Aktuelle Gottesdienste und Predigten: 2023


 

Gottesdienst 25.12.2023

 

Und es ging hin ein Mann vom Hause Levi und nahm eine Tochter Levis zur Frau. Und sie ward schwanger und gebar einen Sohn. Und als sie sah, dass es ein feines Kind war, verbarg sie ihn drei Monate.
Als sie ihn aber nicht länger verbergen konnte, nahm sie ein Kästlein von Rohr für ihn und verklebte es mit Erdharz und Pech und legte das Kind hinein und setzte das Kästlein in das Schilf am Ufer des Nils.
Aber seine Schwester stand von ferne, um zu erfahren, wie es ihm ergehen würde.
Und die Tochter des Pharao ging hinab und wollte baden im Nil, und ihre Dienerinnen gingen am Ufer hin und her. Und als sie das Kästlein im Schilf sah, sandte sie ihre Magd hin und ließ es holen.
Und als sie es auftat, sah sie das Kind, und siehe, das Knäblein weinte. Da jammerte es sie, und sie sprach: Es ist eins von den hebräischen Kindlein.
Da sprach seine Schwester zu der Tochter des Pharao: Soll ich hingehen und eine der hebräischen Frauen rufen, die da stillt, dass sie dir das Kindlein stille?
Die Tochter des Pharao sprach zu ihr: Geh hin. Das Mädchen ging hin und rief die Mutter des Kindes.
Da sprach die Tochter des Pharao zu ihr: Nimm das Kindlein mit und stille es mir; ich will es dir lohnen. Die Frau nahm das Kind und stillte es.
Und als das Kind groß war, brachte sie es der Tochter des Pharao, und es ward ihr Sohn, und sie nannte ihn Mose; denn sie sprach: Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen.

 

Liebe Gemeinde,
 
wir alle kennen und lieben die Geschichte von Jesu Geburt im Stall von Bethlehem. „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging …“ wer gestern am Heiligen Abend im Gottesdienst war, der hat es wieder gehört. Ohne diese Geschichte wird es nicht wirklich Weihnachten. Da würde das Wichtigste fehlen! Unsere Weihnachtskrippen erzählen davon, die Krippenspiele der Kinder stellen es uns vor Augen, immer wieder, fantasievoll und farbenfroh, die Krippe mit Ochs und Esel, die Engel, den Stall, die Hirten und dann die Weisen aus dem Morgenland.
All das kennen wir.
Und das lieben wir.

Und nun hören wir heute eine ganz andere Geburtsgeschichte. Die kennen wir auch, die Geschichte Mose und seiner wunderbaren Rettung, aber die scheint so gar nicht zu Weihnachten zu passen. Aber wenn wir etwas genauer hinschauen, dann gibt es da doch erstaunliche Parallelen.
Beide Kinder werden in schwerer Zeit geboren. Auch bei der Heiligen Familie ist das Familienglück ja getrübt. König Herodes will dem Kind ans Leben, so erzählt es uns der Evangelist Matthäus und die Familie ist gezwungen, Hals über Kopf zu fliehen. Der Engel erscheint Josef im Traum und beauftragt ihn, das Kind und seine Mutter nach Ägypten in Sicherheit zu bringen.

Bei Mose ist es ähnlich: Der Pharao hat befohlen, dass alle Söhne der Hebräer umgebracht werden sollen. Solange es geht versteckt die Mutter ihr Baby im Haus. Man kann ihre Angst nur erahnen, dass die Häscher des Pharaos es entdecken. Denn kein Kind ist ja einfach still, es schreit und das hört man zumal, wenn das Haus nur eine einfache Lehmhütte ist. Irgendwann geht es nicht mehr daheim und da holt die Mutter Schilfrohr vom Nil um ein Körbchen zu flechten. Sie verschmiert es außen mit Pech, so dass kein Wasser eindringen kann, dann legt sie den Kleinen hinein, trägt es hinunter zum Fluss und versteckt es im Schilf am Rande des Nils.
Die Mutter bleibt im Hintergrund, die Schwester in der Nähe um zu sehen, was passiert.
Als dann die Tochter des Pharaos statt zum Baden wie die Jungfrau zum Kinde kommt, da verschafft die Schwester ihrer Mutter einen Job als Amme. Der listige Plan der mutigen Frauen ist aufgegangen.
Und so darf Mose nun doch in seiner eigenen Familie aufwachsen und das Elterngeld kommt sozusagen aus der Schatzkammer dessen, der ihm eigentlich ans Leben wollte. Später verbringt Mose dann seine Jugend am vornehmen Pharaonenhof.
Was für eine Geschichte!

Ein märchenhaftes Ende – ach könnte es doch nur immer so sein!
Was machen wir nun mit dieser Geschichte? Wirklich zu hoffen, es könnte allen so gehen, den kleinen Kindern in Gazastreifen und in Mali, in der Ukraine und im Jemen, dass es ihnen allen so ginge, wie diesem besonderen einen, das wäre wohl reichlich naiv.
Aber manchmal, manchmal da können wir genau wie diejenigen, die die Geschichten der Bibel gesammelt haben, da können wir im Nachhinein sagen: Ja, da hatte Gott seine Hand im Spiel, da hat er, wenn schon nicht die Fäden gezogen, so doch zumindest Regie geführt.
Es geht darum, dass wir es ernst nehmen, dass wir es wirklich ernst nehmen, dass Gott im Verborgenen wirkt, selten so spektakulär sondern durch Menschen und eben nicht immer so, wie wir es gerne hätten.
Aber er wirkt.

Und diese Geschichte lädt uns ein, dass wir mit ihm rechnen, in unserem Alltag mit ihm rechnen.
Von der jungen Ägypterin, der Tochter des Pharaos, da wird ja erzählt, dass es sie jammert, als sie das weinende Kind im Weidenkörbchen sah.
Sie hat Mitleid, es jammert sie.
Das klingt ganz ähnlich, wie Gott es selbst von sich selbst sagt, als er später Mose am brennenden Dornbusch aus den Schuhen holt: „Ich habe das Weinen meiner Kinder gesehen und gehört!“ Da hat Gott auch Mitleid, das Weinen seines Volkes lässt ihn nicht kalt, bewegt ihn dazu, zu helfen.
Gott hat Mitleid, er erbarmt sich genau wie die junge reiche Ägypterin, die nicht anders kann, als helfen, obwohl sie sofort weiß, dass es ein Hebräerkind ist und sie gewiss auch den Befehl ihres Vaters kennt, dass diese Kinder umgebracht werden sollen.

Aber sie hat Mitleid, sie hört auf ihr Herz, kümmert sich um dieses Menschenkind und tut alles, damit es lebt.
So ist Gott und so sind vielleicht, nein so sind hoffentlich auch wir Menschen.
Dass wir uns bewegen lassen.
Dass das Elend uns nicht kalt lässt, dass der Hass nicht überhand nimmt, dass wir immer neu lernen, menschlich zu sein.
Gott jedenfalls sieht und hört hin und es lässt ich nicht kalt! Welch ein Trost für alle, die im Elend sind, auch heute, auch in unserer Nähe, in den Krankenhäusern und Pflegeheimen, in den unzähligen Wohnungen, wo Menschen mit ihrem Schicksal hadern.
Er, der Euch das Leben gab, er denkt an Euch und er wird Euch in Eurem Schmerz nicht allein lassen, sondern will, dass euch geholfen werde.
Und wenn auch oft nicht alles wieder heil werden kann und alle Probleme einfach gelöst werden können, dann will er doch Menschen schicken, die helfen, aus der Situation das Beste zu machen.
Gott will, dass wir mit ihm rechnen.

Wenn ich Angst habe vor Neuem, was mich erwartet oder wenn ich Sorgen habe im Blick auf die, die mir an Herzen liegen, dann macht mir die Geschichte Mut, dass ich das, was mir auf der Seele liegt bei Gott ablade. Dass ich es sozusagen auch in so eine kleine „Arche Mose“, in so ein Rettungsschiffchen packe. Im Hebräischen ist es übrigens dasselbe Wort, das für das Körbchen des Mose und die Arche Noah verwendet wird!
All das, womit wir allein nicht fertig werden, das dürfen wir Gott überlassen, so wie die Mutter des Mose es getan hat.
Seien wir gespannt, was er daraus macht, gespannt, welche Menschen er uns entgegen schickt, gespannt auch, zu wem er uns sendet.

Gespannt auch, wie wir dann hoffentlich im Rückblick auch unsere Bewahrungsgeschichte erzählen können, unsere Mutmachgeschichte von dem, der weiß, wer am Ende noch immer das letzte Wort haben wird.
Sein Friede, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

AMEN

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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für den vorletzten Sonntag des Kirchenjahres - Volkstrauertag, 19. November 2023

 
Kirche St. Bartholomäus Sommerhausen
Bildrechte Pfarrgemeinde Sommerhausen/Eibelstadt
Wochenspruch:
"Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi." 2. Kor 5,10a
Predigttext: Matthäus 25,31-46

 

