Aktuelle Gottesdienste im Jahr 2025

Gottesdienste und Predigten: 2024 * 2023 * 2022 * 2021 * 2020


 

Ökumenischer Gottesdienst
am Sonntag Invokavit in der ev. Pfarrei St. Bartholomäus, Sommerhausen
Sonntag, 9. März 2025, 9.30 Uhr
Sr. Dr. Katharina Ganz, Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen


Schrifttext: Matthäus 4,1-11

 

Liebe Brüder und Schwestern,

Letzten Dienstag war der frühere Bundespräsident Joachim Gauck in der Sendung von Sandra Maischberger zu Gast. Es ging um die aktuellen Koalitionsverhandlungen in Deutschland, aber auch um die Weltpolitik und um die Frage, ob sich Europa unter dem Druck von Trump und Putin einigen und zusammenraufen kann.
Gauck zeigte offen sein Entsetzen über das imperiale Gebaren Trumps, weil es aus seiner Sicht ganz unamerikanisch sei. Er selbst hatte als Kind den Krieg erlebt und die Amerikaner als Befreiungsmacht. Amerika war für ihn für die Ordnungsmacht, die Deutschland aus der Hand Hitlers und der Nazis befreite. Diese westliche Macht war seit 80 Jahren Garantin für Demokratie, Sicherheit und Freiheit. Und das sei nun alles wie weggewischt. Auf einmal müssten wir erleben, wie sich statt der Stärke des Rechts das Recht des Stärkeren wieder durchsetze.
Und dann sagte Gauck, der ja auch evangelischer Theologe ist, das Böse sei nun einmal in der Welt, und man müsse sich dazu positionieren. Nicht indem man es verharmlose und sich in eine Traumwelt flüchte - ganz nach dem Motto: Es wird schon nicht so schlimm werden - , sondern indem man es ernst nehme und sich ihm mutig entgegenstelle.
Und damit bin ich beim heutigen Evangelium zum 1. Passionssonntag. In Matthäus, Kapitel 4 wird erzählt, wie Jesus vom Geist Gottes in die Wüste geführt wird. Und dort wird er vom Teufel verführt. Der Teufel – auf Griechisch heißt er diabolos – was soviel bedeutet wie Durcheinanderwerfer, Versucher oder Verleumder. Bevor Jesus sein heilendes, die Menschen aufrichtendes Wirken entfalten kann, muss er erst noch eine Probe bestehen.
Die Verführung geschieht in drei Anläufen: Jesus soll aus Steinen Brot machen; also ein übernatürliches Wunder wirken. Er soll sich vom Tempel zu stürzen, ohne dass ihm etwas passiert. Das würde bedeuten, dass er unverletzlich wäre, eine Art Superman. Und am Ende steht die klassische Versuchung der Herrschaft über die ganze Welt und des unbegrenzten Reichtums. Im Grunde geht es jedesmal um die Versuchung, sich gottgleiche Macht anzueignen.
Jesus – so überliefert es Matthäus – widersteht dreimal, indem er sich nicht dem Teufel unterwirft und andient, sondern auf Gott verweist. Dafür zitiert der Evangelist aus der Tora, aus dem 5. Buch Mose. Sein Anliegen ist es ja zu zeigen, dass mit Jesus der verheißene Messias wirklich gekommen ist: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.“ (Dtn 8,3) – „Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen“ (Dtn 6,16) und last not least: „Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen.“ (Dtn 5,9; 6,13).
Bevor Jesus öffentlich auftritt und die Reich-Gottes-Botschaft verkündet, wird deutlich gemacht, dass Jesus nicht Gott selbst ist. Er mag Sohn Gottes bezeichnet werden, bleibt aber immer auch Mensch. Gott ist Gott allein. Gott ist erhaben, Schöpfer der Welt und Ursprung allen Lebens. Gott schafft Gerechtigkeit und Freiheit, schenkt Gnade und Barmherzigkeit. Gott ist unverfügbar, ist die Liebe und zwingt niemanden, aus dieser Beziehung zu leben oder auf Gottes Liebe mit Gegenliebe zu antworten.
Jesus, das wird im heutigen Evangelium klar verkündet, lebt aus der innigen Beziehung zu Gott. Er weiß um seine Verwiesenheit und setzt sich in das rechte Verhältnis zu Gott.
Um den Gottesbezug scheint es in unserer Gesellschaft nicht mehr gut bestellt zu sein. Die Mehrheit der Deutschen gibt inzwischen an, nicht mehr an Gott zu glauben. An der Bibel orientieren sich noch die Hälfte der Mitglieder der beiden großen Kirchen. Die andere Hälfte hält sie für unsere Zeit nicht mehr angemessen, oder sie besitzt keine Bedeutung für ihr Leben.
Wer sich aber an Jesus orientiert und dem Christentum noch eine reale Bedeutung beimisst im eigenen Leben und Handeln, der und die kommt nicht darum herum, sich auf Gott zu beziehen. Gott schenkt Leben. Freiheit. Hoffnung. Wohlergehen. Wir sind nicht zuerst Macher:innen. Wir sind in erster Linie Empfangende. Beschenkte. Geliebte. Wir empfangen Gottes Liebe unverdient. Gratis. Umsonst. Ohne etwas leisten zu müssen. Wir können sie annehmen oder ablehnen. Das steht uns völlig frei.
