Aktuelle Gottesdienste und Predigten in der Corona-Zeit: 2021


 

Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für den Altjahresabend, 31. Dezember 2021
Pfarrer Jochen Maier

 

St. Bartholomäuskirche im Winter
Bildrechte Pfarrgemeinde Sommerhausen/Eibelstadt
Spruch des Tages:
"Meine Zeit steht in deinen Händen.“ Psalm 31,16a
 Predigttext: Matthäus 13,24-30

 

 


Liebe Gemeinde,

es ist eine Szene wie aus einem Herzkinofilm am Sonntagabend. Eine Frau mittleren Alters, nennen wir sie Konstanze, hatte ursprünglich geplant, mit ihrer besten Freundin den Sommerurlaub auf einer Nordseeinsel verbringen, doch die Freundin war kurzfristig erkrankt, so fuhr Konstanze allein. Rechte Lust hatte sie eigentlich keine, aber das Hotel war nun mal gebucht und so fuhr sie hin.
Gleich am ersten Abend unternahm sie einen langen Spaziergang am Strand. Es war ein lauer Abend, die Sonne senkte sich langsam ins Meer. An der Uferpromenade standen zwei Bänke, eine war noch frei, Konstanze setzte sich, schloss die Augen, spürte die letzten Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht. Auf der anderen Bank saß ein Mann ungefähr in ihrem Alter und der machte es genauso.
„Auch so ein Genießer!“ dachte Konstanze. Nach einer Weile, als die Sonne verschwunden war, stand sie auf und wollte zurück ins Hotel. Da kamen die beiden ins Gespräch, Martin hieß der Mann.
Für Konstanze war dies einer der wichtigsten Momente des Jahres. Sie ist überglücklich, wenn sie davon erzählt. Dabei hätte sie am Anfang des Jahres nie gedacht, dass sie tatsächlich die Liebe ihres Lebens finden würde. Nun fühlt sie sich wie im Himmel.
Himmlische Momente, liebe Gemeinde. Wie war das für Sie und für Euch in diesem Jahr 2021. Gab es da auch solche himmlischen Momente? Es muss ja nicht so romantisch sein, wie in dem, was ich erzählt habe. Was ist gelungen in diesem Jahr, was war besonders schön? Gab es da etwas, an das Sie, an das Ihr euch gerne zurückerinnert?
Ich lade Sie und Euch ein, den himmlischen Momenten dieses Jahres etwas nachzuhängen ….
Liebe Gemeinde, ich hoffe, dass Sie, dass Ihr euch auch im eigenen Leben an einige himmlischen Momente im vergangenen Jahr erinnern konntet. Egal wie klein oder groß, wie einschneidend oder alltäglich unsere himmlischen Momente in diesem Jahr waren, das sind Erlebnisse, Erfahrungen, die uns Kraft geben können, Kraft für die „un-himmlischen“ Momente, die es in diesem Jahr sicher auch gab, bei jedem von uns.
Die Belastungen durch die Pandemie möchte ich gar nicht groß ausmalen, die kennen wir alle nur zu gut, die Besuchsbeschränkungen in den Krankenhäusern und Pflegeheimen, die Belastungen für die Menschen im Gesundheitswesen, die finanziellen Schäden für viele Geschäftsleute. Ich denke auch an das Geschachere um Impfdosen und an die Kinder, die nicht mehr unbeschwert Kinder sein konnten, so wie es für uns früher selbstverständlich war!
Ich denke aber auch an die Hochwasseropfer vor allem an der Ahr, an die Menschen in Russland, Weißrussland, Hongkong und anderswo, die für mehr Demokratie kämpfen und brutal verfolgt werden. An die Menschen in Afghanistan, in den Dürregebieten Afrikas und jüngst die Hochwasseropfer in Brasilien.
Ja, „un-himmlische“ Momente gab es auch in diesem Jahr wieder mehr als genug.
Wie beides oft sehr vermischt ist, das Himmlische und das Unhimmlische, davon erzählt das Gleichnis Jesu, das uns heute Abend aufgegeben ist.

