. Das ist doch eine offene Drohung. Anzeigen sollte ich sie! Soll mir bloß den lieben Gott aus dem Spiel lassen. Wenn die gleich klopft, dann tu ich so, als ob ich nicht da wäre! - Oh nein, schon zu spät, sie ist ja schon drin!“

So oder so ähnlich mag es sich abgespielt haben in der Geschichte, die Jesus da seinen Zuhörern erzählt.
Jesus hat ein Herz für die Mühseligen und Beladenen. Für die, die gemobbt werden und zum Stillschweigen Gebrachten, für die, die sonst keinen haben, der ihnen beistehen könnte. Gerade der Evangelist Lukas stellt das immer wieder ganz deutlich heraus und die Witwen, die nimmt er oftmals als Beispiel her– so wie hier.
Diese Witwe lässt sich von den Vorzimmerdamen des Richters nicht abwimmeln. Sie lässt sich nicht auf den „Sanktnimmerleinstag“ vertrösten, sondern sie liegt dem Richter mit ihrem berechtigten Anliegen im Ohr. Immer und immer wieder bringt sie ihre Sache vor nach dem Motto: Steter Tropfen höhlt den Stein!“ Und wenn nun schon dieser korrupte, pflichtvergessene und selbstherrliche Richter sich zum Einlenken bewegen lässt, um wie viel mehr dann Gott!
Darum geht es!

Wenn schon dieser Fiesling von einem Richter dazu gebracht wird, sich für die arme Witwe einzusetzen, um wie viel mehr wird sich dann Gott für uns einsetzten. Ihr seid für Gott ja keine anonymen Personen, keine Quälgeister, die er möglichst schnell wieder loswerden möchte, sagt Jesus. Ihr seid seine über alles geliebten Kinder und er, er ist euer liebender und gnädiger Vater!
Ja wenn schon dieser seltsame Richter in der Lage ist, der Witwe zu ihrem Recht zu verhelfen, um wie viel mehr wird Gott das dann für euch tun.
Nein, das ist auch nicht das Problem, dass Gott nicht helfen will, das Problem ist, dass wir oft so wenig von ihm erwarten und schnell aufgeben, müde werden, ihn zu bitten.
Die Witwe erwartet etwas vom Richter. Sie traut es ihm zu, dass er ihr Recht verschaffen kann, obwohl er so korrupt und verkommen ist. Aber wir, wir trauen Gott oft viel weniger zu. Wir geben schnell auf. Wenn sich nicht gleich etwas ändert, verlieren wir die Geduld.

 „Beten hilft“, so wird manchmal leicht und einfach daher gesagt. Doch das kann auch sehr bitter klingen, Je nachdem, was Menschen in ihrem Leben erfahren. Wenn das Beten scheinbar nicht hilft.
Aber vielleicht kennen Sie das auch, dieses dann Trotzdem-Beten?
Gerade wenn ich selbst nichts tun kann. Weil es mir entgleitet. Weil ich an diesen bestimmten Menschen nicht herankomme. An die schwierige Kollegin, den verhaltensauffälligen Schüler, das verschlossene Patenkind. Die Freundin auf der Intensivstation.
Ich bete für dich. Ich zünde eine Kerze für dich an.
Das ist alles, was ich tun kann. Aber das kann ich tun.
Allezeit beten und nicht nachlassen. Wieder und wieder.