Liebe Gemeinde,
 
der amerikanische Schriftsteller Mark Twain, der geistige Vater von Tom Sawyer und Huckleberry Finn, der hat einmal den Satz geschrieben: „Die meisten Menschen haben Schwierigkeiten mit den Bibelstallen, die sie nicht verstehen. Ich für meinen Teil muss zugeben, dass mich gerade diejenigen Bibelstellen beunruhigen, die ich verstehe.“
Das Predigtwort, das uns heute aufgegeben ist, das ist nur allzu verständlich.
Und es ist beunruhigend.
Es ist das Gleichnis vom großen Weltgericht, das wir vorhin in der Evangelienlesung gehört haben. Da geht es ums Gericht. Die einen kommen ins Himmelreich, die anderen ins Höllenfeuer. So einfach scheint das zu sein – so einfach und so schrecklich.
Im ausgehenden Mittelalter wurde das immer wieder gemalt. Am berühmtesten ist vielleicht die Darstellung von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle in Rom. Engel blasen in die Posaunen, die Gräber tun sich aus und die Auferweckten steigen in den Himmel auf, um dort ihr Urteil zu empfangen. Durch den Ablasshandel wurden mit der Höllenangst der Menschen gute Geschäfte gemacht. Und auch der junge Martin Luther war von der Frage erfüllt: Wie bekomme ich einen gnädigen Gott? Wie entgehe ich der ewigen Verdammnis?
Aber ist die Rede vom Weltgericht heute überhaupt noch zeitgemäß?
Kann man damit heute noch jemanden hinterm Ofen hervorholen? Kann man das heute überhaupt noch so sagen?
Ich denke, es lohnt sich, die Sache mit dem Jüngsten Gericht etwas genauer in Augenschein zu nehmen und ich lade Sie und Euch ein, drei Schritte zu tun durch dieses herausfordernde Bibelwort.
Der erste: Diese Rede vom letzten, vom jüngsten Gericht gehört zu unserem Glauben, ob uns das nun passt oder nicht. „Wir sind alle kleine Sünderlein, s’war immer so, s’war immer so. Der Herrgott wird es bestimmt verzeihn … Wir kommen alle, alle, alle, in den Himmel.“ So sangen die Karnevalisten in den närrischen Hochburgen. Ob sie das so heute immer noch tun, das weiß ich nicht.
Ich bin zugegebener Maßen ein Faschingsmuffel.
Mein Bruder lebte einige Jahre in Köln und er hat erzählt, dass da am 11.11. in der Altstadt wirklich kein Durchkommen ist.
„Wir kommen alle, alle, alle in den Himmel – Gott wird uns kleinen Sünderlein schon verzeihn.“ Nun: Unser Predigtwort ist da anderer Meinung. Der sonst so liebevolle Jesus predigt davon, dass einmal alle zur Rechenschaft gezogen werden. Und zwar nicht nur die Kapitalverbrecher, die Hitlers und Stalins, die Putins und Assads, die von denen wir alle hoffen, dass ihre Taten nicht ungesühnt bleiben und von denen es in unseren Tagen mehr als genug zu geben scheint, nein: alle Völker werden vor ihm versammelt, heißt es da: alle – und das bedeutet: da bist du genauso dabei wie ich!
Sicher: Jesus spricht hier in Bildern, in einem Bild aus der damaligen Landwirtschaft. Ein Alltagsbild, das sich Jesu Zuhörerinnen und Zuhörer gut vorstellen konnten. Eine Tierherde wird beschrieben, die den ganzen Tag zusammen auf der Weide war. Am Abend wird dann aufgeteilt: die Ziegen – die sind mit den Böcken gemeint – werden von den Schafen getrennt. Sie brauchen die Wärme und kommen deshalb in den Stall. Die Schafe dagegen sind durch ihr dickes Fell gegen die Kälte gut geschützt. Sie brauchen die frische Luft und bleiben im Pferch. Und so wie der Hirte die Tiere trennt, so sortiert dann am Ende auch der Menschensohn. Da wird unser ganzes Leben noch einmal zur Sprache kommen. Alles kommt auf den Tisch, nichts wird unter den Teppich gekehrt.
Ein großer General Friedrichs des Großen soll einmal gespottet haben: „Mit dem Jüngsten Gericht kann ich nicht viel anfangen! Wie soll ich mir das vorstellen?“ Da hat ihm ein anderer Offizier geantwortet: „Das jedenfalls steht fest, dass du dort nicht mehr General bist!“ Und da hat er recht.
Es geht im Leben nicht darum, irgendwie über die Runden zu kommen, einigermaßen anständig zu leben und vor den Leuten gut dazustehen.
Gott hat uns unser Leben nicht dazu gegeben, dass wir uns irgendwie durchwurschteln. Wir und unser Leben sind ihm so viel wert, dass er uns am Ende befragen wird und unsere Antwort erwartet.
Christus predigt hier Gericht.
Das ist das eine.
Und er fragt uns nicht nur so ganz allgemein, wie wir gelebt haben, er fragt ganz konkret nach Taten der Liebe. Und das ist der zweite Punkt der hier wichtig ist.
Christus fragt nach dem, was wir ganz konkret getan und was wir unterlassen haben. Er fragt nach der Speise für die Hungernden, der Kleidung für die Nackten, dem Besuch bei Kranken, der Gastfreundschaft für die Fremden. Christus fragt nicht danach, wie sich einer verkauft hat wie einer sich richtig in Szene setzten konnte oder wie andere über einen denken. Bei einem Bewerbungsgespräch mag das ja manchmal gelingen, dass einer den Personalchef, oder die Personalchefin blenden kann. Aber bei Jesus klappt das ganz sicher nicht.
Er sieht ins Herz.
Die Uniform des Generals Friedrichs des Großen, der Maßanzug oder der klangvolle Name – all das wird nichts mehr zählen, gar nichts.
„Was ihr getan hat einem von diesem meinen geringsten Brüdern.“
Was ihr getan habt.
Jesus schiebt die Hilfe für die Bedürftigen nicht ab ans Diakonische Werk oder an die Caritas, sondern er macht sie zur Chefsache.
In dem Notleidenden, in jedem, dem es wirklich schlecht geht, da komme ich dir entgegen, sagt er.
Jesus verlangt nicht, dass wir die ganze Not und Last der Welt auf unsere Schultern nehmen, aber er will, dass wir dort, an dem Platz, an dem wir gestellt sind, dass wir da die Liebe Gottes weitergeben.
Wahrscheinlich kennen Sie, kennt Ihr alle die wunderschöne Geschichte vom Schuster Martin. Da träumt der alte, verwitwete Schuhmacher eines Nachts davon, dass Jesus selbst ihn am kommenden Tag besuchen werden. Ganz aufgeregt wartet er dann schon frühmorgens auf den besonderen Gast und schaut immer wieder aus dem Fenster. Da sieht er eine arme junge Mutter mit ihrem Kind. Er holt die beiden in seine kleine Wohnwerkstatt, teilt mit ihnen sein bescheidenes Mahl. Als die beiden gegangen sind, hält er wieder Ausschau. Er sieht aber nur einen alten Straßenkehrer und lädt ihn ein, sich in seiner Stube aufzuwärmen. Sie unterhalten sich und dem Alten tut es gut, sich mal aussprechen zu können. So geht es dann weiter. Die Sehnsucht nach Jesus lässt ihn die Not der Menschen erkennen und immer das tun, was den Menschen hilft und die Not lindert. Aber erst am Abend des Tages wird ihm klar, dass ihn in all diesen fremden Menschen Christus selbst besucht hat – ganz so, wie er es geträumt hatte.
Was zählt, das sind die Taten der Liebe, das ist der zweite Punk.
Und der dritte, das ist die Frage, wer denn da zu Gericht sitzt. Es ist die Frage nach dem Richter und das ist vielleicht der wichtigste Punkt.
Als junger Mönch hat die Angst vor dem gerechten Richter Luther in die Verzweiflung getrieben. Wie kann ich vor Gott bestehen, wenn alle, wirklich alle dunklen Ecken meines Lebens ausgeleuchtet werden, wenn alles auf den Tisch kommt? Selbst der kleinste schlechte Gedanke, der Anflug von Neid, jedes böse Wort. Wie habe ich da auch nur den Hauch einer Chance?
Aber Martin Luther hatte Glück. Er hatte in seinem Kloster einen guten Seelsorger. Der Augustinerpater Johann von Staupitz war ein gelehrter und bibelkundiger Mann. Er hat dem verängstigten Mönch den Weg gewiesen, der ihm schließlich der Schlüssel zum Glauben wurde. Er sagte ihm: „Schau auf Jesus Christus, schau auf ihn. Der hat alles für dich getan!“
Soll heißen: Schau nicht auf das, was in deinem Leben misslungen ist, was du anderen schuldig geblieben bist. Schau auf Jesus Christus.
Er hat sein eigenes Leben für dich gegeben, und das ist viel mehr als alles, was du tun könntest.
Es wird alles offenbar werden. Am Ende wird Gericht gehalten und nichts wird unter den Teppich gekehrt. Darum sind die Taten der Liebe entscheidend. Aber er selbst, Jesus Christus ist der Richter.
„Als wollte er belohnen, so richtet er die Welt. Der sich den Erdkreis baute, der lässt den Sünder nicht. Wer hier dem Sohn vertraute, kommt dort aus dem Gericht.“ So hat es Jochen Klepper gedichtet in ganz schwerer Zeit.
Sollte es nur darauf ankommt, was wir an Guten tun und an Schlechtem unterlassen, dann hätte wohl keiner von uns eine Chance.
Wirklich keiner. Aber was helfen kann, das ist das Vertrauen aus Jesus Christus, der uns mit all unseren Grenzen und Schwächen liebt.
Wenn wir das in unser Herz lassen, wenn wir dem vertrauen, dann brauchen uns all die Gerichtsbilder nicht zu schrecken.
Möge uns das Ermutigung sein und Wegweisung.
So sei es.

AMEN
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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
12. November 2023 – drittl. Sonntag i. Kirchenjahr
Pfarrer Jochen Maier

 
Kirche St. Bartholomäus Sommerhausen
Bildrechte Markt Sommerhausen
Wochenspruch:
"Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen." Mt 5,9
Predigttext:  Römer 8,18-25
 