Wir hören Worte aus dem Matthäusevangelium, Kapitel 13:

Jesus legte ihnen ein anderes Gleichnis vor und sprach: Das Himmelreich gleicht einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte.
Als aber die Leute schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon.
Als nun die Halme wuchsen und Frucht brachten, da fand sich auch das Unkraut.
Da traten die Knechte des Hausherrn hinzu und sprachen zu ihm: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er denn das Unkraut?
Er sprach zu ihnen: Das hat ein Feind getan. Da sprachen die Knechte: Willst du also, dass wir hingehen und es ausjäten?
Er sprach: Nein, auf dass ihr nicht zugleich den Weizen mit ausrauft, wenn ihr das Unkraut ausjätet.
Lasst beides miteinander wachsen bis zur Ernte; und um die Erntezeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, damit man es verbrenne; aber den Weizen sammelt in meine Scheune.
AMEN

 
Liebe Gemeinde, Jesus verwendet ein Bild aus der Natur, aus der Landwirtschaft, das jedem sofort einleuchtet, der einen Garten hat: Da wächst eben neben den Tomaten, den Gurken, dem Salat und den Blumen auch manches, was man nicht unbedingt dort haben möchte. Gewollt ist das Unkraut nicht, auch die schweren Zeiten im Leben sind nicht gewollt, aber sie sind nun einmal da. Im Gleichnis heißt es, dass der „Feind“ für das Säen des Unkrauts verantwortlich ist. Wer dieser Feind ist, das bleibt im Dunklen. Es ist jedenfalls nicht der Hausherr selbst. Das Ungute kommt nicht von Gott. Aber so vieles kann zum Feind werden, der das Unkraut aussät, das, was dem Leben schadet. Das können Menschen sein, die nur an sich denken, ungerechte Strukturen, Pandemien. Jedenfalls gibt es beides: den guten Samen und das Unkraut, das was dem Leben dient und das, was das Leben gefährdet.
Erstaunlich ist nun, wie der Hausherr reagiert. Während die Knechte nach guter Gärtnerart das Unkraut jäten wollen, will der Hausherr, also Gott, beides gleichzeitig wachsen lassen. Er will nicht, dass versehentlich das Gute mit ausgerissen wird. Beim Unkraut aus dem Gleichnis handelt es sich wahrscheinlich um „Taumel-Loch“, oder Schwindelweizen. Das ist eine Grasart, die anfangs wohl leicht mit Weizen verwechselt werden kann, die aber schädlich ist.
So ist es im Leben ja oft: das Gute und das Unkraut stehen oft ganz eng beieinander, so eng, dass man sie oft schwer unterscheiden kann.
Erst wenn die Zeit reif ist, dann werden sie getrennt, dann kann man sie auch gut unterscheiden – denn an ihren Früchten werdet ihr sie erkennen, heißt es in der Bergpredigt. So ist es im Leben: Da heißt es wachsam zu sein, genau hinzuschauen, und nicht voreilig zu entscheiden. Manches muss erst wachsen, um klar erkannt zu werden! Um zu sehen, ob es gut oder schädlich ist.
Dann aber bei der Ernte kommen die Garben auf einen Haufen und das Unkraut auf einen andern.
Aber da ist noch ein anderer Aspekt verborgen: Dann, wenn ich warten kann, so wie der Hausherr es getan hat, wenn ich warten kann, bis das Unkraut tatsächlich getrennt und in Bündel gepackt werden kann, dann habe ich die Chance, dieses Unkraut auch noch anders zu verwerten, als es nur nutzlos wegzuwerfen. Im Gleichnis heißt es dazu, dass man es verbrennen soll. Damit ist aber wohl nicht das Höllenfeuer oder etwas ähnliches gemeint. Sondern damit ist gemeint, dass man das Unkraut als Brennmaterial verwenden kann, denn das war rar im Alten Israel. Damit musste man gut haushalten. So hat dann selbst das Unkraut noch einen Nutzen gefunden – den Menschen zum Nutzen.
Damit soll nun aber nichts schöngeredet werden, Unkraut bleibt Unkraut. Und das was „un-himmlisch“, was schlimm war in diesem Jahr, das bleibt schlimm – die gesellschaftlichen Katastrophen und persönlichen Schicksalsschläge. Und doch lädt uns das Gleichnis Jesu ein im Rückblick, zur Zeit der Ernte und der Trennung zu schauen, ob manches Unkraut nicht vielleicht doch auch einen Nutzen haben kann – und sei er noch so klein. Aber das kann nur jeder für sich selbst sehen und erkennen. Vielleicht kann mich das dann im Rückblick auf dieses Jahr mit manchem versöhnen und manches Unkraut würde eine himmlische Umdeutung erfahren.
Und wenn das so wäre, dann wäre das tatsächlich wie im Himmel.
Schenke uns Gott, dass wir das so erleben dürfen.