Wer sich auf den einen Gott bezieht und Gott als Schöpfer des Lebens anerkennt, relativiert die eigene Wichtigkeit. Denn dies schließt den Glauben ein, dass alle Menschen Gottes Ebenbilder und Kinder Gottes sind. Gottes- und Nächstenliebe sind im Christentum nicht zu trennen. Sie gehören zusammen wie zwei Seiten einer Münze.
Im Neuen Testament ist eine politische Ethik grundgelegt, die Gott die Ehre gibt und deshalb den Menschen dient. Gleichzeitig belegen biblische Zeugnisse die Tatsache, dass es menschenverachtende Politik gibt, die sich gottgleiche Macht anmaßt.
Die Bibel verweist auf Gott und fordert die Anerkennung politischer Gesetze, die vor Gott und den Menschen verantwortet werden müssen. Deshalb sind sie der Gerechtigkeit verpflichtet: der irdischen, die von der himmlischen verschieden ist, aber ihr entsprechen soll.
Eine politische Ethik, wie sie im Neuen Testament grundgelegt ist, macht Gerechtigkeit und Partizipation zur Grundlage. Beides verbindet sich im Prinzip Verantwortung.
Auch wenn es jahrhundertelang anders gelebt und gelehrt wurde, ist die Demokratie die Staatsform, die dem christlichen Menschenbild am ehesten entspricht. Maßstab der Politik ist die Gerechtigkeit, verbunden mit Frieden und Freiheit.
Die gesamte Bibel, das Erste und das Zweite Testament, machen deutlich, wie wichtig es ist, für Waisen und Witwen zu sorgen, sich der Fremden anzunehmen, die Notlage der Armen nicht auszunutzen oder sie zu vergrößern. Ein Grundprinzip im Judentum wie im Christentum ist, für ausgleichende Gerechtigkeit zu sorgen zwischen Reichen und Armen, Begüterten und Bedürftigen, Privilegierten und Unterdrückten.
Die christliche Sozialethik geht über das Erwartbare und Selbstverständliche hinaus. Im Unterschied zu anderen Solidaritätskonzepten weiten die Evangelien den Horizont der Nächstenliebe ins Unbegrenzte: Meine Nächsten sind nicht nur meine Blutsverwandten, die Leute aus meinem Dorf, meiner Clique, meinem Verein oder meiner Pfarrei. Der Aufruf zu helfen, zu leihen, zu teilen, zu schenken und zu lieben, macht nicht Halt an den Grenzen der eigenen Gruppe, Hautfarbe, Nation oder Religion. Deshalb ist christliche Sozialethik eine Zumutung.
Im Mittelalter galt die Gegenseitigkeit als Maßstab für das eigene Verhalten: „Do ut des,“ sagten die Lateiner. Ich gebe, damit Du gibst. Dieses Tauschprinzip findet sich als ethische Norm in vielen Religionen und Kulturen. Wir kennen sie als die sog. Goldene Regel, die auch die Bibel überliefert: „Was ihr von anderen erwartet, das tut ebenso auch ihnen.“ (Lk 6,31) Kinder lernen diesen ethischen Grundsatz in Reimform: „Was Du nicht willst, das(s) man Dir tu, das füg auch keinem anderen zu.“
Allerdings wird dieser Minimalkonsens im Sozialverhalten zunehmend hinterfragt und geradezu ins Gegenteil verkehrt. „Des ut do“, ist heute in. Gib mir zuerst, damit ich Dir vielleicht auch etwas gebe. Es gilt Deals zu schließen, bei denen man sich selbst durchsetzt und dem Gegenüber die eigenen Interessen diktiert. Der Bezugspunkt ist das eigene Ego. Mein Wohlergehen. Meine Familie. Meine Gruppe. Mein Land. America first. Bavaria first, heißt es aus aller Munde.
Populisten und fundamentalistische Strömungen haben Zulauf. Dabei gefährden sie den sozialen Frieden. Sie destabilisieren politische Ordnungen wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Sie konterkarieren jede Bemühung, ausgleichende Gerechtigkeit walten zu lassen, dem Gemeinwohl zu dienen oder Subsidiarität und Solidarität als Leitprinzip anzuerkennen.
Barmherzigkeit, Mitgefühl, Empathie, Fürsorge, Orientierung an den schwächsten Gliedern der Gesellschaft, Hilfe für Fremde und Heimatlose werden zunehmend zu Fremdworten in einer Gesellschaft, die von Spaltung und Hass gekennzeichnet ist. Die Angst vor dem eigenen sozialen Abstieg und Wohlstandsverlust bestimmt die politische Entscheidung. Und diese Ängste werden noch dazu gezielt geschürt.
Christliche Sozialethik lehrt dagegen die Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Gerade die Reichen und Superreichen sind doppelt gefragt statt sich die ganze Welt einzuverleiben. Das heutige Evangelium fordert uns heraus. Es ist eine Zumutung. Denn es mutet uns zu, uns denen mutig entgegen zu stellen, die eine Zumutung sind für das Gemeinwohl, weil sie sich über alles und jeden erheben und sich wie Götter aufspielen.
