Gottesdienste im November 2021


 

Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für den Toten- /Ewigkeitssonntag, 21. November 2021
Pfarrer Jochen Maier

 
Kirche St. Bartholomäus Sommerhausen
Bildrechte: Pfarrgemeinde Sommerhausen/Eibelstadt
 Wochenspruch:
"Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen."  Lk 12,35
Predigttext: Dtn 34,1-8 



 

Und Mose stieg aus den Steppen Moabs auf den Berg Nebo, den Gipfel des Gebirges Pisga, gegenüber Jericho. Und der HERR zeigte ihm das ganze Land: Gilead bis nach Dan und das ganze Naftali und das Land Ephraim und Manasse und das ganze Land Juda bis an das Meer im Westen und das Südland und die Gegend am Jordan, die Ebene von Jericho, der Palmenstadt, bis nach Zoar.
Und der HERR sprach zu ihm: Dies ist das Land, von dem ich Abraham, Isaak und Jakob geschworen habe: Ich will es deinen Nachkommen geben. - Du hast es mit deinen Augen gesehen, aber du sollst nicht hinübergehen.
So starb Mose, der Knecht des HERRN, daselbst im Lande Moab nach dem Wort des HERRN.
Und er begrub ihn im Tal, im Lande Moab gegenüber Bet-Peor. Und niemand hat sein Grab erfahren bis auf den heutigen Tag.
Und Mose war hundertzwanzig Jahre alt, als er starb. Seine Augen waren nicht schwach geworden, und seine Kraft war nicht verfallen.
Und die Israeliten beweinten Mose in den Steppen Moabs dreißig Tage, bis die Zeit des Weinens und Klagens über Mose vollendet war.

 