„Betet ohne Unterlass!“ heißt es im 1.Thessalonicherbrief. Und zwar füreinander und über alle Grenzen von Raum und Zeit hinweg. Nicht aufgeben um Frieden zu bitten, auch wenn eine Versöhnung noch so aussichtslos erscheint. Beten, um nicht zu verzweifeln an der Sorge, wie es weitergehen wird mit den Entwicklungen in unserem Land.
Beten für eine Erinnerungskultur, dafür, dass rechtsradikales Denken und Reden und Verhalten geächtet und geahndet wird.
Der heutige Volkstrauertag lässt sich so auch als Gebetstag verstehen.
Nicht vergessen. Nicht dran gewöhnen. Dranbleiben. Eben: allezeit beten und nicht nachlassen.
Gerade dann, wenn ich vor lauter Ratlosigkeit und Verzweiflung nicht weiß, was ich tun kann, wenn nichts anderes geht. Es vor Gott bringen, auf Rettung hoffen, dranbleiben.
Wie in dem biblischen Gleichnis. Die Witwe bleibt dran, kämpft für sich, für ihre Kinder, für ihr Recht. Und sie schafft es. Der Richter gibt nach. So bekommt sie, was sie zum Leben braucht.
So auch ihr, sagt Jesus zu den Zuhörern damals und er sagt es uns heute:
Gebt nicht auf! Nehmt euch die Hartnäckigkeit und Leidenschaft dieser Frau zum Vorbild. Ihr werdet bekommen, was ihr braucht. Gott wird euch Recht schaffen!
Und am Ende seines Gleichnisses stellt Jesus eine entscheidende Frage: „Doch wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde Glauben finden auf Erden?“
Jesus fragt also: Wenn ich wiederkommen werde, werde ich dann Menschen finden, die mich erwarten? Werde ich Menschen begegnen, die beten und etwas von Gott erwarten?

Dass wir uns nicht missverstehen: Es geht Jesus nicht darum, das Beten und das Tun gegeneinander auszuspielen! Ora et labora ist der alte Leitspruch der benediktinischen Mönche. Bete und arbeite. Und das ist heute so aktuell wie eh und je.
Betende Menschen werden tun, was in ihrer Macht steht, um Gerechtigkeit durchzusetzen. Aber sie wissen auch, dass ihrem Handeln Grenzen gesetzt sind. Denn wirkliche Gerechtigkeit kann es erst dann geben, wenn Jesus wiederkommt.
Überall dort, wo Menschen glauben sie könnten unabhängig von Gott oder gar im Namen Gottes auf dieser Erde heute schon das Himmelreich erschaffen, da führt das zwangsweise in die Katastrophe. Das war bei den Nazis so mit ihrem Rassenwahn und das ist heute in allen Staaten mit totalitären Regimes so. Wenn Menschen das Paradies versprechen, dann führt das oft genug zur Hölle auf Erden.

Jesus fragt: Wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde Glauben finden auf Erden? Wenn er kommt, dann möchte er Menschen finden, die ihn erwarten, die etwas von ihm erwarten. Er möchte keine fehlerfreien Glaubenshelden und keine Fanatiker, Er möchte Menschen, die es wagen weiter zu beten, wieder und wieder und sich auch in Hoffnungslosigkeit gehalten wissen.
Er möchte Menschen die ihm etwas zutrauen, nein: Menschen, die ihm alles zutrauen.
Schenke uns Gott, dass wir durch eine lebendige Verbindung mit ihm zu solchen Menschen werden. Auch darum dürfen wir bitten.
In Jesu Namen.

Amen

 

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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für das Erntedankfest, 16. Oktober 2022
Pfarrer Jochen Maier

 

Erntedankefest
Bildrechte Pfarrgemeinde Sommerhausen/Eibelstadt
Wochenspruch:
"Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit."
Ps 145,15
Predigtwort: Psalm 36,6

 

Liebe Gemeinde,
 
dieses Jahr 2022 wird uns gewiss in vielfältiger Weise in Erinnerung
bleiben, so viel steht, denke ich, schon jetzt im Oktober fest.
Es ist das Jahr des Ukrainekrieges, das Jahr der steigenden Inflation,
der Energiekrise und es ist das Jahr mit dem heißesten Sommer hier in
Europa seit Beginn der Aufzeichnungen.