Die Bibel entlarvt ihr Gebaren als Götzendienst. Nichts und niemand ist ihnen heilig. Von ihren Wolkenkratzern, vom Mond oder Mars schauen sie auf die Erde und die Schöpfung herab und spielen sich auf, als ob ihnen alles gehört und sie es erschaffen hätten. Die Versuchung der Macht ist oft größer als die Widerstandskraft des Glaubens.
Mut macht mir, dass prophetische Kritik dennoch nicht verstummt, wo Politik sich religiös überhöht oder Religion politisch instrumentalisiert wird. Kurzum, wo das Böse überhand nimmt und die Werte durcheinander geworfen werden. Wo Wahres zur Lüge erklärt und Lügen zur neuen Wahrheit hochstilisiert werden.
Noch gibt es sie: die kirchlichen Stimmen, die voller Demut und Standfestigkeit zur Umkehr mahnen. Die anglikanische Bischöfin von Washington D.C. gehört für mich dazu. Einen Tag nachdem sich Trump bei seiner Rede zur Amtseinführung als Auserwählter Gottes inszeniert hatte, hielt sie ihm bei der Predigt im Gottesdienst eine Standpauke. Angesichts der vom Präsidenten angekündigten Massenabschiebungen von Menschen ohne gültige Papiere, sagte Mariann Edgar Budde: „Im Namen Gottes bitte ich Sie, haben Sie Erbarmen mit den Menschen in unserem Land, die jetzt Angst haben. Die große Mehrheit der Einwanderer sind keine Kriminellen“, mahnte die Bischöfin. „Sie zahlen Steuern und sind gute Nachbarn.“
Ich meine, auch hierzulande muss sich das Christentum neu positionieren, auf welcher Seite es steht: Muss es politisch neutral bleiben und sich auf das Seelenheil Einzelner konzentrieren? Oder kann es eine konstruktive Kraft werden, indem es die internationale und nationale, regionale und lokale Politik kritisch reflektiert und sich darauf konzentriert einen eigenen Beitrag zu leisten, um das Gemeinwohl zu stärken? Aus einer Zumutung kann auch Mut wachsen.
Wir begehen heute den 1. Sonntag der Passions- bzw. Fastenzeit. „Invokavit“, so lautet sein Name. Das bedeutet: „Er hat gerufen.“ Dieser Satz bezieht sich auf Psalm 91,15, wo es heißt:„Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören; ich bin bei ihm in der Not, ich will ihn herausreißen und zu Ehren bringen.“
Es gibt wahrlich genug Gründe, um Gott in dieser Passionszeit anzurufen und unsere Nöte und Sorgen ans Herz zu legen.
Wer glaubwürdig den Weg Jesu gehen möchte, kommt nicht darum herum, sich den Widersprüchlichkeiten zu stellen, die im christlichen Lebensprogramm enthalten sind. Nicht um das Herrschen geht es da, sondern um das Dienen. Nicht um den ersten Platz, sondern um den Letzten. Maßstab für das eigene Handeln ist die Reich-Gottes-Botschaft Jesu. Sie kommt da zum Vorschein, wo Menschen erleben, wie Jesus gewirkt hat: Befreiend, heilend, ermutigend, tröstend, stärkend, ermahnend, berührend, aufrichtend. Die Sendung der Kirche ist es, die zuvorkommende Liebe Gottes und froh machende Botschaft Jesu erfahrbar zu machen, indem sie Menschen aufrichtet in ihrer Würde, indem sie Ausgrenzung und Unterschiede überwindet, Gerechtigkeit herstellt und zu Versöhnung beiträgt.
„Invokavit“, „Er hat gerufen.“ Diesen Satz könnten wir auch umdrehen. Dann ist es nicht der Mensch, der nach Gott ruft und von Gott erhört wird, sondern Gott ist es, der uns ruft, herausruft, einlädt, aufzustehen und in seinem Sinn zu handeln. Bitten wir Gott also auch, uns zu zeigen, wo wir heute als Getaufte und mit Gottes Geist Bestärkte herausgerufen sind, uns zu positionieren. Auf die dreifache Versuchung zu Macht, Reichtum und Ansehen könnten wir uns etwa an den drei göttlichen Tugenden orientieren: Glaube, Hoffnung und Liebe. Oder wir könnten einüben, was seit alters her mit den evangelischen Räten gemeint ist: Gegen die Gier nach Reichtum hilft der Rat der Armut, des Teilens und der Gütergemeinschaft. Dem Streben nach Macht und Einfluss steht der Rat des Gehorsams gegenüber als ein gemeinsames Hören auf das Wort Gottes, auf die Mitmenschen und die Zeichen der Zeit. Und dem Geltungstrieb stellt die Bibel den Rat der Keuschheit gegenüber: gemeint ist die Lauterkeit der Beziehung, nicht das Herrschenwollen übereinander, sondern die Zuwendung aus Respekt und Liebe.
Die Passionszeit ist eine Zeit der Umkehr, der Besinnung, der Neuausrichtung auf Gott, auf die Mitmenschen und auf die Schöpfung, von der wir ein Teil sind.
Es ist nie zu spät neu anzufangen. Aber für vieles wird es höchste Zeit.