AMEN
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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für das Christfest, 25. Dezember 2021
Pfarrer Jochen Maier

 

St. Bartholomäuskirche im Winter
Bildrechte Pfarrgemeinde Sommerhausen/Eibelstadt
Wochenspruch:
"Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns,
und wir sahen seine Herrlichkeit." Joh 1,14a
Predigttext: 1.Johannes 3,1-3

 

 

Liebe Gemeinde,

von Matthias Claudius kennen wir alle wohl das schöne Abendlied „Der Mond ist aufgegangen“. Dieser Matthias Claudius hat in einem anderen Gedicht die Gedanken einer Mutter an der Wiege ihres Kindes beschrieben, und dieses Gedicht habe ich Ihnen heute mitgebracht:
Die Mutter bei der Wiege
Schlaf, süßer Knabe, süß und mild!
Du deines Vaters Ebenbild!
Das bist du, zwar der Vater spricht,
Du habest seine Nase nicht.
Nur eben itzo war er hier
Und sah dir ins Gesicht,
Und sprach: „Viel hat er zwar von mir,
Doch meine Nase nicht.“
Mich dünkt es selbst, sie ist zu klein,
Doch muss es seine Nase sein;
Denn wenn’s nicht seine Nase wär,
Wo hättest du denn die Nase her?
Schlaf, Knabe, was dein Vater spricht,
Spricht er wohl nur im Schert;
Hab immer seine Nase nicht,
Und habe nur sein Herz!
 
Liebe Gemeinde, das ist nun nicht unbedingt ein Weihnachtsgedicht, aber passen tut‘s trotzdem. Was Matthias Claudius da sehr humorvoll beschriebt, das kennen wir doch alle: Wenn ein Kind geboren wird, dann mutmaßen die stolzen Eltern und die ganze liebe Verwandtschaft, wem der neue Erdenbürger denn wohl besonders ähnlich sieht: „Die Ohren – ganz der Papa und die Augen – ganz die Mama!“ Ich denke, das kennen wir. Spätestens in der Pubertät klingt das dann manchmal etwas weniger stolz: „Also dass sie nie ihr Zimmer aufräumt, das hat sie von dir und der Sturkopf, ganz der Opa!“
Auch wenn wir wissen, dass der Nachwuchs selbst das nicht unbedingt schätzt, mit den eigenen Eltern verglichen zu werden, so tun wir das bei unseren Kindern dann doch immer wieder. Wir vergleichen sie mit denen, die vor ihnen da war, weil das eine Verbundenheit ausdrückt. Weil das eben Familie ist, weil Ähnlichkeit zeigt: Ja, wir gehören zusammen. Vielleicht auch, weil wir etwas von uns selbst in ihnen entdecken wollen, etwas, was in ihnen weiterlebt.
Und da kommt nun unser heutiger Predigttext ins Spiel, ein Wort aus dem 1.Johannesbrief: „Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen - und wir sind es auch!“
Wir sollen Gottes Kinder heißen. Das heißt dann aber auch: Man soll in uns etwas vom Vater erkennen. Das wäre schon was, wenn die Leute sich nach uns Christenmenschen umdrehen würden und sagen: „Da schau, ein Gotteskind! Man spürt die Ähnlichkeit! Ganz der Vater!“
Wenn das so wäre, dann sähe die Welt anders aus. Sie wäre weihnachtlicher, sie wäre liebevoller, friedlicher, hoffnungsvoller!
Aber so ist es leider nicht. Und darum stehen diese Zeilen im 1. Johannesbrief:
Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen - und wir sind es auch! Darum erkennt uns die Welt nicht; denn sie hat ihn nicht erkannt.
 
Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen: Wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.“
Wir sind also Gottes Kinder – nur sieht man es uns leider oft nicht an.
Die Welt ist längst nicht so, wie sie sein könnte. „Gott kam in sein Eigentum und die seinen nahmen ihn nicht auf!“ So heißt es am Anfang des Johannesevangeliums, im sogenannten Johannesprolog.
Vielleicht trifft das recht gut die Gefühlslage am Tag nach dem Heiligen Abend: Die Engel haben der Welt eine große Freude verkündet und doch weinen auch heute noch so viele Menschen. Der Himmel singt: „Fürchte dich nicht!“ und doch haben so viele Menschen Angst vor der Zukunft. Wir sind Gottes Kinder aber man sieht es uns oft nicht an.
Niemand dreht sich um und sagt: „Schau ein Gotteskind!“ Ganz der Vater, ganz die Mutter! Viel Ähnlichkeit mit Gott erkennt man an uns wohl nicht. Sonst sähe die Welt anders aus.
Aber ist das nicht eben das, was zum Kindsein auch mit dazugehört? Dass in ihnen vieles schlummert, aber was daraus werden wird, das können wir noch nicht so klar erkennen. Zum Kindsein gehört es, dazu zu lernen. Lernen von denen, die schon weiter sind als ich. Von den Großen. Und es gehört dazu, Fehler zu machen. Kindern verzeihen wir Fehler ja doch viel leichter als den Erwachsenen.
Wenn ein Kind einen Fehler macht, dann verliert es dadurch ja nicht die Liebe der Eltern. Wenn dem so wäre, dann liefe da etwas gehörig schief.
Gott will nichts anderes von uns, als dass wir entdecken, was in uns steckt.
 
Wir sind Gottes Kinder und müssen es nicht erst werden. Gott hat uns Wurzeln geschenkt, die uns Halt geben können. Wir müssen sie eben nur auch leben. Müssen ihnen vertrauen lernen.
So ist es doch auch bei unseren Kindern: Wir wissen nicht, was aus ihnen wird. Aber wir hoffen, dass das, was wir ihnen versucht haben mitzugeben, dass sie das zu straken Menschen macht, die ihren eigenen Weg gehen. Wir wünschen uns, dass sie starke Wurzeln haben, die ihnen die Kraft geben, einen guten Weg zu gehen, weil wir wissen, dass es nicht leicht ist, im Leben zu stehen.
„Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch!“ Gottes Kinder zu sein – das sind die Wurzeln, aus denen wir leben dürfen und leben können. Egal, wer wir sind, egal, welche Möglichkeiten uns das Leben bietet: Wir sind Gottes Kinder. Und das kann uns Halt geben im Leben – auch wenn wir den Halt manchmal nicht sehen.
Der schwedische Dichter und Literaturnobelpreisträger Tomas Transtömer hat für die Sache nach Halt einmal ein sehr schönes Bild verwendet. Er schreibt:
„Uns ergeht es, als wenn das Licht im Treppenhaus ausgeht. Wir stehen im Dunkeln. Unsere Hand greift in die Finsternis, ins Nichts. Findet sie etwas? Findet sie Halt? Plötzlich finden wir das Geländer und das Geländer führt uns Blinde durch das Dunkel ins Licht!“
Ein schönes Bild, finde ich. Gott ist dieses Geländer für uns. In der Dunkelheit des Lebens sehen wir diesen Halt manchmal nicht. Aber er ist da. Als seine Kinder dürfen wir immer wieder zu ihm kommen und dürfen gewiss sein, dass er da ist, dass er Halt gibt und uns ins Licht führt.
Zum Gottes-Kind-Sein gehört es auch, immer wieder von vorn anzufangen. Noch einmal neu zu beginnen. Wir wissen um die Fehler, die wir alle machen – immer wieder. Aber wir wissen auch, dass da einer ist, der die Gotteskindschaft wirklich gelebt hat. Der, dessen Geburt wir heute feiern. Jesus hat uns durch seine Geburt im Stall, durch sein Leben und Wirken gezeigt, wie Gott ist. Nach ihm haben sich die Leute umgedreht und gesagt: Ganz der Vater! Ganz die Mutter!
Wir alle sind davon noch ziemlich weit entfernt. Aber wir sind in ihm verwurzelt und er schenkt uns sein Herz, damit wir lernen, auf seinen Wegen zu gehen, ihm nachzufolgen und den Engeln Glauben zu schenken, die uns sagen, was bis ans Ende der Erde gilt: „Fürchtet euch nicht, denn euch ist heute der Heiland geboren!“

Darauf lasst uns trauen,

AMEN
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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für den Heiligen Abend, 24. Dezember 2021
„Das Friedenskind“ Micha 5,1-4
Pfarrer Jochen Maier

 

St. Bartholomäuskirche im Winter
Bildrechte Pfarrgemeinde Sommerhausen/Eibelstadt

Zu einem Bild von Lorenzo Lotto: „Anbetung der Hirten“

Link zum Bild

 

 

Liebe Heilig-Abend-Gemeinde!