Liebe Gemeinde,

der November schlägt manchen aufs Gemüt. Besonders seit vor zwei Wochen die Uhren wieder umgestellt wurden und es schon am frühen Abend dunkel wird, denn das Schmuddelwetter einen in die Häuser treibt, dann drückt das manchem auf die Stimmung. Es ist zwar nicht kalt, aber feucht und unfreundlich. Und manch einer würde diese Zeit gerne überspringen und lieber jetzt schon über Weihnachtsmärkte spazieren und sich an einem heißen Glühwein wärmen.
Aber der „Knechtschaft der Vergänglichkeit“, wie der Apostel Paulus da in unsere, Predigtwort beschreibt, der können wir nicht entfliehen. Das funktioniert nicht. So schön das Leben ist, so viel Helles und Frohes es Gott sei Dank auch zu bieten hat, das Leben bleibt doch verwundbar und zerbrechlich und wird oft überschattet und eingetrübt.
Alles ist vergänglich, nichts bleibt wirklich auf Dauer. Das merken wir doch schon an der eigenen Gesundheit: Wenn man älter wird, dann nehmen die Beeinträchtigungen zu, ob wir das nun wahrhaben wollen, oder nicht. Vor etlichen Jahren hatte ich einen Kreuzbandriss und da meinte dann der Arzt: Wissen Sie, sie sind auch keine 18 mehr – damals war ich gerade mal Ende 40! Da musste ich schon schlucken! Aber dem Älter werden kann nun mal keiner entfliehen. Das ist das, was Paulus die „Knechtschaft der Vergänglichkeit“ nennt. Und die politischen Nachrichten lassen einen ja auch nicht gerade zuversichtlicher nach vorne schauen.
Das Leben ist verwundbar und das Leiden, das alles Leben durchzieht, das lässt sich nicht überspielen. Es hat viele Gesichter und ist auch nicht nur auf uns Menschen beschränkt.
Die ganze Schöpfung, die Natur seufzt und stöhnt, schreibt Paulus und auch das ist nicht zu leugnen. Aber dann hält er selbst mit großen Worten dagegen, wie so ein Fanfarenstoß bekennt er: „Die Leiden dieser Zeit fallen nicht ins Gewicht gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll!“ Da scheint er den Mund dann doch reichlich voll zu nehmen, der liebe Paulus. Was heißt das? Will er dem Leid und dem Schmerz die Macht nehmen, indem er sie einfach kleinredet? So nach dem Motto: Ist doch alles halb so schlimm! Es wird nicht so heiß gegessen, wie gekocht wird. Anderen geht es viel schlimmer!
Nein! Paulus beschwichtigt nicht und er bagatellisiert auch nicht. Aber er stellt der „Knechtschaft der Vergänglichkeit“ etwas gegenüber, was größer und mächtiger ist als sie, nämlich die Hoffnung, die Hoffnung auf Gott.
Hoffnung ist vielleicht das Wichtigste im Leben.
Wer nicht mehr erhofft, wer nichts mehr erwartet, der vegetiert nur noch vor sich hin und schlägt die Zeit tot. Und wer auf dem Sterbebett keine Hoffnung auf ein Jenseits hat, der kann einem nur leidtun!
Davon bin ich überzeugt.
Mir kommt die Geschichte eines alten Mannes in den Sinn. 92 Jahre war er alt und nun lag er auf der Palliativstation eines Krankenhauses irgendwo in Norddeutschland.
Er war bei vollem Bewusstsein und wusste, dass seine Zeit zu Ende ging. Was ihn noch am Leben hielt, das war die Liebe zu seiner Enkelin. Sie erwartete in einigen Tagen ihr erstes Kind. Er wollte es so gerne noch erleben, Urgroßvater zu werden.
Er liebte Kinder.
Fast vier Jahrzehnte lang war er Kinderarzt gewesen. Ein Mensch mit einem ganz weiten Herzen, dem viele vertraut haben. Aber jetzt schwanden die Kräfte. Er wusste es, war bei klarem Verstand.
Ein Mann mit einem tiefen Glauben. Wie viel Hoffnung er in sich trug, das konnte keiner einschätzen. Er hing am Leben und sehnte sich doch zugleich nach jener herrlichen Freiheit der Kinder Gottes, von der Paulus da spricht in unserem Predigtwort.
Er wusste, dass der Tod nur eine Tür ist. Der Tod, der für ihn eine Erlösung sein würde und doch rang er zugleich um jeden neuen Tag.
Immer schon waren ihm die altvertrauten Worte des 23. Psalms unter die Haut gegangen. Vor allem jener letzte Satz: „Und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.“
Seine letzten Lebensjahre hat er nun in einem Seniorenstift verbracht, nachdem seine Frau verstorben war und es alleine einfach nicht mehr alleine ging. Dem Pfarrer, der ihn da öfters besucht hatte, dem erzählte er: „Wissen Sie, der Umzug hierher ist mir schon sehr schwer gefallen. Als ich unser schönes Haus am Waldrand verlassen musste, da war es mir zum Heulen zu Mute. Mein schönes helles Arbeitszimmer, die vielen Bücher und all die Erinnerungsstücke von unseren vielen schönen Reisen. Der Garten mit den alten Obstbäumen. Ich habe gemerkt, wie sehr ich an all dem hing. Ich konnte ja nur ganz wenig mitnehmen hierher ins Heim!“
Vielleicht hing dieser alte Arzt deshalb so sehr an seinem Haus und all den vielen Dingen, weil er schon einmal alles verloren hatte. Als junger Assistenzarzt wurde er, kaum mit dem Studium fertig, zur Wehrmacht eingezogen, das war 1940 gewesen. Nach dem Krieg dann, konnte er nicht mehr zurück in die alte Heimat in Ostpreußen. Mit nichts als dem nackten Leben war er nach Hamburg gekommen, eine größtenteils zerstörte Stadt.
Die Eltern waren auf der Flucht in den Westen ums Leben gekommen, der große Bruder vermisst an der Ostfront.
Er war ganz allein.
Aber er hatte sich hochgekämpft, hatte sich etwas aufgebaut, hatte eine Frau gefunden. Aber das Leben war alles andere als ein Spaziergang gewesen. Später dann traf der Unfalltod seines einzigen Sohnes die Familie wie ein Schlag ins Gesicht. Die Enkelin war noch ganz klein damals. Manche Tief- und Rückschläge summierten sich.
Wen hätte es verwundert, wenn er da den Mut verloren hätte, sich hätte gehen lassen. Aber stattdessen herrschte in seinem Haus viel Lebensfreude und viele Freunde und Gäste gingen ein und aus. Seine Frau und er hatten ein offenes Heim und einen großen Bekanntenkreis.
Ja, er hatte Zweifel, Zweifel an Gottes Nähe, an seiner Güte, immer wieder hatte er sie. Aber letztlich hat doch das Vertrauen gesiegt, das Vertrauen, der Glaube an Gott und das Vertrauen ins Leben. Er konnte so richtig von innen heraus lachen und strahlen, wenn es einem kleinen Patienten wieder besser ging, wenn ein Unfall keine bleibenden Schäden hinterließ, wenn Medikamente anschlugen und Heilung brachten.
Es war die große Hoffnung auf Gott, die seinem Leben Halt und Richtung gab.
Wie ist es mit unserer Hoffnung? Gerade jetzt am Ende des Kirchenjahres, wo wir an die Vergänglichkeit denken, an Abschied und Tod? Wo unsere Gedanken immer wieder auch zurückgehen zu all denjenigen, die wir loslassen mussten?
Da darf und da soll nichts verharmlost werden, nichts kleingeredet werden. Der christliche Glaube darf keine Jenseitsvertröstung sein, der über das Leid und hier und heute einfach hinwegbügelt. Aber er darf und er muss die Hoffnung groß machen, die Hoffnung auf Gott, der alle Tränen abwischen wird und Leid und Geschrei und Schmerz überwinden wird. Diejenigen, die Gott vertrauen, die erwartet nicht weniger als die große Freiheit der Kinder Gottes. Das ist es, was Paulus uns hier vor Augen stellt, was er uns verspricht.
Der alte Kinderarzt, von dem ich erzählt habe, hat dann die Geburt seines Urenkelchens nicht mehr erlebt. Er ist ganz ruhig und friedlich eingeschlafen, kurz nachdem seine Enkelin ihn nochmals besucht hatte. Sie saß an seinem Bett und hielt seine Hand. Und mit ihrer feinen Sopranstimme hat sie ihm sein Lieblingslied vorgesungen: „Der Mond ist aufgegangen!“ So legt euch denn, ihr Brüder, in Gottes Namen nieder, kalt ist der Abendhauch. Verschon und Gott mit Strafen und lass uns ruhig schlafen und unsern kranken Nachbarn auch.“
Ja! So soll es sein, solange du lebst.
Auf Hoffnung hin.
Bis du erwachst in der Ewigkeit.
Fürchte dich nicht.
Alles wird gut.
 
AMEN

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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für 20. Sonntag nach Trinitatis, 22.Oktober 2023
Pfarrerin Irene Maier

 

Kirche St. Bartholomäus Sommerhausen
Bildrechte Markt Sommerhausen
Wochenspruch:
„Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert: nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“ (Micha 6,8)

 

Liebe Gemeinde,
mit einem Schlag ist es Herbst geworden! Nach den ungewöhnlich warmen und sonnigen Oktobertagen kam die Umstellung für mich ganz schön plötzlich. Über Nacht ist es kalt geworden und über die ohnehin schon kurzen Tage hat sich ein trüber Schleier gelegt.
Auch wenn es, wie gestern, hoffentlich noch ein paar schöne Tage geben wird, der Sommer ist unweigerlich vorbei und manch einer und manch eine hat schon wieder die dicke Winterjacke aus dem Schrank geholt.
Heute aber lade ich Sie und Euch ein, sozusagen die „Seele“ in die Sonne zu halten. Urlaub für die Seele zu machen – und das kann man das ganze Jahr und man muss dazu gar nicht ans Mittelmeer oder in die Berge fahren.
„Die Seele in die Sonne halten“, das braucht nur etwas Zeit, etwas Ruhe und manchmal auch ein stilles Kämmerlein.
„Die Seele in die Sonne halten“ – das ist ganz einfach – nämlich beten!
Beten, das heißt, dass ich das, was mich freut, was mir guttut, aber auch das, was mich bedrückt und Sorgen macht, dass ich dem eine Stimme gebe und es vor Gott bringe.
Hier in der Kirche, im Gottesdienst, da kann ich das einüben, das Beten. Als ein Mönch einmal ganz traurig und niedergeschlagen war und seinem Mitbruder gestanden hat, dass er nicht einmal mehr beten könne, da hat der ihm geantwortet: „Wenn du nicht mehr beten kannst, dann geh doch in den Gottesdienst und höre zu, wie die anderen beten!“
Beten erleichtert, weil ich das ablegen kann, was ich alleine nicht tragen kann und es macht dankbar, weil ich erkenne, dass es so vieles in meinem Leben gibt, womit Gott mich jeden Tag beschenkt. Beten hilft uns, auch das Schöne und Gute zu sehen, wo wir bei den immer noch schlimmeren Katastrophen in unseren Tagen oft nur einen Blick für das Negative haben. Dass ich heute früh aufstehen konnte, dass wir hier sind, dass da Menschen sind, die mich mögen – all das ist ja keineswegs selbstverständlich, sondern das ist ein Grund zur Dankbarkeit. Solche Dankbarkeit öffnet mir die Augen und Sinne, dass ich noch aufmerksamer durchs Leben gehe und eben nicht alles so selbstverständlich hinnehme.
Gott braucht unseren Dank nicht, aber uns selbst, uns tut es gut, ihm zu danken.
Beten, das ist ein fröhliches „Komm Herr Jesu, sei du unser Gast“, wenn wir uns nachher an den Mittagstisch setzen.
Beten, das kann auch ein dankbarer Seufzer sein, wenn die Kinder wieder gesund heimgekommen sind, das braucht oft gar nicht viele Worte, das braucht vor allem Ehrlichkeit.
Dass Beten guttut und hilft, das sagt uns auch der Jakobusbrief, aus dem unser heutiges Predigtwort entnommen ist. Da heißt es im 5. Kapitel:
Leidet jemand unter euch, der bete; ist jemand guten Mutes, der singe Psalmen.
Ist jemand unter euch krank, der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde, dass sie über ihm beten und ihn salben mit Öl in dem Namen des Herrn.
Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden getan hat, wird ihm vergeben werden.
Bekennt also einander eure Sünden und betet füreinander, dass ihr gesundwerdet. Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.