Sr. Dr. Katharina Ganz
OSF Kloster Oberzell
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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für Sonntag Sexagesimä, den 23. Februar 2025
Pfarrerin Irene Maier

 

Kirche St. Bartholomäus Sommerhausen
Bildrechte Markt Sommerhausen
Wochenspruch:
„Heute, wenn ihr seine Stimme hört, so verstockt eure Herzen nicht.“
(Hebr. 3,15)
 

Predigttext: Apostelgeschichte 16, 9-15
Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: Ein Mann aus Makedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Makedonien und hilf uns! 10 Als er aber die Erscheinung gesehen hatte, da suchten wir sogleich nach Makedonien zu reisen, gewiss, dass uns Gott dahin berufen hatte, ihnen das Evangelium zu predigen.
11 Da fuhren wir von Troas ab und kamen geradewegs nach Samothrake, am nächsten Tag nach Neapolis 12 und von da nach Philippi, das ist eine Stadt des ersten Bezirks von Makedonien, eine römische Kolonie. Wir blieben aber einige Tage in dieser Stadt. 13 Am Sabbattag gingen wir hinaus vor das Stadttor an den Fluss, wo wir dachten, dass man zu beten pflegte, und wir setzten uns und redeten mit den Frauen, die dort zusammenkamen.
14 Und eine Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, eine Gottesfürchtige, hörte zu; der tat der Herr das Herz auf, sodass sie darauf achthatte, was von Paulus geredet wurde. 15 Als sie aber mit ihrem Hause getauft war, bat sie uns und sprach: Wenn ihr anerkennt, dass ich an den Herrn glaube, so kommt in mein Haus und bleibt da. Und sie nötigte uns