„Guter Hoffnung sein“ – dieser Ausdruck für die Schwangerschaft ist fast untergegangen. Eine Frau ist „guter Hoffnung“, wenn sie ein Kind erwartet – das sagt heute kaum noch jemand. Schade eigentlich, denn mit jedem Kind wird eine neue Hoffnung geboren. Ich habe gelesen, dass im zweiten Coronajahr 2021 die Geburtenrate im März um 10 % gegenüber dem Vormonat gestiegen sei – trotz oder gerade wegen Corona?
Mit jedem Kind jedenfalls wird eine neue Hoffnung auf Zukunft geboren.
Und für das Kind in Bethlehem gilt das in ganz besonderer Weise. Da lesen wir bei Micha im 5. Kapitel:
Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Tausenden in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.
Indes lässt er sie plagen bis auf die Zeit, dass die, welche gebären soll, geboren hat. Da wird dann der Rest seiner Brüder wiederkommen zu den Israeliten. Er aber wird auftreten und sie weiden in der Kraft des HERRN und in der Hoheit des Namens des HERRN, seines Gottes. Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden bis an die Enden der Erde.
Und er wird der Friede sein.
Und er wird der Friede sein. Welch großartige Vision: innerer und äußerer Friede für die ganze Welt. Alles Verlorene und Vergessene wird wieder dazu gehören, aller Streit, aller Unfriede, alle Angst, aller Neid  wird überwunden sein.
Diese Hoffnung hat einen Namen bekommen: Dort in Bethlehem wird die Hoffnung auf Frieden geboren, der Friedefürst kommt zur Welt.
Der Künstler Lorenzo Lotto hat diese Weihnachtshoffnung gemalt. „Anbetung Christi“ heißt das Bild, das Sie und Ihr in Händen haltet. Lotto war ein Maler der Renaissance, um 1480 herum in Venedig geboren. Lange stand er im Schatten seiner berühmten Kollegen, eines Leonardo, eines Michelangelo oder Raffael. In den großen Metropolen Mailand, Florenz oder Rom fand er keine Unterstützer, und so irrlichterte er durch Norditalien von Auftrag zu Auftrag. Einige Jahre hat er in Bergamo gelebt, das ja zu Beginn der Corona-Pandemie traurige Berühmtheit erlangt hat.
Sein Weihnachtsbild hat mich spontan angesprochen, das hat mich berührt.
Da kommt das Friedenskind zur Welt – und es spielt! Wie einen Schnappschuss mit der Kamera hält der Maler diesen besonderen Moment fest. Etwas tapsig vielleicht, aber doch sehr fein und zart patschen die kleinen Hände des Jesuskindes ins Gesicht des Schafes, spüren die weiche Wolle. Das hat so etwas Verspieltes, so etwas Kindlich-Normales. Und das Schaf lässt sich das gefallen. Lammfromm blickt es dem Jesuskind in die Augen.
Einem Kind beim Spielen zuzuschauen, das kann einen für den Moment alles vergessen lassen, was das Leben manchmal schwer macht. Das kann einen verzaubern. Das ist ein Ausdruck von Harmonie und von Hoffnung! Ein Stück heile Welt.
Aber was ist mit der Hoffnung passiert?
Die Hoffnung zu behalten ist für viele gerade in diesem Jahr nicht einfach. Viele leiden unter der Corona-Pandemie – gesundheitlich, wirtschaftlich oder psychisch. Andere waren Opfer der Flutkatastrophe oder litten in anderen Teilen der Welt unter Dürre, Bränden oder Krieg.
Das Leid ist ungerecht verteilt, nichts davon darf schön geredet werden. Das meiste kann man überhaupt nicht „be-reden“, da fehlen die Worte.
Lorenzo Lotto, der selbst kein leichtes Leben hatte und immer wieder mit großen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hatte, er möchte die Hoffnung weitergeben, die Hoffnung auf den Frieden, den das Christuskind in die Welt brachte – allem Unheil zum Trotz.
Zwei Details aus dem Bild sind mir da noch wichtig: Das eine sind die beiden Engel rechts im Bild – einen davon sehen wir vorne im Detail. Dieser Engel schaut mich direkt an und er sagt zu mir: „Fürchte dich nicht!“ und vielleicht spüre ich die sanfte Berührung seiner Hände auf meiner Schulter, so wie bei den Hirten auf dem Bild. „Auch für dich ist der Heiland geboren, das Friedenskind. Auch dir verkündige ich diese große Freude. Lass sie geschehen, lass sie in dein Herz. Lass es einfach geschehen!“