Als Jakobus diesen Brief geschrieben hat, da war schon einige Zeit vergangen, seit Jesus zu den Menschen gepredigt hatte und seine Taten und Wunder getan hatte. In der Welt des Jakobus ging es längst nicht mehr um Sternstunden des Glaubens. Da ging es darum, wie sich der Glaube im ganz alltäglichen Leben bewähren kann.
Jakobus gibt drei Ratschläge für ein christliches Leben im Alltag, drei Ratschläge, wie ich meine Seele in die Sonne halten kann.
1. „Leidet jemand unter euch, der bete!“ Dass Not beten lehrt, das wissen wir ja alle und wohl dem, der in der Not beten kann, der das nicht verlernt hat. Wohl dem, der weiß, an wen er sich wenden kann! Als ich am vergangenen Mittwoch mit den Erstklässlern am Ende der Religionsstunde ein Lied gesungen habe, hatte ein Schüler auf einmal Tränen in den Augen. Er sagte mir, dass er unbedingt nach Hause möchte und nicht in die Mittagsbetreuung. „Du hast doch bestimmt einen Freund der mit dir in die Mitti geht“, versuchte ich ihn zu beruhigen. Auf einmal kam ein Mitschüler dazu und meinte: „Er kann doch auch mit Gott reden, das hilft doch“. Wie gut, wenn ich weiß, an wen ich mich wenden kann.
2. „Ist jemand guten Muts, der singe Psalmen.“ Manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich beim Fahrradfahren vor mich hinsinge oder nach einer Chorprobe eine Melodie mit heimnehme. Singen tut mir gut. „Wo man singt, da lass dich ruhig nieder“, sagt man, und da ist schon etwas dran! Ein Lied kann ausdrücken, wie sehr ich mich freue und kann auch dabei helfen, einfach einmal den Tränen freien Lauf zu lassen.
Leidet jemand unter euch, der bete, ist jemand guten Muts, der singe Psalmen.
3. Und der dritte Ratschlag, den Jakobus gibt: „Ist jemand unter euch krank, der rufe die Ältesten der Gemeinde, dass sie über ihm beten und ihn salben mit Öl im Namen des Herrn.“
Der 2010 im Alter von knapp 50 Jahren an Krebs verstorbene Künstler Christoph Schlingensief, der hat in seinen Lebenserinnerungen ein knappes Jahr vor seinem Tod geschrieben: „So viele kranke Menschen leben einsam und zurückgezogen, trauen sich nicht mehr vor die Tür und haben Angst, über ihre Ängste zu sprechen. Ich habe erlebt, wie wichtig es ist, … die aus der Bahn Geworfenen zurück ins Leben zu begleiten.“
Das ist es, wozu uns auch der Jakobusbrief ermutigt: Wer krank ist, braucht sich nicht abzuschotten, der darf ruhig andere bitten, für ihn zu beten.
 „Denk an mich!“, sagen wir manchmal beim Verabschieden. Warum nicht auch, „Bete für mich!“ Wenn ich weiß, da beten andere für mich, dann fühl ich mich geborgen und aufgehoben. Dann bin ich nicht alleingelassen.
„Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten;“ So schreibt Jakobus weiter.
Manchmal freilich, da haben wir das Gefühl, dass das Beten nichts nützt. Und das gibt es ja immer wieder, dass jemand zu Gott fleht, dass er um Hilfe, um Heilung bittet - und Gott schweigt, es wird eben nicht alles gut.
Was dann? Nun: Das Gebet ist kein medizinisches Wundermittel. Gott verspricht uns nicht, dass er uns jeden Wunsch erfüllt.  Aber er verspricht uns, da zu sein, er verspricht, dass er zuhört, dass er wacht: „Der dich behütet schläft nicht!“, heißt es im Psalm.
Und manch einer hat viel, viel später gemerkt, dass Gott eben doch da war, dass er doch geholfen hat, wenn auch ganz anders, als erwartet, aber er war da.
So ist das Gebet in jeder Lebenslage, ob in guten oder schlechten Zeiten, ob krank oder gesund, es ist immer eine Hilfe, weil es mich Gott näherbringt. Dem Gott, bei dem alle Dinge möglich sind.
Beten -  Lassen wir unsere Seele baumeln in der heilsamen und wohltuenden Sonne Gottes.
Das hilft, das tut einfach gut. So wie uns die Sonne guttut, wenn sie sich nach einem regenverhangenen Tag wieder zeigt.

 

AMEN
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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
15. Oktober 2023 – Erntedankfest
Pfarrer Jochen Maier

 

Erntedankfest 2023 - Altar in Sommerhausen
Bildrechte Kirchengemeinde Sommerhausen/Eibelstadt
Wochenspruch:
"Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit."  Ps 145,15

Predigttext: Lukas 12,15-21 

 