 

Liebe Gemeinde,


vielleicht kennen Sie das: Da steht man morgens auf, hat feste Pläne, was man so alles erledigen will an diesem Tag und dann kommt alles ganz anders! Irgendein unvorhersehbares Ereignis wirft plötzlich den schönsten Tagesplan über den Haufen und alles, was ich mir so schön vorgenommen habe bleibt auf der Strecke.
Genau so ist es dem Apostel Paulus ergangen auf seiner zweiten Missionsreise. Er hatte seine Reiseroute eigentlich sorgfältig geplant, verschiedene Stationen festgelegt und dann kam's ganz anders.
Das fing schon damit an, dass er sich mit seinem Begleiter Barnabas überworfen hat. Die beiden sind einfach nicht mehr miteinander ausgekommen. "Personalprobleme" waren es, die zum Streit geführt hatten: Barnabas wollte gerne einen gewissen Johannes Markus mitnehmen aber Paulus hat diesen Mitarbeiter abgelehnt. Der hatte ihn früher mal sehr enttäuscht und das Vertrauen war zerstört. Und weil sie sich nicht einigen konnten, haben sich die beiden getrennt.
Zwar findet Paulus in Silas und später in Timothesus schnell neue Gefährten - aber mit der Missionsarbeit geht es einfach nicht recht voran. Sie reisen kreuz und quer durch den Norden der heutigen Türkei - aber große Missionserfolge können sie nicht vorweisen. Ganz im Gegensatz zur ersten Reise.
"Der Geist Gottes hinderte sie", heißt es da mehrmals. Es lag kein Segen auf ihren Plänen. Es sollte nicht so gehen, wie die beiden Männer es sich in den Kopf gesetzt hatten. Manchmal geht es eben nicht so, wie wir es gerne hätten - das mussten Paulus und seine Begleiter eben auch erkennen! Manchmal werden die eigenen Pläne durchkreuzt und dann hilft es oft wenig, die eigenen Ideen und Vorstellungen mit Biegen und Brechen durchsetzen zu wollen sondern offen zu sein für das Neue, das Unvorhersehbare.
Manchmal steckt Gott ja auch hinter den Niederlagen, weil er uns gerade dadurch auf einen neuen Weg bringen will, der letztlich ans Ziel führt. Meistens erkennen wir erst hinterher, dass es gut war, wie es gekommen ist - auch wenn die Enttäuschung zunächst groß ist!
Eigentlich wollten Paulus, Silas und Timotheus nach Ephesus, in die Provinzhauptstadt. Das war ihr ursprünglicher Plan. Aber schließlich landen sie ganz woanders, nämlich in Troas, einer damals sehr bedeuten­den Hafenstadt.
Troas war das Tor nach Europa. Von hier aus fuhren Schiffe direkt nach Rom und ins östliche Mittelmeer.
Und genau hier in Troas werden Paulus und seine Begleiter auf eine neue Spur gesetzt.
In der Regel geben wir wenig auf das, was wir nachts träumen. Und wir reden da auch selten drüber. Bei Paulus ist es anders. Ihm erscheint im Traum ein Mazedonier, ein Europäer und der bittet ihn: "Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!"
Paulus berät sich mit seinen Gefährten und ihnen wird klar: Das kann nur eines bedeuten: "Gott will, dass wir nach Mazedonien reisen, um dort das Evangelium zu verkünden. Es geht um den Schritt nach Europa!"
Und dann geht plötzlich alles sehr schnell. Paulus und seine Begleiter schiffen sich ein. Die Winde wehen günstig und die Überfahrt geht schnell vonstatten. Zunächst gelangen sie auf direkter Fahrt nach Samothrake, einer kleinen, felsigen Insel in der Ägäis. Von da geht es weiter nach Neapolis - und dann schließlich auf dem Landweg direkt nach Philippi.
Juden schien es dort wenig zu geben. Auch eine Synagoge gibt es in dieser Stadt offenbar nicht. So gehen die Missionare am Sabbat hinunter an den Fluss, weil sie gehört haben, dass es dort eine jüdische Gebetsstätte geben soll. Was sie dort finden ist aber nicht mehr als eine Art Uferwiese, auf der sich einige Leute unter freiem Himmel zum Gebet treffen. Von "gottesfürchtigen" Frauen ist die Rede, das sind wahrscheinlich Frauen, die selbst eigentlich keine Jüdinnen sind, aber dem jüdischen Glauben nahestehen.
Nun ist Paulus ja nicht gerade als "Feminist" in die Geschichte eingegangen, aber er kommt doch mit diesen Frauen ins Gespräch. Er hält keine große und feurige Missionspredigt – es heißt vielmehr: „wir setzten uns und redeten mit den Frauen, die dort zusammenkamen“. Wie bei einer alltäglichen Begegnung von Mensch zu Mensch, so kommt hier ganz ungezwungen und unspektakulär der Glaube, die frohe Botschaft zur Sprache.
Nicht nur bei Paulus, auch heute erleb ich das manchmal: Gerade bei Gesprächen an verschiedenen Orten wie  am Krankenbett, am Arbeitsplatz, am Gartenzaun oder vielleicht auch an der Theke, am Sportplatz, gerade dort, wo wir‘s oft nicht vermuten, lassen sich Menschen für den Glauben erwärmen..
Keine Ahnung, wie viele Frauen damals versammelt waren - nur eine aber hört Paulus wirklich zu, nur eine! Jedenfalls war das keine Massenbekehrung! Eine einzige Frau nur - aber die ist so wichtig, dass wir sogar ihren Namen erfahren: Lydia heißt sie.
Dass viele Menschen die Ohren verschließen, wenn die Rede auf Gott kommt und den Glauben, das kennen wir ja auch, das ist eine uralte Erfahrung. Paulus ging es da nicht anders als uns heute. Aber um der wenigen willen, die zuhören, ist unser Reden nicht vergeblich.
 Lydia hört zu. Sie hört nicht deshalb zu, weil Paulus so tolle Argumente gehabt hätte oder weil Timotheus sie so beeindruckt hätte, sie hört zu, weil Gott ihr das Herz auftat. Es ist Gottes Wirken, wenn jemand sich öffnet für die Botschaft des Evangeliums. Das heißt nicht, dass das, was wir sagen und tun überflüssig wäre - sonst könnte ich mir ja die ganze Predigtvorbereitung getrost sparen - aber der eigentliche Erfolg unserer Bemühungen, um den können wir nur beten!
Lydia jedenfalls hört zu. Sie öffnet ihr Herz. Lydia hatte ausländische Wurzeln. Aber sie war für damalige Begriffe auch eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Aus ihrer Heimat Thyatira hat sie den Purpurhandel mitgebracht und damit konnte man wohl gut Geld verdienen. Bei dieser Lydia fällt das Evangelium von Jesus Christus auf fruchtbaren Boden. Sie und ihr "Haus", also ihre ganze Familie, lassen sich taufen. Hier entwickelt sich die erste christliche Hausgemeinschaft auf europäischem Boden.