Liebe Gemeinde,
 
es ist immer gut, ein Ziel vor Augen zu haben! Dann läuft es leichter, dann habe ich eine Richtung, etwas, auf das ich zusteuern kann. Wer mit Kindern wandern geht, der weiß das. Da ist es am besten, wenn man sagen kann: Dort, wo wir hinwandern, da gibt es eine Wirtschaft oder eine Berghütte, da kehren wir ein. Oder wenn es dort für alle ein Eis gibt. Dann läuft es sich noch besser.
Mose hatte auch ein Ziel vor Augen. Er wollte das Volk Israel ins gelobte Land führen. Aus der Sklaverei in Ägypten hat er seine Leute herausgeführt, durch karge Wüstenlandschaften. Not und Entbehrung haben sie erlitten und immer wieder auch Bewahrung. Der Weg war lange und oft auch beschwerlich. Es gab Auseinandersetzungen, Streit, aber es gab auch helle Tage mit Lachen, Tanz und Freude.
Und nun ist Mose fast am Ziel. Aber eben nur fast.
120 Jahre alt ist, so heißt es da. Über die Zahlenangaben in der Bibel ist viel geschrieben und spekuliert worden. 120, das sind 3 mal 40 und 40 ist in der Bibel eine immer wiederkehrende Größe für etwas Abgeschlossenes. 40 Jahre dauerte der Zug durch die Wüste, mit 80 war er zuvor berufen worden, nachdem er 40 Jahre als Schafhirte gelebt hatte: 3 mal 40, drei abgeschlossene Lebensepochen.
Und nun führt Gott ihn auf den Berg Nebo im heutigen Jordanien. Mose schaut hinab ins weite Land und Gott sagt zu ihm: „Das ist das Land, das ich euch versprochen habe. Du hast es mit deinen Augen gesehen. Aber du sollst nicht hinübergehen!“
Letztlich bleibt das Ziele seines Weges unerreicht.
Das ist bitter.
Auch wenn Mose ein ganz besonderer Mensch war, ein Bevollmächtigter Gottes, seine Lebenszeit war doch begrenzt, sein Ende war bestimmt.
So wie auch unserer Lebensspanne und die von denen, die wir lieb haben begrenzt ist.
Dass wir sterben werden, ist todsicher.
Wir wissen das und doch ist es eine Zumutung.
Der Tod ist immer eine Zumutung. Ich merke das schmerzlich bei jedem Trauergespräch, egal wie und in welchem Alter es zum Tod kam.
Mose wird das Ziel seiner langen, seiner jahrzehntelangen Wanderung mit dem Volk Israel nicht erreichen. Er sieht es, aber er kommt nicht mehr dorthin
Das ist Schmerzhaft und doch zugleich auch wunderschön.
Schmerzhaft, weil dieser Lebenstraum unerfüllt bleibt, so wie manche Lebensträume von uns und von denen die wir loslassen mussten unerfüllt bleiben und blieben.
Aber doch zugleich wunderschön, weil Mose nämlich weiß, dass die, für die er gesorgt hat, die werden es schaffen – ohne ihn. Er muss sie ziehen lassen, er muss loslassen, so wie sie ihn loslassen müssen. Und sie, seine Lieben, sie werden dort ankommen.
Das ist doch wirklich etwas Besonderes, etwas Erhabenes: Am Ende des Lebens sehen zu können, dass die, die man liebt, ihren Weg schon machen werden.
Dazu gehört ein ganz großes Stück Demut: Ich muss es nicht vollenden, es geht auch ohne mich. Da kommen andere nach mir, die es weiterführen, vielleicht ganz anders, vielleicht in eine andere Richtung, aber das muss ich ihnen überlassen.
Loslassen zu können ist absolut nicht leicht und absolut nicht selbstverständlich.
Etwas ganz Wesentliches dabei ist natürlich, dass wir überhaupt Menschen haben, die wir von Herzen lieben.
Das ist nicht selbstverständlich, weil sich immer wieder Konflikte ausbreiten, weil Freundschaften zerbrechen, Ehen auseinander gehen und manche daher nur noch oberflächliche Beziehungen führen.
In einem bin ich mir aber sicher: Was bleibt von unserem Leben, das ist nicht das, was wir äußerlich geschafft und geschaffen haben, sondern was bleibt, ist, wie wir zu den Menschen stehen, die uns nahe gewesen sind.
Mose konnte loslassen. Ist ihnen aufgefallen, dass er in dem ganzen Bibelabschnitt, der uns heute aufgegeben ist, kein einziges Wort sagt? Er kann sein Leben vertrauensvoll in Gottes Hände zurücklegen. Ich kann mir vorstellen, dass er gerne noch selbst das gelobte Land betreten hätte.
Aber er hadert nicht. Er vertraut darauf, dass der Weg mit seinem Volk gut weitergehen wird. Es geht auch ohne ihn. Er ist nicht so hochmütig zu glauben, dass ohne ihn eh alles den Bach hinunter geht. Nein.
Er vertraut.
An dieser Stelle hilft der Glaube. Denn Glaube ist Vertrauen. Der Glaube daran, dass Gott mit uns allen einen guten Weg gehen wird – trotz manch dunkler Wegstrecken.
Mose durfte einen Blick tun in die Zukunft und dann umsorgt Gott ihn bei seinem Sterben bis hin zum Begräbnis.
Gott wird hier ganz menschlich, ganz liebevoll gezeigt. Sozusagen als Sterbebegleiter.
Am wichtigsten aber ist, dass diese letzte Schwelle des Todes für uns kein Schlusspunkt ist. Für uns Christen ist sie das nicht.
So beschreibt es ja der Seher Johannes im letzten Bucht der Bibel in kraftvollen Worten:
„Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.
Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!“


Diese Hoffnung über den Tod hinaus kann und will uns Gelassenheit schenken.
Ich muss nicht alles haben, nicht alles erleben nicht alles ausprobieren.
Unser Leben wird fragmentarisch bleiben, unvollendet.
Ich darf es genießen, darf und soll mich des Lebens freuen.
Da ist einer, der uns ganz nahe ist und der die Bruchstücke unseres Lebens zusammenfügen und vollenden kann und wird.
Irgendwann später, auf der anderen Seite des Lebens.
Darauf zu vertrauen, darauf kommt es an.
Gott kommt uns nahe, auch in den dunklen Stunden der Trauer.
Er will sie mit seinem Licht erhellen – das feiern wir in den kommenden Sonntagen des Advents,
Und er will in uns Lichter der Hoffnung entzünden. Lichter, die uns trösten für die Lieben, die von uns gegangen sind, aber auch für uns selbst.
Gott ist mit uns, mit seiner Liebe und seiner Macht.
Darauf lasst uns trauen.