Und dennoch feiern wir das Erntedankfest!
Und wir feiern das mit gutem Grund.
Wir feiern es, weil wir trotz Hitze und Trockenheit eine ganze Menge ernten konnten. Wenn ich die Winzer hier in Sommerhausen höre, dann sind sie mit der Lese durchaus zufrieden. Schöne gesunde Trauben gab es zu lesen. Im Obstbau war es wohl unterschiedlich, habe ich mir sagen lassen, aber Zwetschgen z.B. gab es mehr als genug und wenn ich in unseren Pfarrgarten schaue, dann hatten wir eine reiche Tomatenernte, Kürbisse, Bohnen, und Walnüsse in großen Mengen – wenngleich nicht besonders große.
Ich denke, wir hier bei uns haben wenig Grund zur Klage – bei den Mais- und Zuckerrübenbauern sieht es da leider schon ganz anders aus.
Zumindest hier bei uns haben wir also doch wieder allen Grund zur Dankbarkeit!

Ich möchte Euch und Ihnen heute von einem erzählen, dem es das Obst und ganz besonders die Äpfel besonders angetan haben – also jemand, der durchaus nach Sommerhausen passt. Korbinian Aigner heißt er und wurde der „Apfelpfarrer“ genannt. 1885 wurde er im oberbayerischen Hohenpolding im Landkreis Erding geboren.
Von Jugend auf hatte dieser Korbinian Aigner zwei ganz große Leidenschaften. Die erste waren Äpfel – „Pomologie“ – Apfelkunde.

Korbinian war der älteste Sohn eines großen Bauern – dort in Oberbayern gibt es ja auch heute noch große Höfe. Bereits mit 23 Jahren gründet er einen Obstbauverein und wird dessen Vorsitzender.
Aber er züchtet, pflanzt und pflegt nicht nur Apfelbäume, ihn faszinieren die unterschiedlichen Sorten, darum malt er sie mit einem einfachen alten Wasserfarbkasten, wie man ihn bis heute in der Schule hat. Er malt jeweils zwei Äpfel einer Sorte auf ein Papier in Postkartengröße. Auf diese Weise hat er fast alle Apfel- und Birnensorten seiner Zeit bestimmt und katalogisiert. Seine Zeichnungen lagern bis heute im Archiv der TU München.

Das ist die eine Leidenschaft, die andere ist sein Glaube. Von Kindesbeinen ist ihm sein Glaube, die Liebe zu Gott ganz wichtig. Schon als Schüler ist er sich sicher: Er will Pfarrer werden. Sein Problem ist die Schule, vor allem die alten Sprachen. Auf dem Gymnasium in Freising bleibt er wegen Latein und Griechisch einmal sitzen. Er wechselt dann ans Luitpold-Gymnasium nach München und schafft dort sein Abitur. Zum Trost für alle, die in der Schule Probleme haben oder hatten: Heute ist das Gymnasium in Erding nach ihm benannt!
Er kommt dann tatsächlich ins Priesterseminar und wird 1911 im Alter von 26 Jahren zum katholischen Priester geweiht. Seine Vorgesetzten sehen seine Apfelbegeisterung aber sehr kritisch: Er möge sich mehr um seine Gemeinde kümmern und weniger um die Apfelbäume, dafür seien andere da.
Aber Korbinian Aigner hat einen oberbayerischen Sturschädel und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen: Für ihn passt das gut zusammen: Der Dienst an den Menschen und der Dienst an der Schöpfung.
Den Obstbauern aus den umliegenden Dörfern steht er in seelsorgerlichen Angelegenheiten ebenso zur Seite wie in Fragen des Obstbaus. Er war wohl ein Mensch, der in sich selbst ruhte. Und das hat ihm eine innere Stärke verliehen, die er bald dringen brauchen sollte.