 

Wenn wir auf diese Geschichte zurückblicken, dann sieht es aus, wie eine Kette von Zufällen. Eigentlich wollte Paulus mit seinen Begleitern ja weder nach Troas noch nach Philippi - und mit Frauen wollte er schon erst recht nichts zu schaffen haben. Und doch ist es so gekommen. Für Lukas, der uns in der Apostelgeschichte von alledem erzählt, da ist das mehr als nur Zufall. Für Lukas leuchtet hier Gott auf, der das Heil für die Menschen will und ihnen das Herz auftun kann.
Was am Anfang scheinbar zufällig erscheint und manchmal auch ziemlich missraten - im Nachhinein erscheint das alles höchst sinnvoll! Was da zunächst so sperrig wirkt, das fügt sich in der Rückschau zueinander wie die Teile eines Puzzles.
Liebe Gemeinde, vielleicht sollten wir unsere eigene Lebensgeschichte auch ‚mal mit der Brille des Lukas betrachten? Vielleicht gelingt es uns, in der eigenen Geschichte einen roten Faden zu erkennen, den Gott hindurchgelegt hat.
Wo hat Gott Spuren hinterlassen? Vielleicht kann ich im Nachhinein sagen, dass manches, was zunächst scheinbar total danebengegangen ist, doch gut war, so wie es gekommen ist. Es hat mich zum Guten geführt.
Dass wir alle diesen roten Faden Gottes in unserem eigenen Leben entdecken, das wünsche ich uns und dazu helfe uns Gott.

AMEN
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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für den Sonntag Septuagesimae, 16. Februar 2025
Pfarrer Jochen Maier

 

Kirche St. Bartholomäus Sommerhausen
Bildrechte Markt Sommerhausen
Wochenspruch:
"Wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsre Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit." Dan 9,18
Predigtwort: Prediger 7,15-18

 