Und dann ist da noch der Esel. Der steht im Hintergrund. Aber der Künstler hat ihm eine besondere Position gegeben. Er steht nämlich in der Tür. Er steht an der Schwelle zwischen drinnen und draußen so als wüsste er, dass der friedliche Moment drinnen im Stall nicht ewig währt. Dass das Friedenskind schon bald fliehen muss und er, der Esel, bereit ist, ihn zu tragen – in die Welt, die auf den Frieden wartet.
Esel und Engel – sie gehören zur Krippe, zur Botschaft von Weihnachten, zur Hoffnungsbotschaft. Egal, wie klein die Krippe ist – die Zukunft Gottes mit uns Menschen fängt klein an: in Bethlehem und in unseren Herzen. Darum hat der Künstler die Mitte des Bildes leer gelassen. Denn das Entscheidende, das für Dich und mich Entscheidende, das muss bei uns geschehen, in unseren Herzen geschehen. „Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, und nicht in dir: Du bliebest doch in alle Ewigkeit verloren.“ So hat es Angelus Silesius formuliert.
Lassen wir es einfach geschehen.
Christ, der Retter ist da!

AMEN
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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für den 2. Advent, 05. Dezember 2021
Pfarrer Jochen Maier

 

St. Bartholomäuskirche im Winter
Bildrechte Pfarrgemeinde Sommerhausen/Eibelstadt
Wochenspruch:
"Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht." Lk 21,28b 
 
Liedpredigt:
„O Heiland, reiß die Himmel auf“ EG 7
1. O Heiland, reiß die Himmel auf,
herab, herab vom Himmel lauf,
reiß ab vom Himmel Tor und Tür,
reiß ab, wo Schloss und Riegel für.
2. O Gott, ein’ Tau vom Himmel gieß,
im Tau herab, o Heiland, fließ.
Ihr Wolken, brecht und regnet aus
den König über Jakobs Haus.
3. O Erd, schlag aus, schlag aus, o Erd,
dass Berg und Tal grün alles werd.
O Erd, herfür dies Blümlein bring,
o Heiland, aus der Erden spring.

 