Denn Korbinian Aigner war auch ein politisch interessierter Mensch. 1923 hörte er einmal eine Rede von Adolf Hitler und von da an bezog er in seinen Predigten entschieden Stellung gegen die Nationalsozialisten. 1933 weigerte er sich, anlässlich der Reichstagswahlen die Glocken läuten zu lassen und erlaubte nicht, dass nationalsozialistische Fahnen in die Kirche gebracht wurden. Er wurde strafversetzt, ließ sich aber den Mund nicht verbieten. 1939, nach dem gescheiterten Hitler-Attentat von Georg Elser im Bürgerbräukeller in München hat Aigner im Religionsunterricht gemeint: „Ich weiß nicht, ob es Sünde ist, was der Attentäter im Sinn hatte. Dann wären halt vielleicht eine Million Menschen gerettet worden!“ Diese Äußerung wurde weitergemeldet, eine linientreue Hilfslehrerin hatte ihn bei den zuständigen Stellen angeschwärzt. Aigner wurde verhaftet und verbrachte die Zeit bis zum Kriegsende in verschiedenen Konzentrationslagern. Aber auch die Zeit im KZ konnte ihn nicht brechen. In Dachau wurde er zur Zwangsarbeit in der Landwirtschaft eingesetzt und hat heimlich zwischen den Baracken aus den Kernen Apfelbäume gezogen. Er vertraute auf Gott, der auch dort, wo allein menschliche Grausamkeit und Gewalt zu regieren scheinen, der auch dort „Tau und Regen, Sonn- und Mondenschein sendet.“ Für seine Mitgefangenen war es ein kleines aber wichtiges Hoffnungszeichen, dass auch dort am Ort des Schreckens kleine Apfelbäumchen wuchsen, ein Zeichen dafür, dass das Leben siegt.
Aigner hat sich dabei an den Vers aus Psalm 36 gehalten: „Herr, deine Güte reicht so weit der Himmel ist und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen!“
Er wusste nicht, ob er jemals wieder freikommen würde, ob er die Schrecken des KZ überleben würde. Aber er schaffte es, die Setzlinge von vier von ihm gezüchteten Apfelsorten irgendwie aus dem Lager herauszuschmuggeln: KZ-1 bis KZ-4 nennt er sie.
Die Macht des Bösen konnte sein Herz nicht zerstören. Der Gedanke daran, dass die von ihm gezüchteten Sorten draußen in der Freiheit wachsen und blühen und Früchte tragen würden und Menschen Freude und Nahrung bringen würden, dieser Gedanke hat dem gefangenen Pfarrer Kraft und Mut gegeben. Mut zum Durchhalten.
Er sah sich selbst von Gott dazu berufen, Gutes in die Welt zu bringen und in Gottes Schöpfung mitzuarbeiten.
Kurz vor Kriegsende gelang Aigner dann sogar die Flucht, als KZ-Häftlinge zu einem Marsch über die Alpen Richtung Südtirol gezwungen wurden. Bei Starnberg konnte er fliehen und sich in einem Kloster verstecken, bis wenige Tage später der Krieg zumindest dort zu Ende war.
Bald darauf konnte er dann auch wieder seine Pfarrstelle antreten und stirbt schließlich am 5. Oktober 1966 im Alter von 81 Jahren. Seine Züchtung KZ-3 gibt es wohl immer noch und wurde anlässlich seines 100. Geburtstages 1985 zu seinen Ehren in Korbiniansapfel umbenannt.  Ob die bei uns vorkommen, weiß ich allerdings nicht!
Dieser Korbinian Aigner hat jedenfalls ein Leben lang, auch in den finstersten Tälern seines Lebens, den Glauben an Gott bewahrt, den Glauben daran, dass Saat und Ernte Zeichen sind für Gottes Gnade und Fürsorge. Den Glauben daran, dass wir in Gottes Hand stehen – dass es alles andere als Selbstverständlich ist, dass wir etwas zum Ernten haben und das tägliche Brot Grund zum Danken ist.

Grund genug, sich auch heute noch an diesen besonderen Menschen, diesen „Apfelpfarrer“ zu erinnern. Aber auch Grund genug, um an diesem Tag nicht nur über die Gaben der Schöpfung zu staunen, sondern dem zu danken, aus dessen Hand wir sie empfangen haben:
„Herr, deine Güte reicht so weit der Himmel ist und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen!“


AMEN

 

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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für den Kirchweihsonntag, 02. Oktober 2022
Pfarrer Jochen Maier

 

Kirche St. Bartholomäus Sommerhausen
Bildrechte Pfarrgemeinde Sommerhausen/Eibelstadt
Wochenspruch:
„Wie lieblich sind deine Wohnungen, HERR Zebaoth!
Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des HERRN;
mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott.“
Psalm 84, 2-3