Liebe Gemeinde,
„wenn Du deinen Teller schön leerisst, dann gibt es morgen schönes Wetter!“ oder negativ „Wenn du zu viel fernsiehst, kriegst du viereckige Augen!“ oder auch so: „Wein‘ doch nicht, bis du mal heiratest, ist alles wieder gut!“
Kommen Ihnen, kommen Euch diese Sätze bekannt vor? Vielleicht haben wir sie selber verwendet bei der Erziehung unserer Kinder, oder haben sie selbst zu hören bekommen, als wir klein waren. Schon von Kindesbeinen an lernen wir, dass unser Leben durch Regeln bestimmt ist und dass es da einen direkten Zusammenhang gibt zwischen dem, was du tust und dem, wie es dir ergeht.
Und je älter wir denn werden, desto komplexer werden diese Regelsätze.
„Iss nicht die verkohlte Bratwurst, das gibt Krebs.“
„Rauche nicht und trinke nicht und treibe Sport, dann bleibst Du gesund!“
Und im Gegensatz zu der Sache mit den viereckigen Augen vom zu vielen Fernsehen, ist an diesen Regeln ja durchaus was dran. Aber je älter wir dann werden, desto öfters stellen wir eben auch fest, dass sich das Leben leider längst nicht immer an diese Regeln hält und sich nicht so einfach in solche Gesetzmäßigkeiten einbinden lässt. Menschen bekommen Krebs, sterben jung, obwohl sie nie geraucht haben und auch nie eine verkohlte Bratwurst gegessen haben. Und andere rauchen ein Leben lang und werden uralt. Da gibt es Menschen, die sich für andere einsetzen und werden viel zu früh aus dem Leben gerissen und andere, die auf Kosten anderer leben, führen ein langes und scheinbar glückliches Leben.
Das Leben ist nicht gerecht und das stellt uns nun mal vor die Frage, wie wir damit umgehen, dass die Vorstellungen von der Welt, die wir uns gemacht haben, nicht mehr tragen.
Auch der Prediger aus dem Alten Testament, der Verfasser des Buches Kohelet, von dem unser heutiges Predigtwort stammt, auch der hat das so erfahren. Vielleicht hat er als Kind auch schon solche Sätze, solche Sprüche gehört: Wahrscheinlich nicht den mit den vier-eckigen Augen vom vielen Fernsehen, den gabs ja noch nicht, aber vielleicht den: „Wenn du brav bist, dann wird es dir gut gehen!“ Und dann hat er die Welt um sich betrachtet, hat sich umgeschaut und festgestellt, dass das eben leider oft nicht so ist. Er schreibt in Kapitel 7:
„Beides habe ich beobachtet in meinem Leben,
das rasch vorüberzieht:
Da ist ein gerechter Mensch.
Der kommt ums Leben, obwohl er die Gebote befolgte.
Und da ist ein ungerechter Mensch.
Der hat ein langes Leben, obwohl er Böses tat.
Darum rate ich dir:
Sei nicht übertrieben gerecht
und bemühe dich nicht, überaus klug zu sein!
Warum willst du dich selbst zerstören?
Handle aber auch nicht allzu gottlos,
und tu nicht so, als wärst du dumm!
Warum willst du vor deiner Zeit sterben?
Es ist gut, wenn du dich an das eine hältst
und auch jenes nicht aus der Hand lässt;
denn wer Gott fürchtet, der entgeht dem allen.“
Das klingt schon sehr seltsam, was der Prediger uns da rät. Kaum zu fassen, dass so etwas in der Bibel steht!
„Sei nicht übertrieben gerecht und bemühe dich nicht, überaus klug zu sein!“ Oder noch erstaunlicher der Ratschlag: „Handle aber auch nicht allzu gottlos.“ Das klingt ja fast so wie: „Ein bisschen gottlos geht schon in Ordnung…“
Ist es wirklich das, was das Prediger meint? Ein bisschen über die Stränge geht schon, wir alle, alle, alle kleine Sünderlein…
Natürlich nicht.
Er lässt es ja bei diesen Ratschlägen nicht bewenden, sondern entscheidend ist der letzte Satz: „Wer Gott fürchtet, der entgeht dem allem.“ Darauf kommt es an! Und mit dem „Gott fürchten“ ist nicht gemeint, dass wir vor Gott Angst haben sollen, sondern da geht es um Ehrfurcht, um Respekt. Die „BasisBibel“ übersetzt das sehr treffend so: „Denn wer Gott ernst nimmt, dem gelingt beides.“
Ehrfurcht, Respekt vor Gott, das ist der Maßstab, an dem sich unser Verhalten orientieren soll und das hält uns davon ab, es weder mit der Gerechtigkeit und Weisheit, noch mit Ungerechtigkeit und Torheit zu übertreiben. Denn wenn ich das übertreibe, dann werde ich ganz schnell überheblich, ja fanatisch. Perfektionismus richtet oft mehr Schaden an, als er nützt.
Mich hat das an einen Sketsch von Loriot erinnert.
Da sitzt ein Mann in einem schön eingerichteten Zimmer.
Während er wartet, schaut er sich um.
Alles hat seine Ordnung, farblich abgestimmt, vornehm.
Da bleibt der Blick des Mannes an einem Bild hängen.
Das Bild hängt etwas schief.
Und da nimmt das Unglück seinen Lauf.
Der Mann will das Bild gerade rücken. Dabei stößt er einen Tisch mit Fotos um. Als er die Fotos sortiert, bleibt er am Teppich hängen … Sie ahnen, wie es weitergeht: Er stolpert, Regale und Tische fallen um, Porzellan zerbricht. Am Ende herrscht das reine Chaos. Die Sehnsucht nach Perfektionismus ist ja verständlich – aber der Prediger rät uns: Sei vorsichtig! Übertreib`s nicht!
Und er schiebt einen zweiten Ratschlag hinterher: „Handle aber auch nicht allzu gottlos, und tu nicht so, als wärst du dumm!“
Vom gottlosen Toren ist in der Bibel an verschiedenen Stellen die Rede: Ein gottloser Tor, das ist ein Egoist. Einer, der nur an sich denkt und den eigenen Vorteil. Ohne Rücksicht auf die Mitmenschen. Einer, der meint, er brauche Gott nicht. Er ignoriert, dass er sich einst vor Gott verantworten muss. Darum lautet der Ratschlag des Predigers: Sei kein gottloser Tor. Lebe nicht einfach locker in den Tag hinein, sondern nimm das Leben ernst und übernimm Verantwortung für dich und für deine Mitmenschen.
Aber auch da gilt: Übertreib`s nicht, sonst wirst du fanatisch.
Vergiss die Freude nicht.
Ich denke an meine Großmutter, meine Oma. Die war eine für mich im besten Sinne fromme Frau. Ihr Glaube, der Gottesdienst, die Kirche waren ihr ganz wichtig. Und sie hat das Leben geliebt. Sie war fromm, aber nicht frömmelnd. Sie war gläubig, aber nicht bigott.
Sie konnte auch andere stehen lassen.
Hat andere nicht verurteilt. Sie hat ihre Frömmigkeit nicht wie eine Monstranz vor sich hergetragen nach dem Motto: Schaut mal was ich für ein frommer Mensch bin!
Dazu war sie viel zu bescheiden.
Der Prediger lehrt uns: Suche die goldene Mitte! Das ist ja kein neuer Gedanke, schon in der Antike hat der weise Aristoteles das gelehrt. Für ihn war das gute, tugendhafte Leben die Mitte zwischen zwei Extremen. So ist für ihn zum Beispiel die Goldene Mitte zwischen Selbstzweifel und Selbstüberschätzung ein gesundes Selbstbewusstsein, das um die eigenen Stärken, aber auch die eigenen Schwächen weiß. Der bekannte Benediktinermönch Anselm Grün aus Münsterschwarzach – er ist ja kürzlich 80 geworden -  hat dem sogar ein kleines Buch gewidmet: „Die Kunst das rechte Maß zu finden!“
Als mir vor ein paar Jahren das Kreuzband gerissen ist, da meinte der Chirurg, ich soll am besten nicht mehr in die Berge zum Wandern, auch nicht mehr Skifahren. Das wäre nicht gut für meine Knie. Ich war total frustriert.
Keine Berge mehr – das war für mich Höchststrafe! Aber da beruhigte mich dann mein Hausarzt: Mach das, was Dir gut tut und übertreib`s halt nicht.
Und daran habe ich mich bisher gehalten und bin seither gut damit gefahren.
„Wer Gott fürchtet, der entgeht dem allem.“  Darauf läuft beim Prediger alles zu. Das meint, Gott zu vertrauen. Und wer Gott vertraut, der darf auch Fehler machen. Als Philipp Melanchthon, der Freund Luthers, sich mal wieder verrannt hatte, weil er alles absolut perfekt machen wollte, da hat Luther ihm geraten: „Pecca fortiter!“ Das heißt: „Sündige tapfer!“ Riskiere, auch mal etwas falsch zu machen. Verfalle nicht dem Perfektionismus-Wahn. Trau Gott zu, dass er auch auf deinen krummen Linien gerade schreiben kann. Er hat für Dich nicht nur das Gute, sondern das Beste im Sinn.
Darauf dürfen wir uns verlassen.