Liebe Gemeinde,

kennen Sie, kennt Ihr diese Geste, dieses Zeichen? (Facepalm vormachen- Hand vor Gesicht) Da gibt es sogar einen englischen Ausdruck dafür: „Facepalm“ heißt das im Internetjargon – Hand vors Gesicht. Das bedeutet dann so viel wie: Das gibt’s doch nicht!
Wie kann man nur so blöd sein! Ich fass‘ es nicht!
Richtig berühmt wurde das durch Captain Picard in der Serien Startrek.
Facepalm – einfach nicht zu fassen!
Wir alle, die wir heute miteinander Erntedankfest feiern müssten uns eigentlich mit der Hand vor den Kopf schlagen: Facepalm: Wie kann man nur so dumm sein, das zu vergessen.
Was vergessen?
Immer wieder vergesse ich – und ich glaube mal: da bin ich nicht der einzige! – immer wieder vergesse ich, dass ich trotz all meines Fleißes, all meiner Anstrengungen, all dessen was ich schaffe und tue, mein Leben letztlich nicht in der Hand habe. Ich vergesse so leicht, dass letztlich alles von Gott kommt, ich nehme das so selbstverständlich.
Die Früchte des Feldes und der Gärten, der Wein, die Lebensmittel, alles, was hier vorne wieder so wunderbar aufgebaut ist und auch so herrlich duftet, das erinnert mich daran, dass es eben nicht allein meine Leistung ist, dass ich genug zu essen und zu trinken habe, dass ich überhaupt am Leben bin, gesund bin und heute hier sein kann – das ist ein Geschenk! Es geht heute am Erntedankfest ja auch um die anderen Erträge unserer Arbeit – und den Erfolg im Beruf, um das Auskommen das ich habe, all das, was wir sonst als die Ernte unseres Lebens bezeichnen können.
Natürlich sind diese Früchte der Felder, Weinberge und Gärten auch und ganz wesentlich Ergebnisse landwirtschaftlichen und gärtnerischen Fleißes und Könnens. Da steckt ganz viel Arbeit drin, ganz klar.
In der DDR gab es den Standartspruch: „Ohne Gott und Sonnenschein, bringen wir die Ernte ein!“ – Wohin das geführt hat, das wissen wir 33 Jahre nach der Wiedervereinigung ziemlich genau. Und damals haben christliche Bauern, die weiter gedacht haben, dagegengehalten: Ohne Sonnenschein und Gott, geht die LPG – also die landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft, wie die Großbetriebe in der DDR damals hießen – ohne Sonnenschein und Gott geht die LPG bankrott, und das gingen sie ja dann auch!
Natürlich: Ohne Fleiß kein Preis, ohne Saat, Unkraut jäten und so weiter keine Ernte. Ohne Pflege der Weinberge, Anbinden der Reben, ausschneiden und so weiter keine Lese, kein Ertrag.
Und doch: Ein Blick in die Welt zeigt, wie schnell alles vernichtet sein kann: Hagel, Überschwemmungen, die Waldbrände im Mittelmeerraum, Dürre, Kriege, so vieles, was den Ertrag ganz schnell kaputt machen kann und dann ist all die Arbeit umsonst.
Wir sind hier in unseren Breiten wieder wunderbar verschont geblieben. Der Klimawandel trifft auch uns, es wird immer trockener, aber doch hatten wir dieses Jahr immer wieder mal Regen – Gott sei Dank.
Facepalm! Ich halte mir die Hand vors Gesicht und erkennen: An Gottes Segen ist alles gelegen – auch im 21. Jahrhundert.
Wir pflügen und wir streuen, den Samen auf das Land,
doch Wachstum und Gedeihen, steht in des Himmels Hand:
Der tut mit leisem Wehen sich mild und heimlich auf
und träuft, wenn heim wir gehen, Wuchs und Gedeihen drauf.
Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn,
drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn!
So haben wir vorhin nicht ohne Grund gesungen.
Und das gilt eben nicht nur in der Landwirtschaft und im Weinbau, das gilt auch bei der täglichen Arbeit. Wie schnell kann eine Krankheit oder ein Unfall uns völlig aus der Bahn werfen und all unsere Pläne verpuffen plötzlich.
Facepalm für den, der das nicht erkennt.
Erntedankfest 2023 - Altar in Eibelstadt
Bildrechte Kirchengemeinde Sommerhausen/Eibelstadt
Wir alle sind abhängig – abhängige Lebewesen. Abhängig von der Natur, abhängig von anderen Menschen, abhängig von Gottes Schöpfung, ob wir das nun wahrhaben wollen, oder nicht.
Abhängig zu sein, das zuzugeben fällt den meisten von uns nicht leicht. Von klein auf wollen wir schließlich selbständig sein. Kleine Kinder sind stolz, wenn sie selber den Löffel in die Hand nehmen können, auch wenn das dann mitunter eine rechte Sauerei gibt. Ich weiß noch: „Selber!“ das war eines der ersten Worte, das unser Sohn sprechen konnte.
Später wollen wir eigenes Geld verdienen, ein eigenes Auto haben, eine eigene Wohnung – einfach unabhängig sein!
Und dann? Ja irgendwann einmal da haben wir dann nur noch den Wunsch, niemandem zur Last zu fallen und möglichst unabhängig zu sein.
Aber mal ehrlich! Kann das wirklich alles sein? Niemanden brauchen zu wollen? Niemandem Dank zu schulden? Von niemandem und nichts abhängig zu sein?
Nein! Ich bin und bleibe abhängig – jeden Tag! Und bin darin gut versorgt, mit Essen und Trinken, mit Sonnenschein und Regen – nicht zu viel, aber doch letztlich genug. Mit so vielen Erlebnissen und Erfahrungen, die mir gut taten. Menschen, die es gut mit mir meinen, die mir helfen und denen ich vielleicht auch manchmal helfen kann. Menschen, mit denen ich geweint und gelacht haben, mit denen ich Wege geteilt habe, mit denen ich etwas geschafft habe.
Es ist gut, in diesen Beziehungen zu leben.
Facepalm – Hand vors Gesicht für die, die das nicht sehen.
„Du Narr!“ Sagt Gott zum reichen Kornbauern in unserem Gleichnis.
Warum sagt er das? Nicht weil er Vorräte anlegt, das ist ja durchaus sinnvoll, sondern deshalb, weil er glaubt, niemanden zu brauchen. Weil er glaubt, dass er nun sicher ist und seine Schäfchen im Trockenen hat. Ich kann das schon verstehen, diese Sehnsucht, dieses Selbstgespräch: „Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, biss, trink und habe guten Mut!“
Erntedankfest 2023 - Altar in Sommerhausen
Bildrechte Kirchengemeinde Sommerhausen/Eibelstadt
Ich kann es schon verstehen, dieses Gefühl: Wenn das Haus abbezahlt ist, dann bin ich auf der sicheren Seite, wenn die Kinder aus dem Gröbsten raus sind, dann ist alles gut. Wenn ich erst mal im Ruhestand bin, dann kann ich das Leben genießen. Wenn das und jenes geschieht, dann kann ich mich zurücklehnen und muss für nichts mehr sorgen.
Aber Pustekuchen – Facepalm – Hand vors Gesicht!
Der Tod hat dem armen reichen Kornbauern einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Vielleicht schreibt man auf seinen Grabstein den erschütternden Satz: Müh und Arbeit war sein Leben – Ruhe hat ihm Gott gegeben!
Traurig, wenn das wirklich alles ist.
Zu Lebzeiten hat er diese Ruhe nie gefunden, weil er ihr die ganze Zeit hinterher gerannt ist, geschafft, gespart und geschuftet hat und als er dann endlich Ruhe zu haben meinte, da war es zu spät.
„Du Narr!“ Sagt Gott. „Wem gehört dann, was du angehäuft hast?“
Und er fragt auch uns, worauf wir unsere Lebensenergie und unsere Lebenszeit verwenden wollen. Tragisch, wenn wir am Ende aufs falsche Pferd gesetzt haben und einer am Ende feststellt: Ich hatte viel zu wenig Zeit für meine Familie, meine Freunde. Dann, wenn sie mich gebraucht hätten, dann war ich nicht da.
Die Seele, der Mensch lebt auch in Abhängigkeiten, oder besser gesagt: von den Beziehungen, in denen wir leben.
Sie lebt in der Beziehung zu Gott, der, wie Luther es im Kleinen Katechismus formuliert hat – mit allem was not tut für Leib und Leben mich reichlich und täglich versorgt.
Die Seele lebt von den Abhängigkeiten, den Beziehungen, die Gott mir schenkt: Von der Beziehung zu meiner Familie, den Freunden, den Kollegen, den Menschen, die mein Leben lebenswert machen.
Die Erntegaben hier vorne sind auch Zeichen unserer Abhängigkeit von Gott und sie sind Zeichen unserer Abhängigkeit voneinander.
Der Mensch, der keinen anderen Menschen zu brauchen glaubt, den braucht eben auch keiner.
Wir arm ist der!
Facepalm – Hand vors Gesicht.
Danken wir stattdessen Gott für das, was er uns schenkt und danken wir ihm für alle Menschen, die unser Leben reich machen.
So sei es.
 
AMEN
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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für den 13. Sonntag nach Trinitatis, 3. September 2023
Pfarrer Jochen Maier

 

Trauben

„Bringen der ersten Trauben“

 
Thema: „Wurzeln, die mich tragen“
Predigttext: Jes 7,9


 

Liebe Gemeinde,

Anfang August waren wir mit Freunden zum Wandern im Karwendel auf der Reiter Spitze. Das Wetter war durchwachsen, aber wir hatten eine wirklich schöne, wenngleich auch sehr anstrengende und schweißtreibende Tour. Was mich da im Gebirge unter anderem immer wieder beeindruckt, das sind die Bäume. Die Bäume, die Fichten und Zirben, die da an der Baumgrenze Wind und Wetter trotzen, sich mit ihren Wurzeln am nackten Fels festklammern und dort wachsen. Man fragt sich: Woher nehmen diese Bäume ihre Nähstoffe?

Woher die Feuchtigkeit, wenn da nur nacktes Gestein ist?
Auf die Wurzeln kommt es an.
Wurzeln sind Wunderwerke der Schöpfung. Auch Weinreben sind ja ausgesprochene Tiefwurzler, habe ich gelernt. Sie können noch aus sehr großen Tiefen Feuchtigkeit und Nährstoffe nach oben befördern – aber das wissen Sie, wisst Ihr die Winzerinnen und Winzer natürlich viel besser als ich.
Wurzeln sind ein Wunderwerk der Schöpfung. In der Tiefe, in der Dunkelheit gewinnen sie Kraft und Halt, nehmen Nährstoffe und Wasser auf und geben sie nach oben weiter.
Alles, was lebendig, groß und fruchtbar ist, wächst aus kleinen und kleinsten Wurzeln. Ohne Wurzeln gibt es kein Leben, keine Frucht. Die Wurzel ist der Anfang für alles, was wächst.
So sind Wurzeln auch ein Bild für unser Leben.
Wer leben will, muss Wurzeln schlagen, Halt gewinnen und Verbindungen schaffen. Das zeigt sich bei uns auch in der Sprache: Wer sich seiner Herkunft bewusst ist, der ist da „verwurzelt“, sagen wir. Und wer sich auf seine Vergangenheit zurückbesinnen will, der geht „back to the roots – zurück zu den Wurzeln“. Die Wurzeln umfassen alle Bereiche unseres Lebens und bestimmen unsere Einstellungen und unser Handeln.
Wir alle sind doch bewusst oder unbewusst geprägt durch die Familien, in denen wir aufgewachsen sind. Ich für meinen Teil stamme aus einer Familie von selbständigen Handwerkern und das hat mich einfach geprägt, das gehört zu meinen Wurzeln und das ist wohl bei uns allen so.
Die aus einer jüdischen Familie stammende französische Philosophin Simone Weil hat einmal gesagt: „Die Entwurzelung ist bei weitem die gefährlichste Krankheit der menschlichen Gesellschaft. Wer entwurzelt ist, der entwurzelt. Wer verwurzelt ist, der verwurzelt. Die Verwurzelung ist vielleicht das wichtigste und meistverkannte Bedürfnis der menschlichen Seele.“

Wie wahr! Wer verwurzelt ist, der hat einen festen Stand und guten Halt – auch wenn’s mal dick kommt und die Lebensstürme an einem rütteln.
Der Wald mit seinen Bäumen sagt es uns auf Schritt und Tritt. Nicht in der Krone, nicht in dem, was wir sehen, liegt die Kraft des Baumes. Die Kraft und der Halt des Baumes liegt in den Wurzeln.
Und beim Weinstock ist es doch ähnlich.
Die Weinstöcke hier vorne in den Kübeln die können schon auch einige Früchte tragen – aber um richtig zu wachsen, um groß und kräftig zu werden, da müssen sie in die Erde, da müssen die Wurzeln viel weiter wachsen können, als es in diesem kleinen Topf möglich ist.
Es gibt kein Leben ohne Wurzeln.
Bei uns Menschen ist es nicht anders: Auf die Wurzeln kommt es an, auch wenn diese alte Weisheit oft vergessen wird.
In unserer auf Leistung getrimmten Zeit wird die Aufmerksamkeit vor allem auf die Ergebnisse gelegt, auf die Effizient. Darauf, dass man was vorweisen kann, dass was zu sehen ist. Und wir ärgern uns, wenn es nicht so schnell klappt, wie wir wollen. Und oft genug kommt es dann irgendwann zum Burnout und psychosomatischen Krankheiten. Wir können auf Dauer nicht leben, ohne uns um unsere Wurzeln zu kümmern.
Was sind meine Lebenswurzeln?
Woraus beziehe ich meine Lebenskraft?

Der österreichische Lehrer und Schriftsteller Ernst Ferstl hat einmal das Wort geprägt: „Wer sich in geliebten Menschen verwurzelt weiß, kann leichter über sich hinauswachsen“. Das ist wohl eine der stärksten Wurzeln des Lebens: Menschen, die zu einem stehen, die uns wertschätzen und uns etwas zutrauen. Menschen, bei denen wir wissen, wie wir dran sind. In deren Nähe wir uns geborgen fühlen. Daraus schöpfen wir Lebenskraft.
Eine andere Lebenswurzel ist tief empfundene Freude. „Die Seele nährt sich von dem, woran sie sich freut“ hat der Kirchenvater Augustin einmal gesagt. Das kann etwas sein, was ich mache, ohne gleich zu fragen, ob es sich lohnt, ob etwas dabei herausspringt. Ich tue es, einfach weil ich Spaß daran habe. Das kann Musik sein, die ich selber mache oder ein höre – die mir Freude macht. Ein Kunstwerk, das ich betrachte, die Schönheit einer Blume, einer Landschaft. Die Seele nährt sich vom Empfinden des Schönen. Die Freude ist eine Wurzel, die der Seele Nahrung gibt.
Der Wunsch nach Wurzeln sitzt ganz tief drin in uns Menschen. Und im Glauben können wir Halt finden, davon bin ich überzeugt.
Das Wörtchen Amen, mit dem wir unsere Gebete abschließen, übersetzten wir meist mit „So sei es“ – aber das ist eigentlich zu schwach. Das hebräische „aman“ (אּמּךּ) bedeutet „glauben“, „sich festmachen“, sich Halt verschaffen“, „sich einwurzeln“.