 

Liebe Kirchweihgemeinde,

Wo wohnt Gott?  Nicht nur Kinder stellen diese Frage, Kinder aber fragen das ganz unbefangen. Ganz einfach und direkt. Als Jugendlicher habe ich in meiner Heimatgemeinde Wendlingen am Neckar nach der Konfirmation Kindergottesdienst gehalten und ich weiß noch, wie ich da einmal den Kindern den Kirchturm gezeigt habe. Und da hat mich dann so ein kleiner Knirps im Halbdunkel des Kirchturmes, wo er mich nur schattenhaft gesehen hat, gefragt: Bist Du der liebe Gott? Da musste ich ihn dann natürlich leider enttäuschen. Das Kind ging davon aus, dass irgendwo in der Kirche Gott ja schließlich versteckt sein müsste, warum nicht im Turm?
Wie ist das denn nun: Wo wohnt Gott?
Wenn wir heute Kirchweih feiern, dann tun wird das zumindest im eigentlich Sinne des Festes ja deshalb, weil wir dankbar sind für unsere Kirche, dafür dass es sie gibt, dass wir sie haben. Wir sind dankbar, weil das für uns ein besonderer Ort ist, ein heiliger Ort.
Die Frage, ob Gott wirklich da ist, ob wir hier wirklich mit ihm rechnen dürfen, die ist uralt, die hat schon den großen, weisen König Salomo beschäftigt.
Schon dessen Vater, König David, wollte Gott ein würdiges Haus bauen, aber erst sein Sohn Salomo konnte dieses Projekt umsetzen. Das war im 10. Jahrhundert vor Christus. An der höchsten Stelle des damaligen Jerusalems entstand der salomonische Tempel. Die Bauzeit soll sieben Jahre gedauert haben und Salomo hat dazu die begabtesten Handwerker und Künstler seiner Zeit engagiert und edle Materialien verwenden lassen. Allerdings wissen wir heute, dass dieser Tempel rein von der Größe her wohl eher bescheiden ausgefallen ist, der war wohl deutlich kleiner als unsere St. Bartholomäuskirche! Aber immerhin: Erstmals hatten die Israeliten, die einst ein Nomadenvolk waren, ein festes Heiligtum.
Dann kam der Tag der Einweihung. Im Buch der Könige wird ausführlich darüber berichtet. König Salomo ist überrascht, aufgewühlt, überwältigt. Eben hatten die Priester die Bundelade ins neue Heiligtum gebracht. Nun tritt der König selbst vor sein Volk. Und ein Teil seiner Rede ist unser heutiges Predigtwort aus 1.Könige 8:
Salomo trat vor den Altar des Herrn. Vor der ganzen Versammlung der Israeliten breitete er seine Hände zum Himmel aus und betete: Herr, Gott Israels! Kein Gott ist wie du, weder oben im Himmel noch unten auf der Erde. Du bewahrst den Bund mit deinen Knechten. Du hältst denen die Treue, die vor dir mit ganzem Herzen ihr Leben führen. Du hast das Versprechen gehalten, das du deinem Knecht, meinem Vater David, gegeben hast. Hier und heute hat deine Hand erfüllt, was dein Mund versprochen hat. Herr, Gott Israels, jetzt erfülle auch, was du deinem Knecht sonst noch versprochen hast. Du hast meinem Vater David doch dein Wort gegeben: »Nie soll es dir an einem Nachkommen fehlen, der vor mir auf dem Thron Israels sitzt. Nur sollen deine Söhne stets darauf achten, ihr Leben vor mir zu führen, wie du es getan hast.« Gott Israels, lass dein Wort jetzt wahr werden, das du deinem Knecht, meinem Vater David, gegeben hast! Doch sollte Gott wirklich auf der Erde wohnen? Selbst die unendliche Weite des Himmels kann dich, Gott, nicht fassen! Wie könnte das der Tempel, den ich gebaut habe?
Herr, mein Gott, wende dich deinem Knecht zu, höre sein Gebet und sein Flehen! Ich flehe dich an! Höre die Worte des Gebets, das dein Knecht heute vor dir spricht. AMEN