AMEN
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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für den 2. Sonntag n. Epiphanias – 19. Jan. 2025
Pfarrer Jochen Maier

 
Kirche St. Bartholomäus Sommerhausen
Bildrechte Markt Sommerhausen
Wochenspruch:
„Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade."  Joh 1,16
Predigtwort: Römer 12,9-16
 

 
Die Liebe sei ohne Falsch. Hasst das Böse, hängt dem Guten an. Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich. Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor. Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt. Seid brennend im Geist. Dient dem Herrn. Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet. Nehmt euch der Nöte der Heiligen an. Übt Gastfreundschaft.
Segnet, die euch verfolgen; segnet, und verflucht sie nicht. Freut euch mit den Fröhlichen, weint mit den Weinenden. Seid eines Sinnes untereinander. Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch zu den niedrigen. Haltet euch nicht selbst für klug.
 
Liebe Gemeinde,
was der Apostel Paulus uns da heute zumutet, das hat‘s schon in sich. 21 Forderungen sind das. 21 Stück. Kurz und knackig im Imperativ, in der Befehlston.
So etwas wie eine fromme To-Do-Liste für die christliche Gemeinde. Das sind deine Aufgaben, die sollst du bitteschön abarbeiten. Eines nach dem anderen. Die Reihenfolge ist egal, Hauptsache, am Schluss ist alles erledigt! Überall ein Haken.
Manchmal schreibe ich mir morgens auch so eine To-Do-Liste von Dingen, die ich den Tag über erledigen will und bin dann froh, wenn ich abends zumindest einen großen Teil geschafft habe. Aber bei dem, was Paulus da aufzählt, da habe ich die Nase schon voll, bevor ich richtig angefangen habe. Da ist ja eine Herausforderung größer als die andere!
Freut euch mit den Fröhlichen – das ist noch zu schaffen, gerade in der Faschingszeit.
Weint mit den Weinenden – das macht zwar nicht direkt Spaß, aber das bekomme ich hin. Empathie zeigen, mitzutrauern, Verständnis aufbringen für den Kummer und die Sorgen des Anderen, das ist wichtig und kriegen wir doch hoffentlich hin.
Aber „Segnet, die euch verfolgen!“ – da wird’s dann schon richtig schwierig. Das ist doch eine Aufgabe, an der ich mein ganzes Leben zu knabbern habe: Auch denen gut sein, die mir blöd kommen. Wie schnell habe ich einen Groll selbst gegen die Politesse, die mir völlig berechtigt ein Knöllchen hinter den Scheibenwischer klemmt? Wie ist das dann erst bei denen, die hinter meinem Rücken schlecht von mir reden, die mir das Leben manchmal vielleicht richtig schwer machen? Da komme ich dann schon sehr schnell an meine menschlichen Grenzen.
Diese 21 Punkte der paulinischen To-Do-Liste haben das Potential, mich wirklich an mir selbst verzweifeln zu lassen. Das schaffe ich einfach nicht, das irgendwann als erledigt abzuhaken. Das geht über meine Fähigkeiten.
Und da frage ich mich dann schon: Wie mag Paulus das gemeint haben? Der Paulus, der doch ziemlich am Anfang seines Briefes geschrieben hat: „So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.“ Ohne des Gesetzes Werke, das heißt doch: Ohne diese fromme To-Do-Liste, einzig und allein durch den Glauben. Der Glaube machts, dass Gott uns annimmt. Nicht unsere Leistung, unsere guten Werke. Nicht das Erfüllen irgendwelcher Forderungen.
Sola gratia, sola fide, sola scriptura – allein durch Gnade, durch den Glauben und durch die Schrift, wie Luther das ja ganz bewußt paulinisch formuliert hat.
Wie sollen wir dann diese Do-do-Liste verstehen? Welchen Sinn hat sie dann überhaupt?
Bei einem Kollegen bin ich auf einen Gedanken gestoßen, der mich angesprochen hat. Er meinte, diese 21 Forderungen des Paulus seien so eine Art „Glückskekssprüche“. Zugegeben, das klingt etwas seltsam, ist aber gar nicht verkehrt. Die meisten kennen diese Teilchen ja. Da ist in einem kleinen Keks ein Zettel eingebacken und darauf steht ein weiser Spruch. In jedem Keks ein anderer. Oft sind es Lebensweisheiten, von denen man sagen kann: Es ist nicht schlecht, wenn man das beherzigt. Guter Gedanke eigentlich.
Da kriege ich einen Glückskeks geschenkt, öffne ihn und lese:
„Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor.“ Ein schöner Ratschlag aus der Bibel, der sich lohnt, befolgt zu werden. Einer und nicht gleich alle 21, die mich erschlagen. „Wohl dosiert“ sozusagen.
Eine kleine Ansage für den heutigen Tag, oder für die kommende Woche. Ich will versuchen, mich daran zu halten. Vielleicht klappt es nicht immer, aber unsere Welt sähe garantiert freundlicher aus – und auch in der Politik wäre das ein sehr lohnender Vorsatz.
„Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor.“ Davon ausgehen, dass der andere mindestens so schlau, so wertvoll und so gut ist wie ich. Wenn ich so mit ihm umgehe, ihn als Mensch sehe, zu dem ich auch mal aufsehen kann, weil er Dinge richtig gut hinbekommt. Respektvoll miteinander umgehen. Und dann stelle ich mir vor: Er würde es genauso mit mir machen. Das wäre schon was, wenn wir alle uns daran halten würden. Das würde uns gut tun – uns ein bisschen glücklicher machen – Glückskeksmäßig eben.
„Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor.“ Das wäre doch auch ein Ratschlag für den Bundestagswahlkampf, finde ich. Kein polterndes Sprücheklopfen, sondern ein respektvoller Umgang, der Argumente bringt und nicht die Atmosphäre vergiftet.
Paulus möchte nicht niederdrücken mit seiner Liste, sondern er möchte Anstöße geben, möchte uns motivieren zu einen gelingenden Miteinander.
Seid nicht trägte in dem, was ihr tun sollt.
Übt Gastfreundschaft.
Die Liebe sei ohne Falsch. Hasst das Böse, hängt dem Guten an.
Wo wir das beherzigen, wo, wir versuchen, uns daran zu orientieren, da kann das menschliche Miteinander gelingen.
Das ist keine moralische Keule, sondern eher ein Leitbild, ein Ideal. Wir werden das hier auf Erden nie ganz schaffen, das weiß auch Paulus, weil wir allesamt fehlerhafte Menschen sind, die immer wieder auch an ihre Grenzen kommen und an sich und den eigenen Vorsätzen scheitern.
Aber wer keine Ziele hat, keine Ideale, der weiß nicht, wohin die Reise gehen soll, wofür es sich lohnt, sich einzusetzen. Wer das „Ja“ Gottes im Herzen hat, wer sich von ihm geliebt und angenommen weiß, der kann auch versuchen, das an andere weiterzugeben, der kann versuchen, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen.
Keine To-do-Liste, die es abzuarbeiten gilt, sondern das Ideal einer besseren Welt.
Das Zentrum dieses Bibelwortes steht für mich aber ziemlich genau in der Mitte des Pauluswortes: Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet.
Das ist die Mitte! Es ist nicht alles leicht, es gibt noch sehr viel Trübsal, es gibt vieles in der Welt und in unserem Umfeld, was uns Sorge macht.
Doch wir können immer wieder erfahren, wie das Vertrauen in Gott und das „Ja“ zu den Menschen, mit denen wir zu tun haben, befreiende und heilvolle Wendungen bringt. Darum können wir geduldig und fröhlich und hoffnungsvoll sein. Offen für alle Überraschungen, die Gott für uns bereit hält. Gott hat immer noch viel mehr Möglichkeiten für uns bereit, als wir uns vorstellen können. Der Anker aber, der uns festhält und trägt im Glauben und in der Liebe, das ist das Gebet. Das Gebet, in dem wir unser Herz ausschütten oder einfach nur schweigen vor Gott und auf ihn lauschen. Aus dem Gebet heraus kann die Liebe wachsen und reifen.
Einer, der gerade in schwerer Zeit aus dem Gebet immer wieder neu Kraft und Zuversicht gewonnen hat, das war Dietrich Bonhoeffer. Von ihm stammt das kurze Wort, das im Losungsbüchlein für gestern zu lesen war: „Nicht die Welt aus den Angeln heben, sondern am gegebenen Ort, also an dem Ort, an den du gestellt bist, das sachlich Notwenige zu tun und dieses wirklich zu tun, das kann die Aufgabe sein.“ Besser kann man Paulus eigentlich nicht zusammenfassen, finde ich. „Nicht die Welt aus den Angeln heben, sondern am gegebenen Ort, das sachlich Notwenige zu tun und dieses wirklich zu tun, das kann die Aufgabe sein.“
So ist es. Darum:
Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet.

AMEN

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