Wie ein Baum, ein Weinstock nur wachsen und leben kann, wenn seine Wurzeln die Erde durchdringen, so kann ein Mensch nur dann einen lebendigen Glauben haben, wenn er sich in Gott festmacht und immer mehr mit und aus ihm lebt. Beim Propheten Jesaja sagt Gott: „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht!“ (Jes 7,9) und das können wir auch übersetzen: „Wenn ihr nicht in Gott verwurzelt seid, werdet ihr keinen Halt finden.“ Aber dieses Verwurzeln, das braucht Zeit, muss wachsen, reifen. Gerade junge Weinstöcke müssen in Trockenphasen bewässert werden, damit die Wurzeln Zeit haben, um in die Tiefe zu wachsen. Auch unsere Lebenswurzeln wachsen langsam in unserem Innern. Sie können nicht täglich neu erfunden werden. Wer jedem Trend hinterherläuft, kann keine Wurzeln bilden. Sich den eigenen Wurzeln zuzuwenden bedeutet auch, sich mit der Frage zu beschäftigen, wer ich bin und sein darf und sein kann – und wer und was ich eben auch nicht sein muss.
Paul Gerhard hat das in seinem alten und doch wie ich finde zugleich ewig jungen Choral so formuliert:
„Mach in mir deinem Geiste Raum,
dass ich dir werd ein guter Baum
und lass mich Wurzeln treiben.
Verleihe, dass zu deinem Ruhm
Ich deines Gartens schöne Blum
Und Pflanze möge bleiben.“
Oder wie es in einem Gebet aus unserer Zeit heißt:
Herr, wie ein Baum so sei vor dir mein Leben.
Herr, wie ein Baum sei vor dir mein Gebet.
Gib Wurzeln mir, die in die Erde reichen,
dass tief im Glauben ich gegründet bin.
Gib mir die Kraft, zum festen Stamm zu wachsen,
dass aufrecht ich an meinem Platze steh
und wanke nicht, auch wenn die Stürme toben.
Herr, wie ein Baum, so sei vor dir mein Leben.
Herr, wie ein Baum sei vor dir mein Gebet.
 

AMEN

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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
02. Juli 2023 – 4.S.n.Trinitatis
Pfarrer Jochen Maier

 

Kirche St. Bartholomäus Sommerhausen
Bildrechte Pfarrgemeinde Sommerhausen/Eibelstadt
Wochenspruch:
"Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen." Gal 6,2
Predigttext: 1.Petrus 3,8-11 

 

Liebe Gemeinde,

es war am 22. Oktober des Jahres 1978, da hielt Astrid Lindgren in der Frankfurter Paulskirche anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels eine vielbeachtete Rede.
Sie erzählte eine Geschichte, die sie selbst, wie sie berichtet hat, von einer alten Dame gehört habe.
„Ich war jung zu jener Zeit, als fast alle Kinder oft geschlagen wurden,“ so begann die alte Dame. „Man hielt es für nötig, sie zu schlagen, denn sie sollten artig und gehorsam werden. Alle Mütter und Väter sollten ihre Kinder schlagen, sobald sie etwas getan hatten, von dem die Mütter und Väter meinten, dass Kinder es nicht tun sollten. Mein kleiner Junge, Johan, war ein artiger und fröhlicher kleiner Kerl, und ich wollte ihn nicht schlagen. Aber eines Tages kam die Nachbarin zu mir herein und sagte, Johan habe Erdbeeren geklaut, und bekäme er jetzt nicht seine Schläge, würde er ein Dieb bleiben, sein Leben lang.
Mit Müttern ist es nun mal so, dass ihnen angst und bange wird, wenn jemand kommt und sich über ihre Kinder beschwert. Und ich dachte: Vielleicht hat sie recht, jetzt muss ich Johan wohl eine Tracht Prügel verpassen.
Johan saß da und spielte mit seinen Bausteinen – er war damals erst fünf Jahre alt -, als ich kam und sagte, dass er nun Prügel bekäme und er selbst hinausgehen sollte, um eine Rute abzuschneiden.
Johan weinte, als er ging. Ich saß in der Küche und wartete. Es dauerte lange, bis er kam, und weinen tat er immer noch, als er zur Tür hereinschlich. Aber eine Rute hatte er keine bei sich. „Mama“ sagte er schluchzend, „ich konnte keine Rute finden, aber hier hast du einen Stein, den du auf mich werfen kannst!“ Er reichte mir einen Stein, den größten, der in seiner kleinen Hand Platz fand.
Da begann auch ich zu weinen, denn ich verstand auf einmal, was er gedacht hatte: Meine Mama will mir weh tun, und das kann sie doch besser mit einem Stein.
Ich schämte mich. Und nahm ihn in die Arme, wir weinten beide so viel wir konnten, und ich dachte bei mir, dass ich niemals, niemals mein Kind schlagen würde. Und damit ich es ja nicht vergessen würde, nahm ich den Stein und legte ihn in das Küchenregal, wo ich ihn jeden Tag sehen konnte, und da lag er solange, bis Johan groß war.
Ein Dieb wurde keiner aus ihm. Das hätte ich gern meiner Nachbarin erzählt, aber sie war schon lange fortgezogen.“

Liebe Gemeinde, ist das nicht eine berührende Geschichte, die Astrid Lindgren uns da erzählt? Und sie bringt, finde ich, genau das zum Ausdruck, was uns heute in unserem Predigtwort aufgetragen wird.
Ich lese aus 1.Petrus 3,8-11:
„Schließlich bitte ich euch: Seid untereinander einig, mitfühlend, voll Liebe den anderen Brüdern und Schwestern gegenüber, barmherzig und bescheiden. Zahlt Böses nicht mit Bösem heim oder eine Beleidigung mit einer Beleidigung. Stattdessen sollt ihr segnen. Denn Gott hat euch dazu berufen, seinen Segen zu empfangen.
Wer sich am Leben freuen und gute Tage sehen will, soll seine Zunge hüten. Nichts Böses darf aus seinem Mund kommen und keine Lüge über seine Lippen. Er soll sich vom Bösen abwenden und Gutes tun. Frieden soll er suchen und sich dafür einsetzen.“

Oder wie Luther diesen letzten Satz übersetzt hat: Suche Frieden und jage ihm nach.
Astrid Lindgren fragt zurecht, wie jemand, der sich als Kind an die Gewalt gewöhnt hat, jemals zu einem friedlichen Menschen heranwachsen kann. Das geht nicht! Und wie soll es Frieden geben in der Welt, wenn es keine friedfertigen Menschen gibt? Der Friede muss im Kleinen beginne, in den Familien, in den Häusern und Wohnungen.
Frieden muss man lernen!
Ich war vor etlichen Jahren mal auf einer Studienreise im Heiligen Land. Da fuhren wir im Bus von Jerusalem ins benachbarte Bethlehem. Das aber liegt im Palästinensergebiet. Und da liegt eine Grenze dazwischen – ähnlich gesichert wie früher die innerdeutsche Grenze. Wegen irgendeines Zwischenfalls war die Grenze geschlossen. Die Palästinenser konnte nicht zu ihrer Arbeit nach Jerusalem, standen vor dem Grenzzaum und protestierten. Auch viele Kinder waren da auf der Straße. Die Stimmung war aufgeheizt. Wir saßen im Bus und hatten ein mulmiges Gefühl und dachten: Wenn da jetzt einer einen Stein schmeißt, dann eskaliert die Lage. Das ist ein Pulverfass!
Wie soll da Frieden wachsen, wenn die Kinder aufwachsen in eine Atmosphäre der Gewalt und des Hasses?
Christenmenschen sollen für den Frieden eintreten, sollen mitleidig und barmherzig sein. So hat Jesus er vorgelebt.
Bei dieser großen Aufgabe haben Christinnen und Christen in der Vergangenheit allzu oft gar jämmerlich versagt, keine Frage – und wir tun das in der Gegenwart nicht selten auch. Wer von uns könnte schon von sich behaupten, dass er immer für den Frieden eintrat, dass er immer mitleidig und barmherzig ist und nie etwas Böses aus seinem Mund kommt? Wahrscheinlich keiner von uns!
Und doch haben Christinnen und Christen in der Vergangenheit und in der Gegenwart auch sehr sehr viel Segensreiches gewirkt. Nur findet das viel seltener den Weg in die Öffentlichkeit, als die negativen Fälle.
Die Misshandlungen und Demütigungen, die Kinder und Jugendliche leider auch in evangelischen Einrichtungen erleiden mussten sind absolut schrecklich und durch nichts zu entschuldigen. Aber es ist doch auch so, dass in solchen Einrichtungen auch vielen vielen Kindern und Jugendlichen geholfen wurde und da in den allermeisten Fällen eine sehr segensreiche Arbeit geschah und geschieht – nur kommt das natürlich nicht in die Medien. Da werden Kinder betreut, deren Eltern beispielsweise wegen Drogen- und Alkoholabhängigkeit ihrer Aufgabe nicht gerecht werden. Nach dem Krieg haben da zahlreiche Waisenkinder eine neue Heimat gefunden, Kinder um die sich sonst niemand gekümmert hat. Was da in den meisten Fällen geleistet wurde, war bewundernswert und gut. Viele Erzieherinnen, Diakonissen und Sozialarbeiter haben und hatten sich mit großem Einsatz und die ihnen anvertrauten Kinder gekümmert Und sie tun das bis heute aus Nächstenliebe und christlicher Überzeugung.
Und doch sind wir als Christinnen und Christen nicht davor gefeit, bei dem Guten, was wir tun wollen, schuldig zu werden. Wir meinen es gut, als christliche Gemeinde, als Kirche und Diakonie – und trotzdem entgleitet manches, trotz bester Absichten.
Auf unserem Alter steht das Kreuz Jesu Christi.
Dieses Kreuz ist ein Zeichen der Hoffnung. Gott will uns nicht bei unserem Scheitern behaften. Er vergibt uns, damit auch wir anderen vergeben.
Vom Kreuz herab weist er uns den Weg der Barmherzigkeit und des Friedens.  Er hilft uns auf und steht uns bei, wenn wir – so gut wir es eben können, ihm nachfolgen und das tun, wozu der 1. Petrusbrief und einlädt: Seid untereinander einig, mitfühlend, voll Liebe den anderen Brüdern und Schwestern gegenüber, barmherzig und bescheiden. Zahlt Böses nicht mit Bösem heim oder eine Beleidigung mit einer Beleidigung. Stattdessen sollt ihr segnen. Denn Gott hat euch dazu berufen, seinen Segen zu empfangen.
Das lasst uns tun, auf dass der Frieden eine Chance bekommt!