AMEN
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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für den vorletzten Sonntag des Kirchenjahres - Volkstrauertag, 14. November 2021
Pfarrer Jochen Maier

 
Kirche St. Bartholomäus Sommerhausen
Bildrechte: Pfarrgemeinde Sommerhausen/Eibelstadt
Wochenspruch:
"Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi." 2. Kor 5,10a
Predigttext: 2.Korinther 5,1-10 



 

„Wir wissen ja: Unser Zelt in dieser Welt wird abgebrochen werden. Dann erhalten wir von Gott ein neues Zuhause. Dieses Bauwerk ist nicht von Menschenhand gemacht und wird für immer im Himmel bleiben. Darum seufzen wir und sehnen uns danach, von dieser himmlischen Behausung gewissermaßen umhüllt zu werden. Wir werden nicht nackt dastehen, wenn wir einmal unser Zelt in dieser Welt verlassen müssen. Doch solange wir noch in dem alten Zelt leben, stöhnen wir wie unter einer schweren Last. Wir würden diese Hülle am liebsten gar nicht ausziehen, sondern die neue einfach darüberziehen. So könnte das, was an uns vergänglich ist, im neuen Leben aufgehen. Auf jeden Fall hat Gott selbst uns darauf vorbereitet. Er hat uns als Vorschuss auf das ewige Leben seinen Geist gegeben.
So sind wir in jeder Lage zuversichtlich. Wir sind uns zwar bewusst: Solange wir in unserem Körper wohnen, leben wir noch nicht beim Herrn. Unser Leben ist vom Glauben bestimmt, nicht vom Schauen dessen, was kommt. Trotzdem sind wir voller Zuversicht. Am liebsten würden wir unseren Körper verlassen und beim Herrn leben. Deswegen ist es für uns eine Ehrensache, ihm zu gefallen. Das gilt, ob wir schon zu Hause bei ihm sind oder noch hier in der Fremde leben. Denn wir alle müssen einmalvor dem Richterstuhl von Christus erscheinen. Dann bekommt jeder, was er verdient. Es hängt davon ab, ob er zu Lebzeiten Gutes oder Böses getan hat.“