Liebe Gemeinde,

es ist schon ein paar Jahre her, wir waren damals noch im Ries, aber ich erinnere mich noch genau. Es war ein wunderschöner Sommertag irgendwann vor den Ferien, schön warm, aber nicht zu heiß, genau richtig – strahlend weiß-blauer Himmel, ein Tag, wie gemalt.
Und ich saß in einer Lehrerkonferenz in Nördlingen. So wie derzeit auch, war ich an einer Fachakademie für Sozialpädagogik bei künftigen Erzieherinnen und Erziehern.
Ich unterrichte gerne, das gefällt mir – aber Lehrerkonferenzen gehören nicht unbedingt zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Zumal sich die Konferenz bereits über Stunden hinzog und meine Klassen noch nicht einmal an der Reihe waren.
Mein katholischer Kollege saß neben mir und ihm schien es ähnlich zu gehen. Auch er scharrte mit den Füßen. Ich wurde immer unruhiger und dachte mir, was ich in dieser Zeit alles Sinnvolles hätte tun können. Vielleicht einen Krankenbesuch machen, vielleicht den Schreibtisch aufräumen – oder  - noch besser: Raus in die Natur!
Ich bekam richtig Sehnsucht nach Urlaub! Wir wollten in den Ferien in die Berge und ich stellte mir vor, wie schön es wäre, statt gelangweilt in einem muffigen Klassenzimmer herumzusitzen, eine schöne Wanderung in den Bergen zu unternehmen. Der weite, freie Blick über die Gipfel. Unten im Tal alles ganz klein und weit weg und über einem nur der blaue Himmel- das wär’s gewesen.
Sehnsucht nach Urlaub.
Liebe Gemeinde, ich möchte heute mit Ihnen und Euch ein Lied näher betrachten, das auch voller Sehnsucht steckt. Aber nicht so banal wie bei mir damals die Sehnsucht nach Urlaub, sondern da geht es viel tiefer um die Sehnsucht nach dem letzten Advent Gottes, die Sehnsucht danach, dass Gott endlich kommen möge und zurecht bringen möge, was jetzt hakt und einfach nicht stimmt. Und ich glaube, dass diese Sehnsucht in unseren belastenden Corona-Zeiten lebendiger denn je! Die Sehnsucht, dass es doch endlich wieder normal sein würde, Die Sehnsucht nach einer ganz normale Advents- und Weihnachtszeit, wo man sich nicht bei jeder Begegnung überlegen muss: Wie begrüß‘ ich den oder die, ohne die Hand zu geben? Mit dem Ellbogen, freundliches
Es geht um Sehnsucht und das Lied „O Heiland, reiß die Himmel auf“ von dem wir eben die ersten 3 Strophen gesungen haben, das ist ein Sehnsuchtslied.
Friedrich Spee, eigentlich Friedrich Spee von Langenfeld hat dieses Lied vor ziemlich genau 400 Jahren gedichtet.
Er hatte Sehnsucht. Sehnsucht nicht nach Urlaub, auch nicht nach dem Ende von Corona, sondern Sehnsucht nach Heil. Sehnsucht danach, dass das Leben in Ordnung kommt.
„O Heiland, reiß die Himmel auf!“ So dichtet er und nimmt Bilder auf aus dem Alten Testament. Da heißt es bei Jesaja: „Ach dass du den Himmel zerrissest und führest herab, dass die Berge vor dir zerflössen, wie Feuer Reisig entzündet und wie Feuer Wasser sieden macht, dass dein Name kundwürde..“ (Jesaja 63,19b-
Nimm sie weg, die grauen Nebelschwaden, die uns die Sicht nehmen. Reiß sie auf, die dichten Wolken, die dem ohnehin schon kurzen Tag auch noch das letzte Sonnenlicht rauben.
Reiß Schloss und Riegel weg. Reiß sie weg, diese Corona Pandemie, die Angst vor der Ansteckung und die Sorge um liebe Menschen. Reiß dioe Schranken nieder, die Menschen voneinander trennen.
Friedrich Spee wurde am 25.02.1591 als Sohn eines adligen Amtmannes in Kaiserswerth geboren, das ist heute ein Stadtteil von Düsseldorf. Im Alter von 19 Jahren tritt er gegen den Willen seiner Eltern in den Jesuiten-Orden ein. Er studiert zunächst Philosophie in Würzburg und dann Theologie in Mainz. Dort wird er 1622 zum Priester geweiht. In diesem Jahr entstand unser Lied.
Was ihn geprägt und Zeit seines Lebens umgetrieben hat, das war vor allem die grausame Hexenverfolgung. Als Beichtvater muss er sogar sogenannte Hexen zum Scheiterhaufen begleiten. Er hat mit ansehen müssen, wie selbst Mädchen von nicht einmal neun Jahren verbrannt werden. Er sieht, welcher fanatische Wahn sich da austobt unter dem Deckmantel der Rechtgläubigkeit. Er erkennt welche fadenscheinigen Anklagen da vorgebracht werden. Leidenschaftlich klagt er diese menschenverachtende und grausame Praxis an. Für Friedrich Spee geht das überhaupt nicht zusammen mit dem, was Jesus gelebt und gepredigt hat.
Zudem war Friedrich Spee sozusagen ein Vorkämpfer für die Ökumene – und das mitten im 30-jährigen Krieg. 1629 wird er bei Peine in Niedersachsen von einem Unbekannten verfolgt und fast totgeschlagen. Als katholischer Theologe flieht er zu einem evangelischen Freund, einem Pfarrer und wird von dem gepflegt.
Und später ist es ebenfalls ein evangelischer Prediger, der sein anonym verfasstes Werk gegen den Hexenwahn (Cautio criminalis) aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt.
Weil er so klar und entschieden gegen die Hexenprozesse Stellung bezieht, hat er immer wieder Schwierigkeiten bekommen. Als Friedrich Spee am 7. August 1635 mit gerade einmal 44 Jahren in Trier verstirbt, tobt immer noch der 30-jährige Krieg. Er hatte sich bei der Pflege von Pestkranken und verwundeten Soldaten angesteckt.
Seine Hoffnung und seine Zuversicht aber, seine Sehnsucht, die hat er behalten, bis zuletzt.
Singen wir die Strophen 4-5.
4. Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt,
darauf sie all ihr Hoffnung stellt?
O komm, ach komm vom höchsten Saal,
komm, tröst uns hier im Jammertal.
5. O klare Sonn, du schöner Stern,
dich wollten wir anschauen gern;
o Sonn, geh auf, ohn deinen Schein
in Finsternis wir alle sein.
In den ersten drei Strophen hat Friedrich Spee kraftvolle Bilder verwendet: Reiß ab vom Himmel Tor und Tür - man kann sich das ja plastisch vorstellen, wie die Himmelstür mit großem Getöse aus den Angeln gerissen wird! Wie Gott mit Macht erscheint. Das klingt wie so eine Art Jediritter, der mit seinem Laserschwert alles Böse aus dem Weg räumt.
In den Strophen, die wir nun gesungen haben, da schlägt er leisere, zartere Töne an. „Tröst uns hier im Jammertal!“ heiße es da. Ja, Trost brauchen wir auch in unserem Corona-Jammertal, wo man schon ins Zweifeln kommen kann, ob das jemals wieder besser wird. Trotz allem aber geht es uns heute doch wohl weit besser als Friedrich Spee mitten in den Schrecken des 30-jährigen Krieges, wo marodierende Landsknechte räubernd und brandschatzend durchs Land zogen und keiner seines Lebens sicher war.
Und ich denke trotz allem Belastenden dürfen wir das Schöne und Helle nicht aus dem Auge verlieren:
„O klare Sonn, du schöner Schein!“ Das dürfen wir auch heute schon erleben. Schon heute dürfen wir spüren, dass Gott uns nahe ist – trotz allem. Wir erfahren Momente des Trostes, Augenblicke voller Wärme und Schönheit, die das Leben einfach lebenswert machen.
Nein, das Leben ist nicht nur ein Jammertal. Das ist es manchmal auch – aber nicht immer. Und wir haben die Möglichkeit, vieles zu gestalten. Wir müssen nicht alles hinnehmen, wir können selbst manches tun – im Falle von Corona zum Beispiel, uns impfen zu lassen und umsichtig zu sein.
Jeder und jede ist für sein Leben verantwortlich.
Singen wir nun die Strophen 6+7
6. Hier leiden wir die größte Not,
vor Augen steht der ewig Tod.
Ach komm, führ uns mit starker Hand
vom Elend zu dem Vaterland.
7. Da wollen wir all danken dir,
unserm Erlöser, für und für;
da wollen wir all loben dich
zu aller Zeit und ewiglich.
Haben Sie bemerkt, wie unterschiedlich diese beiden Strophen sind? In der vorletzten, der 6. Strophe schlägt Friedrich Spee noch einmal sehr klagende Töne an: „Ach Gott, da ist so viel Unrecht, so viel Leid. Komm doch endlich zu uns und mach Schluss mit diesem Elend!“