AMEN

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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für Pfingstsonntag 28. Mai 2023, Pfarrer Jochen Maier

 
Kirche St. Bartholomäus Sommerhausen
Bildrechte Pfarrgemeinde Sommerhausen/Eibelstadt
Wochenspruch: "Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch
meinen Geist geschehen, spricht der HERR Zebaoth."
Sach 4,6b

Predigttext: 1.Korinther 2,12-16 

 

Liebe Gemeinde,

am Donnerstag hat meine Frau einen Geburtstagskuchen in die Schule nach Eibelstadt mitgenommen in ihre 3. Klasse und gefragt, wessen Geburtstag denn nun wohl gefeiert würde. Da war großes Rätselraten angesagt bis sie das Rätsel gelüftet hat. An Pfingsten feiern wir den Geburtstag der Kirche. Im Verhältnis zu den beiden anderen großen Kirchenfesten wie Weihnachten und Ostern hat Pfingsten es etwas schwer. Es kommt so unanschaulich daher und vor allem: An Pfingsten gibt‘s keine Geschenke!
Lassen Sie uns heute mal schauen, ob das tatsächlich stimmt. Immerhin sind Sie, seid Ihr gekommen, um an Pfingsten Gottesdienst zu feiert. Sie, Ihr habt euch auf den Weg gemacht – vielleicht, vielleicht war da ja der Heilige Geist selbst am Werk!
Sie und Ihr wisst jedenfalls alle wesentlich mehr über dieses Fest als der Großteil der restlichen Bevölkerung.
Hören wir, was der Apostel Paulus in unserem heutigen Predigtwort zu diesem Fest zu sagen hat:
(1.Kor.2,12-16, BasisBibel) Wir haben aber nicht den Geist dieser Welt empfangen, sondern den Geist, den Gott selbst uns schickt. So können wir erkennen, was Gott uns geschenkt hat. Davon reden wir nicht in Worten, wie sie die menschliche Weisheit lehrt. Sondern wir reden in Worten, die der Geist Gottes lehrt. Mit seinen Worten erklären wir, was er selbst uns offenbart.
Der Mensch nimmt mit seinen natürlichen Fähigkeiten nicht das an, was vom Geist Gottes kommt. Er hält es für Dummheit und kann damit nichts anfangen. Denn nur mithilfe des Heiligen Geistes kann es richtig eingeschätzt werden. Aber ein von Gottes Geist erfüllter Mensch kann das alles richtig einschätzen. Dabei kann sich kein anderer ein Urteil über ihn anmaßen. Denn wer kann feststellen, was der Herr im Sinn hat, und ihn beraten? Aber was wir im Sinn haben, das kommt von Christus her. AMEN

Liebe Gemeinde, die gute Nachricht gleich mal vorneweg: Es gibt also doch etwas für uns an diesem Festtag, ein Geschenk, eine gute Gabe. So jedenfalls beschreibt es der Apostel Paulus.
Ein echtes Gottesgeschenk bekommen wir an Pfingsten, nämlich den Geist, den Geist Gottes. Und Paulus selbst ist darüber ganz begeistert, ganz überschwänglich. Ganz so wie die Jünger beim allerersten Pfingstfest: Spontan, ohne Hemmungen stehen sie auf und reden so wie ihnen der Schnabel gewachsen ist.
Das ist Pfingsten! Freudig vergnügt ohne falsche Bescheidenheit und Sebstverzwergung, ohne Duckmäusertum.
Trau dir etwas zu! Entdecke, was in Dir steckt, was du kannst. Und um Himmels Willen: Freu dich dran! Du bist beschenkt, bist begabt.
Zumindest heute versuche dir Sorgen über Bord zu werfen, keine Angst vor dem, was kommt – zumindest nicht jetzt. Sondern jetzt ist die Zeit, das Geschenk auszupacken, den Geist wirken zu lassen.
Wenn man es kirchlich sagen möchte, dann geht ohne den Geist ohnehin rein gar nichts in der Kirche, in der Gemeinde.
Pfingsten ist der Geburtstag der Kirche. Weil Gott uns seinen Geist gibt, weil er uns in seinem Geist leben lässt, deshalb gibt es Gemeinde, deshalb gibt es Kirche überall auf der Welt bis zum heutigen Tag.
Bei uns in der Kirche wird ja viel gejammert, wir klagen über den Bedeutungsverlust der Kirche, über zurückgehende Mitgliederzahlen, die vielen Austritte und das macht auch mir  Sorgen, jeder Kirchenaustritt schmerzt mich, aber ich glaube, dass wir trotzdem ganz viel Grund zur Freude haben, zur Zuversicht.
Dass es Kirche gibt und geben wird – vielleicht anders als heute – das ist Werk des Heiligen Geistes, das liegt in Gottes Hand und das kann und das muss uns zuversichtlich machen.
Die Kirche hat schon viel viel schlimmere Zeiten erlebt. Und statt auf das Negative zu starren wie die Maus vor der Schlange, haben wir allen Grund, uns am Schönen zu freuen, an den Taufen die wir hier feiern –in den letzten 8 Tagen haben wir allein fünf Kinder und Jugendliche getauft und morgen dürfen wir wieder eine Trauung feiern, das ist doch was!
Zugegeben: Die Geburtstagsfeier der Kirche ist nicht gerade ein rauschendes Fest, keine Party wie zu einem 18. Wiegenfest. Es ist eher das Fest einer Dame, die schon ein bisschen in die Jahre gekommen ist. Der Lack ist an manchen Stellen ab, da gibt es Narben. Sie ist kritisch mit sich selbst und nachdenklich.
Und doch ist es ein Fest zum Feiern. „Du bist ein Geist der Freuden, von Trauern hältst du nichts… Du bist ein Geist der Liebe, ein Freund der Freundlichkeit.“ So heißt es in einem alten Pfingstlied. Wünschen wir der alten Dame Kirche also von Herzen: Viel Glück und viel Segen!
Aber wie ist das nun mit diesem Geist? Was wirkt er eigentlich? Was macht ihn aus? In der Bibel wird er mal als zarter Windhauch und dann wieder als mächtiger Sturmwind beschrieben. Er ist Feuer und Lebensatem. Er ist die Energie Gottes, die Menschen die Kraft gibt, Schweres durchzustehen und Mut gibt, Bösem entgegenzutreten. Er bringt Menschen zusammen, er eint, ohne zu vereinnahmen. Er weht, wo und wann er will, lässt sich nicht einfangen oder wegsperren. Er ist immer wieder neu – neu geschenkt, erfahren, erhofft, ersehnt, erbeten. Gottes Geist stellt Menschen in den weiten Raum der Freiheit. „Wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.“ So sagt es Paulus an anderer Stelle (2.Kor.3,17).
Und ein weiterer wichtiger Punkt: Der Geist Gottes begabt dazu, die Geister zu prüfen und zu unterscheiden. „Nur ein von Gottes Geist erfüllter Mensch kann das alles richtig einschätzen,“ sschreibt Paulus. Der Geist Gottes lässt uns wachsam sein, damit wir nicht irgendwelchen Populisten und Rattenfängern – egal welcher Couleur – auf den Leim gehen. Aber der Geist lehrt uns auch Bescheidenheit, dass wir auch anderen etwas zutrauen. Ein weisen Mensch hat einmal gewarnt: „Halte deinen eigenen Vogel nicht für die Taube des Heiligen Geistes.“ Das lehrt mich Demut, lehrt mich, mich selbst nicht so wichtig zu nehmen. Das lehrt mich aber auch, die Geister zu prüfen, mit denen wir es zu tun haben. Lehrt mich die Hoffnung auf den neuen Himmel und die neue Erde, in denen kein Leid mehr sein wird.
Diesen christlichen Lebensstil beschreibt das alte Wort „Frömmigkeit.“ Das klingt nun etwas altmodisch und verstaubt, etwas weltabgewandt.
Aber ich weiß keinen besseren Ausdruck.
Frömmigkeit ist etwas ganz anders, als frömmelnd. Frömmigkeit ist ehrlich, kommt von innen heraus. Wer fromm ist, weiß sich getragen von der Liebe Gottes, der ist zuversichtlich trotz und in allem. Fromm ist, wer zu hoffen wagt, auch gegen den Augenschein.
Diese Frömmigkeit ist eine Gabe des Heiligen Geistes. Sie ist keine Leistung, sondern ein pfingstliches Geschenk Gottes. Etwas steiler ausgedrückt: Frömmigkeit ist die Bereitschaft, sich von Gott beschenken zu lassen.
Mit der Frömmigkeit ist es wie mit dem Geist Gottes: Man hat sie nicht, man besitzt sie nicht. Eher ist es wie ein Weg, den man geht. Und da gehören auch Irrwege dazu und Sackgassen. Da muss ich manchmal auch wieder zurückrudern, und andere Wege einschlagen. Und wer unterwegs ist und dann auch mal müde wird, der braucht Stärkung, und auch Begleiter, die einem wieder aufhelfen und neuen Mut geben. Wer mit Kindern in den Bergen wandert, der weiß, wie wichtig solche Motivationsschübe sind.
So einer ist Gottes Geist. Wir können ihn darum bitten, dass er zu uns kommt, uns stärkt und tröstet, uns Mut macht und frei sein lässt.
So wie Gottes Geist anfangs zu den Jüngerinnen und Jüngern kam, so wie er Paulus begeistert hat, so möge er auch zu uns kommen in unseren Tagen. Komm Geist Gottes, komm auch in mein kleines Leben und nimm dir Raum in meinem Herzen, in meinen Gedanken, in meinem Tun und Lassen! Komm, Gott, begeistere uns! Mach uns froh und gewiss, dass Du immer an unserer Seite bist.
Ich möchte schließen mit Worten, die ich beim längst verstorbenen katholischen Pfarrers Wilhelm Willms gefunden habe:
Der heilige geist ist ein bunter vogel
der heilige geist
er ist nicht schwarz
er ist nicht blau
er ist nicht rot
er ist nicht gelb
er ist nicht weiß
der heilige geist ist ein bunter vogel
er ist da
wo einer den anderen trägt
der heilige geist ist da
wo die welt bunt ist
wo das denken bunt ist
wo da denken und reden und leben bunt ist
der heilige geist lässt sich nicht einsperren
in katholische Käfige
nicht in evangelische käfige
der heilige geist ist auch kein papagei der nachplappert
was ihm vorgekaut wird
auch keine dogmatische walze
die alles platt walzt
der heilige geist
ist spontan
er ist bunt
sehr bunt
und er duldet keine uniformen
er liebt die phantasie
er liebt das unberechenbare
er ist selbst unberechenbar.
(Wilhelm Willms, roter faden glück. Lichtblicke, Kevelaer 1988)
So sei es