Soweit der weise König Salomo.
Er staunt über den prächtigen Tempel aber er weiß zugleich, dass er Gott niemals in diesem Haus wird festmachen können. Gott lässt sich nicht einsperren, nicht in theologischen Gedankensystemen und erst recht nicht in einem noch so prächtigen Tempel. Das ganze Universum kann Gott nicht fassen.
Der König weiß das. Ganz demütig und bescheiden bittet er Gott um seine Gegenwart, er bittet Gott, der so groß ist, dass aller Himmel Himmel ihn nicht fassen können, wie Luther das übersetzt hat, dass Gott den Menschen in diesem Haus begegnen möge.
Gott braucht keinen Tempel. Gott braucht auch keine Kirche. Gott   ist überall.
Aber wir, wir brauchen sie, davon bin ich überzeugt. Wir brauchen Orte der Besinnung und der Ruhe. Orte wie unsere schöne St. Bartholomäuskirche, in denen wir den Alltag draußen lassen können und uns ganz für Gott öffnen können. Ort, die uns helfen, unsere Gedanken zu sammeln. In denen unsere Seele auftanken kann.
Erst am vergangenen Montag traf hier ich in unserer Kirche ein Urlauberehepaar aus der Nähe von München. Die waren wohl einige Tage in Veitshöchheim und irgend jemand hatte ihnen gesagt, sie müssen unbedingt Sommerhausen besuchen und das haben sie dann auch getan. Sie sind durch unseren Ort spaziert und saßen dann hinten in unserer Kirche und waren ganz beeindruck. Sie meinten, sie hätten selten eine so schöne, helle und freundliche Kirche gesehen. Sie saßen einfach hinten in der Kirchenbank und ließen den Raum auf sich wirken. Das tat ihnen gut.
Nein, liebe Gemeinde, Gott braucht keine Kirchen, aber uns, und tun sie gut. Wir brauchen sie.
Vor einigen Jahre war ich einmal auf einer Studienreise auf den Spuren der Russlanddeutschen in Sibirien. Dort besuchten wir verschiedene kleine lutherische Gemeinden, die sind in Russland die absolute Minderheit. Unter anderem waren wir in Krasnojarsk am Jennisei, einer Stadt mit einer knappen Million Einwohnern. Die kleine lutherische Gemeinde dort feiert ihre Gottesdienste in einem angemieteten Theatersaal. Sie hatten früher mal eine Kirche, aber die wurde in Sowjetzeiten zerstört.
Die Gemeinde ist froh und dankbar, überhaupt einen Ort zu haben, wo sie Gottesdienst feiern können. Das geht auch in einem Theatersaal. Aber eine Kirche ist etwas anderes, das habe ich dort deutlich gespürt. Die Atmosphäre ist eine ganz andere. Eine Kirche ist und bleibt ein besonderer, ein heiliger Ort. Ein Ort, der uns gut tut.
Dennoch bleibt die Frage offen: „Wo wohnt Gott?“ und ein alter jüdischer Rabbi hat auf diese Frage einmal die vielleicht tiefste und beste Antwort gegeben: „Gott wohnt, wo man ihn einlässt!“
Im Johannesevangelium heißt es: „Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben!“ (Joh 1,12)
So ist es! Gott wohnt, wo man ihn einlässt. Gott will uns begegnen – er tut das draußen in der Natur, er tut das in der Musik, in der Kunst – aber er tut in besonderer Weise hier in der Kirche, wenn wir uns hier in seinem Namen versammeln und Gottesdienst feiern. “Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ So hat es Jesus einst versprochen (Mt.18,20) und daran wollen wir uns halten. Er will uns begegnen, will bei uns wohnen. Aber es ist an uns, ihm die Tür unseres Herzens zu öffnen. Ihn hereinzulassen. Gott wohnt, wo man ihn einlässt. Jesus wohnt, wo man ihm eine Tür öffnet.
Das lasst uns tun.
Dazu helfe uns Gott.
AMEN
 
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