 
Liebe Gemeinde,
 
das ist schon ein eindrucksvolles Bild, mit dem der Apostel da an die Zerbrechlichkeit des Lebens erinnert: „Unser Zelt in dieser Welt wird abgebrochen werden“. Er vergleicht unser irdisches Leben mit einem Zelt, oder wie es in der revidierten Lutherübersetzung heißt: einer Hütte.
Das Bild vom Zelt gefällt mir allerdings besser, ist auch näher am Urtext.
Früher, als Jugendlicher, als ich noch bei den Pfadfindern war, da waren wir oft und gerne Zelten, das hatte etwas Abenteuerliches, den Geschmack von Freiheit und Unabhängigkeit. Einfach seine sieben Sachen zusammenpacken und weiterziehen, wenn es einem nicht mehr gefällt. Dorthin, wo es schön ist.
Abends unterm Sternenhimmel am Lagerfeuer sitzen, jemand packt seine Gitarre aus… Lagerfeuerromantik pur.
An einem schönen Sommertag ist das großartig.
Aber jetzt im November? Wenn der Regen kommt, der Schlafsack nicht mehr richtig trocknet und es vom Boden her kalt wird, dann hört die Romantik schnell auf. Dann sehnt man sich nach der warmen Stube und dem kuschligen Federbett.
Oder ich denke an die Menschen im Ahrtal, die durch die Flutkatastrophe ihr Zuhause verloren haben und zunächst in Zelten untergebracht waren, bevor sie etwas anderes fanden. Für die war das Zelt eine Notunterkunft.
Oder die vielen vielen Menschen, die in primitiven Flüchtlingslager ausharren müssen – monate- oder sogar jahrelang! Menschen, die nicht zurück können, weil ihre Heimat zerstört ist, oder weil dort Gewalt und Terror regieren. Oder weil sie oft genug um ihres Glaubens willen verfolgt und vertrieben wurden.
Unser Leben ist wie ein Zelt, sagt Paulus. Manchmal fühlen wir uns wohl in unserer Haut, genießen das Leben, sind froh und zufrieden und manchmal fühlen wir uns wie in einer Notunterkunft, beengt und bedrückt von Sorgen und Problemen. Manchmal riecht das Leben nach Aufbruch und Abenteuer und manchmal wird unser Lebenszelt ganz ordentlich gebeutelt von Wind und Wetter.
Eines aber ist gewiss: Am Ende wird unser Lebenszelt abgebaut oder eingerissen, unser Leben wird einmal enden.
Heute, am Volkstrauertag, erinnern wir uns in besonderer Weise an diejenigen, deren Leben durch Krieg und Terror ein gewaltsames Ende gefunden hat – hier bei uns und in so viele Teilen dieser Welt. Auch wenn die Zahl derer, die die Schrecken des Krieges selbst erlebt habt, von Jahr zu Jahr kleiner wird, so hat dieser Volkstrauertag doch eine bleibende Bedeutung – vielleicht wird er sogar immer wichtiger, denn dass der Friede, der innere und der äußere Friede nicht selbstverständlich ist, das erleben wir ja nur allzu deutlich.
Der Volkstrauertag will unseren Blick schärfen für das Unrecht in der Welt und will unsere Achtsamkeit für den Frieden stärken. Er mahnt uns, die vielen Opfer niemals zu vergessen. Denn sie zu vergessen, das hieße, sie nochmals sterben zu lassen. Wir erinnern uns daher heute auch der jüdischen Mitbürger, die es einst auch hier in Sommerhausen gab und die dem nationalsozialistischen Terror zum Opfer fielen. Die Erinnerung an sie ist eine eindringliche Warnung vor neu aufkeimendem rechtsradikalem Gedankengut!
Aber die Mahnung zur Wachsamkeit ist nicht die einzige Botschaft dieses Tages, sondern der Apostel bekennt klar und deutlich, dass der Tod eben nicht das letzte Wort hat.
Nicht der Tod hat das letzte Wort, sondern Gott hat es.
Gott verheißt uns nicht das Ende, sondern seine Ewigkeit, nicht Vernichtung, sondern Erneuerung. Dem irdischen Zelt, der irdischen Hütte stellt Paulus das himmlische Haus gegenüber. Auch wenn unser Zelt hier abgebrochen wird, bei Gott haben wir eine Bleibe über den Tod hinaus.
Ein Zelt ist immer etwas Vorläufiges, etwas Provisorisches. Ein Haus dagegen steht für Dauer. Es bietet Schutz und Geborgenheit. Und darum geht es. Dabei ist das ewige Leben bei Gott nicht einfach eine Verlängerung dessen, was wir hier sehen und erleben. Es geht nicht einfach weiter wie bisher. Das ewige Leben ist nicht einfach eine Fortsetzung des irdischen Lebens unter anderen Vorzeichen, auf einer anderen Ebene. Das, was die Bibel als „Ewigkeit“ beschreibt, das ist etwas Neues.
Der große Theologe Karl Barth, der soll einmal von einer frommen alten Frau gefragt worden sein: „Gell, Herr Professor, im Himmel, da werden wir all unsere Lieben wiedersehen?“
Karl Barth hat kurz überlegt und dann geantwortet: „Ja, bestimmt sehen wir alle unsere Lieben da wieder – aber die anderen auch!“
Ja, wie es da sein wird bei Gott in seiner Ewigkeit, wen wir da treffen werden, das wissen wir nicht und das brauchen wir auch nicht zu wissen.
Das dürfen wir getrost Gott überlassen.
Aber dass da noch etwas kommt. Dass der Tod nicht das Ende ist, dass er kein Schlusspunkt ist, sondern ein Doppelpunkt, das ist für Paulus genauso sicher, wie der Tod selbst.
Gott denkt an uns. Er gedenkt derer, die wir loslassen mussten, er gedenkt der Opfer der Weltkriege, er gedenkt jedes einzelnen Menschen und sei er noch so scheinbar unbedeutend. Gott gedenkt auch derer, die Unrecht und Gewalt, Terror und Tod ausgesetzt sind.
Das bedeutet aber auch, dass kein Unrecht vergessen und unter den Teppich gekehrt wird. Auch wer der menschlichen Justiz vielleicht durch geschicktes Taktieren und Verhandeln entgehen kann, vor dem Richterstuhl Christi wird nichts vergessen.
„Denn wir alle müssen einmal vor dem Richterstuhl von Christus erscheinen. Dann bekommt jeder, was er verdient. Es hängt davon ab, ob er zu Lebzeiten Gutes oder Böses getan hat.“ So schreibt Paulus am Ende.
Kein Menschenleben ist bei Gott verloren. Und Paulus meint das ganz individuell, ganz persönlich: Wir gehen nicht in einer großen Weltseele auf, sondern er gebraucht das Bild vom „Überkleiden“: Dadurch, dass ich etwas anderes anziehe, werde ich noch lange kein anderer Mensch – Kleider machen Leute, sagt man, aber wenn einer ein Lump ist, wird durch einen feinen Anzug noch lange kein besserer Mensch! Auch wenn nach dem Tod alles neu werden wird, auch wenn wir neu bekleidet werden, wie Paulus schreibt, wir bleiben doch dieselben. Unsere Identität, unsere Seele, unser Personenkern, das, was uns im Innersten ausmacht, das wird von Gott bewahrt. „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!“ Was uns in der Taufe zugesagt wird, das gilt über den Tod hinaus. Darauf lasst uns trauen, im Leben und im Sterben.

AMEN
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