AMEN
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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für Sonntag 14. Mai 2023 – Rogate
Pfarrer Jochen Maier

 
Kirche St. Bartholomäus Sommerhausen
Bildrechte Pfarrgemeinde Sommerhausen/Eibelstadt
Wochenspruch:
"Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine
Güte von mir wendet." Ps 66,20
Predigttext: 1.Timotheus 2,1-6a

 

Liebe Gemeinde,
 
ein Pfarrerkollege war einmal mit der Bahn unterwegs Richtung Karlsruhe. In seinem Abteil saß noch ein Geschäftsmann mit Laptop, eine ältere Dame mit Strickzeug und eine junge Mutter mit ihrem kleinen Sohn, der in einem großen Bilderbuch geblättert hat.
In dem Bilderbuch wurden Beruf vorgestellt: Ein Bäcker backt Brot, ein Feuerwehrmann löscht Brände, eine Gärtnerin pflanzt Blumen und so weiter.
Irgendwann hat der kleine Junge den Pfarrer angeguckt und interessiert gefragt: „Und was bist du?“ Der Pfarrer hat geantwortet: „Ich bin Pfarrer!“ Da hat der kleine Junge nach einigem Nachdenken – er war noch ganz auf dem Trip von: „Der Bäcker backt, der Feuerwehrmann löscht, die Gärtnerin pflanzt“ – gefragt: „Kannst du dann beten?“ Der Pfarrer etwas verdutzt und zögerlich: „Äh, ja!“ Und dann kam, was kommen musste. Der Knirps hat ihn aufgefordert: „Dann bet‘ doch mal!“
Der Junge fand die Situation furchtbar interessant, die Erwachsenen eher nur furchtbar. Der Laptop ging in Standby, die Stricknadeln hörten auf zu klappern und die Mutter schien ein unsichtbares Schild um den Hals zu tragen: „Ich gehöre da nicht dazu! Das Kind sitzt nur rein zufällig auf meinem Schoß…“
Dem Pfarrer war die Situation auch nicht geheuer. Aber wie das so ist mit Kindern: Es gab kein Entkommen. Also hat er notgedrungen gebetet, einfach mit Gott geredet. Er hat für den Tag gedankt, für den Zugführer gebetet und dafür, dass alle behütet zuhause ankommen. Nach dem „Amen“ haben alle tief durchgeatmet und die Zufahrt ging normal weiter.
„Bet‘ doch mal!“ Das sagt uns auch unser heutiges Predigtwort, nur kleidet es die Aufforderung in etwas andere Worte. Aber im Grunde ist es genau dasselbe: „Bet‘ doch mal!“
Ich lese aus dem 1. Brief des Apostels Paulus an seinen Freund und Gefährten Timotheus:

Zuerst und vor allem bitte ich euch, im Gebet für alle Menschen einzutreten: Bringt eure Wünsche, Fürbitten und euren Dank für sie vor Gott. Betet auch für die Könige und alle übrigen Machthaber. Denn wir wollen ein ruhiges und stilles Leben führen – in ungehinderter Ausübung unseres Glaubens und in Würde. So ist es recht und gefällt Gott, unserem Retter. Er will ja, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Denn nur einer ist Gott und nur einer der Vermittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus. Der hat sich selbst hingegeben als Lösegeld für alle Menschen. AMEN

Liebe Gemeinde, der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber hat einmal gesagt: „Wäre Gott nur einer, über den man reden kann, würde ich nicht glauben. Weil er aber ein Gott ist, zu dem man reden und mit dem man reden kann, darum glaube ich an ihn.“
Beten heißt, sich Gott öffnen, heißt, die eigenen Hände ruhen lassen, zusammenlegen, damit Gott seine segnende Hand darauf legt. Die eigenen Gedanken Gott entgegenstrecken, damit er sie mit seinen Gedanken verbindet.
Das muss gar nicht kompliziert sein, je ehrlicher, je echter, desto besser. So wie jenes achtjährige Kind, das abends im Bett gebetet hat und auf einmal laut nach außen ins Wohnzimmer gerufen hat: „Papa, Mama, ich bet‘ grad, braucht ihr auch noch etwas?“ oder, weil es ein schwäbisches Kind war, klang es eher so: „Brauchet ihr au no ebbes?“
Aber es gilt auch, was einmal in einem Gemeindebrief zu lesen war: „Überlege gut, bevor du betest. Gott könnte deine Bitte erfüllen!“
Das erinnert an das Märchen vom Fischer und seiner Frau, das kennen Sie vielleicht. Der Fischer hat Wünsche frei, und die Wünsche der Fischerin werden immer maßloser, zuerst eine einfache Hütte, dann ein Schloss, dann will sie Königin werden, dann Kaiserin, dann Papst – und am Ende sitzen bei wieder in ihrer armseligen Fischerhütte.
„Überlege gut, bevor du betest. Gott könnte deinen Bitte erfüllen.“ Trauen wir es Gott zu, dass er unsere Gebete wirklich erhört? Glauben wir, dass sich durch das Beten tatsächlich etwas ändern kann? Ich glaube schon! Ganz gewiss!
Unser Predigtwort zeigt ja verschiedenen Facetten des Betens auf: Bitte, Fürbitte und Dank.
Meist wissen wir ja ziemlich genau, was wir so alles brauchen, um angeblich glücklich und zufrieden zu sein. Und wenn es dann anders kommt, dann sind wir unzufrieden. Aber wissen wir wirklich, ob das auch gut für uns ist, was wir uns wünschen? Wenn manche Wünsche unerfüllt bleiben, dann hat das vielleicht einfach einen Sinn, den wir jetzt noch gar nicht sehen können. Natürlich kann man einem schwerkranken Menschen nicht sagen: „Du siehst einfach den Sinn in deiner Krankheit nicht!“ Das wäre entschieden zu einfach. Aber man kann klagen, kann seine Not vor Gott bringen und vielleicht wird es mir dann leichter. „Bittet, so wird euch gegeben…“ lesen wir im Matthäusevangelium. Aber auf welche Art und Weise gegeben wird, das steht allein bei Gott.
 
In unserem Predigtwort spielt nun die Fürbitte eine ganz große Rolle. Könige und andere Machthaber werden genannt, heute würden wir sagen: Die Regierungen und die Gemeinderäte, der Bundeskanzler und die Bürgermeister. Da geht es nicht darum, dass sie bitte künftig so regieren, wie ich mir das heute Morgen in meiner Weisheit vorstelle, sondern da geht es darum, dass das alles Menschen sind, Menschen, die von Gott ihr Leben haben, die ihm am Herzen haben und reichlich Weisheit brauchen für ihre oft schweren Aufgaben – ob sie sich dessen nun bewusst sind oder nicht.  Für sie alle bitten wir, dass Gott sie mit seinem guten Geist lenke.
Dann können wir ein ruhiges und stilles Leben führen, schreibt Paulus. Das heißt bestimmt nicht, dass wir alle Duckmäuser werden sollen, die sich aus allem raushalten und froh sind wenn sie bl0ß ihre Schäfchen ins Trockene bringen können. Sondern das bedeutet: Ein Leben ohne Angst, dass die große Politik einem plötzlich das Leben kaputtmacht, wie derzeit in der Ukraine und im Sudan und anderswo. Ein Leben, wo jeder seine Meinung sagen kann ohne Angst haben zu müssen, weggesperrt zu müssen. Darum sollen Christen beten. Ora und dann labora. Beten, damit man seine Arbeit in Ruhe und Frieden machen kann.
Ich fand es schon eindrucksvoll, dass gerade diese Fürbitte gestern vor einer Woche bei der Krönung des englischen Königs so eine große Rolle gespielt hat. Vielleicht ist das manchen neu ins Bewusstsein gekommen.
Betet für alle Menschen – da gehören auch die dazu, die uns nicht so sympathisch sind und uns manchmal richtig auf die Nerven gehen. Im Abendgebet einer Diakonissenanstalt heißt es am Ende: „…und wir bitten dich für alle, an denen wir schwer zu tragen haben!“
Das ist sicher nicht leicht. Aber auch diese Menschen liegen Gott am Herzen. Und wenn ich für sie bete, dann denke ich darüber nach, in welcher Situation sie sich befinden und was ihnen gut tun könnte.
Ich glaube, wenn wir für alle Menschen beten, dann wird sich das auch auf uns selbst auswirken. Darauf, wie wir mit ihnen umgehen. Auch wenn wir miteinander streiten.
„Bet‘ doch mal!“
Das ist eine Aufforderung, die es in sich hat.
Jesus macht es uns vor. In Liebe hat er sich hingegeben – für uns – Gott sei Dank! Aber auch für die, an denen wir manchmal schwer zu tragen haben!“
„Bet‘ doch mal!“
So sei es,

AMEN

 

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