Die 7. und letzte Strophe klingt ganz anders. Sie wirkt befreit und froh. Das ist ein Lobpreis Gottes.
Wer unter dem Lied die Quellenangabe liest, der erkennt, dass diese 7. Strophe gar nicht von Friedrich Spee selbst ist, sondern von einem gewissen David Gregor Corner später angehängt wurde.
Nun kann man darüber streiten, ob diese 7. Strophe zum restlichen Lied passt. Ich glaube schon. Und sie tut gut. Sie ist wie ein Aufatmen. Ja es gibt auch heute schon viel Grund zur Dankbarkeit. Schon heute dürfen wir Gott spüren, dort, wo Menschen einander beistehen, wo sie einander helfen und stützen. Wo Nächstenliebe gelebt wird, wo Hoffnung geweckt wird, da ist Gott spürbar.
Und es bleibt die tiefe Sehnsucht, dass Gott auch zu uns kommt. Das Leid wird nicht einfach verschwinden, so wie Corona nicht einfach verschwinden wird. Aber es gibt Zeichen der Hoffnung und die geben der Sehnsucht Nahrung.
Diese Sehnsucht nach Heil, nach Liebe und Geborgenheit, sie bestimmt den Advent. Die Sehnsucht nach Jesus Christus macht Weihnachten erst zu einem Fest, das es von allen anderen unterscheidet. Ohne diese Sehnsucht ist der Advent leer, aber mit ihr wird Lebensmut lebendig und Freude erfüllt unser Herz.
Tochter Zion, freue dich,
jauchze laut, Jerusalem!
Sieh, dein König kommt zu dir,
ja er kommt, der Friedefürst.
Tochter Zion, freue dich,
jauchze laut, Jerusalem!
 
Darauf lasst uns trauen und davon lasst uns singen.

AMEN
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