Gottesdienste Januar - März 2022

 

Gottesdienst  
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für den Sonntag Lätare, 27. März 2022
Pfarrer Jochen Maier

 

Kirche St. Bartholomäus Sommerhausen
Bildrechte: Pfarrgemeinde Sommerhausen/Eibelstadt
Wochenspruch:
"Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein;
wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht." Joh 12,24
Predigttext: 2.Kor.1,3-7

 

Liebe Gemeinde,
 
es war Ende letzten Jahres, da rief mich eine gute Bekannte aus unserer ehemaligen Gemeinde an und fragte mich, ob ich nicht irgendeinen trostvollen Spruch für sie hätte. Der Mann einer guten Freundin sei ganz plötzlich verstorben und sie wolle ihr nun etwas Trostvolles sagen oder schreiben.
Und so wandte sie sich an mich.
Aber wie geht das, jemanden trösten? Wie macht man das? Was kann man da sagen, was kann man tun?
In unserem heutigen Predigtwort macht Paulus genau das zum Thema. Er spricht von Gott, dem Vater aller Barmherzigkeit, wie er ihn nennt, den, von dem aller Trost ausgeht.

Hören wir Verse aus dem 2. Korintherbrief:

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, der uns tröstet in aller unserer Bedrängnis, damit wir auch trösten können, die in allerlei Bedrängnis sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott.
Denn wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus.
Werden wir aber bedrängt, so geschieht es euch zu Trost und Heil; werden wir getröstet, so geschieht es euch zum Trost, der sich wirksam erweist, wenn ihr mit Geduld dieselben Leiden ertragt, die auch wir leiden.
Und unsre Hoffnung steht fest für euch, weil wir wissen: Wie ihr an den Leiden teilhabt, so habt ihr auch am Trost teil.
AMEN
 
Wenn wir tiefen Schmerz haben, dann brauchen wir die anderen. Das weiß der Apostel. Dann brauchen wir jemanden, der einfach vorbeikommt und Zeit hat.
Jemand, der zuhören kann, einfach nur zuhören. Und der dann vielleicht auch ein gutes Wort sagt.
Jemand, der trösten kann. Ich glaube, das braucht jeder irgendwann einmal.
Im Normalfall kann sich keiner selbst trösten. Das funktioniert nicht. Zwar sagen wir manchmal: „Ich habe mich mit etwas getröstet!“ Wenn sich jemand aus Frust etwas gönnt, etwas kauft, sich in die Arbeit flüchtet oder in eine neue Beziehung, weil die alte zerbrochen ist, wie auch immer. Manche versuchen den Kummer und die Sorgen mit Alkohol zu ertränken, aber das klappt nicht. Von Heinz Rühmann stammt der Spruch: Sorgen ertrinken nicht im Alkohol – sie können schwimmen!  
Man kann alles Mögliche anstellen, nur sich selbst trösten, das kann man meist nicht. Schon wenn ich einen Gedichtband aufschlage oder eine CD einlege, lasse ich mich von den Worten oder der Musik eines anderen trösten.

Also: Wie macht man das – trösten?

Am leichtesten kann der trösten, der weiß, wie es uns ums Herz steht. Der vielleicht etwas Ähnliches durchgemacht hat und selbst Trost gefunden hat. Darum sind unsere Friedhöfe auch Trostorte, weil sich da oft Menschen treffen, die ähnliches erlebt haben.
Trösten kann, wer da ist, wenn wir ihn brauchen und unaufgefordert geht, wenn wir wieder allein sein möchten.
Trösten kann, wen ich noch spät in der Nacht anrufen kann, wenn ich es allein nicht mehr aushalte.
Trösten kann jemand, der zuhören kann, auch wenn wir uns wiederholen, auch wenn sich unsere Gedanken im Kreis bewegen.
Jemand, der es aushält, wenn wir lange schweigen. Der es aushält, wenn es wieder mit ganzer Kraft aus uns herausbricht.
Jemand, der das richtige Wort zu sagen hat. Also keine platten Floskeln wie: „Kopf hoch, das wird schon wieder…“. Keine nachträglichen Vorwürfe nach der Art von: „Ich habe das ja schon immer kommen sehen…“ oder allgemeine Weisheiten.
Wenn wir uns wirklich auf den anderen und sein Leid einlnnassen, dann werden uns hoffentlich auch die richtigen Worte gegeben. So jedenfalls stellt es uns Jesus in Aussicht. Worte, die von Herzen kommen und zu Herzen gehen – auch und gerade wenn es ganz einfache Worte sind, die nur zögernd und unbeholfen ausgesprochen werden.
Worte, die glaubhaft sind und ehrlich, die davon Zeugnis geben, dass nicht alles aus ist, dass es trotz allem eine Hoffnung gibt.
Worte, die auf etwas zurückgreifen, das größer ist als unser Herz und Verstand. Paulus sagt: „Unsre Hoffnung steht fest für euch, weil wir wissen: Wie ihr an den Leiden teilhabt, so habt ihr auch am Trost teil.“
Zum Getröstetwerden gehört das Erleben: Ich bin nicht allein! Da gibt es jemand, der auf dem Weg durch raues Gelände bei mir ist und bei mir bleibt, komme was wolle.  
Menschen, die bei mir sind – und vor allem Gott, Jesus Christus, der selbst das tiefste Leid erlitten hat.
Wo Menschen unsere Einsamkeit aufbrechen mit uns auf unserem Lebensweg unterwegs sind, da haben wir es mit Gottes Trost zu tun. Das ist doch die Kernbotschaft des Evangeliums schlechthin, dass Jesus Christus der „Immanuel“ ist, der Gott, der bei uns ist.  
Trotz allem und in allem. Einfach da – für uns. Nicht immer einfach zu greifen und zu begreifen. Manchmal nur zu erahnen, aber das hat er uns versprochen.
Der Trost, der uns erreicht und uns aufhilft und durchhilft durch schwere Zeiten, der ist oft ganz konkret. Bei Paulus war es sein Freund und Gefährte Titus, der ihn besucht hat in schwerer Zeit. Und bei den Korinthern war es eben dieser Brief, den Pauls an sie geschrieben hat und der Gemeinde durch turbulente Zeiten hindurchgeholfen hat und sie getröstet hat.
Und bis heute kann das, was Menschen Trost spenden, sehr unterschiedlich aussehen. Jemand, der schweigend bei mir sitzt und mich festhält, so dass ich spüre: Ich bin nicht allein.  
Ich selbst habe in ganz lebendiger Erinnerung, wie es war, als vor zehn Jahren mein Bruder starb, zu dem ich ein sehr enges Verhältnis hatte. Da kamen zwei gute Freunde vorbei und wir saßen zusammen. Viel gesagt haben sie nicht, zumindest weiß ich das nicht mehr. Aber es tat gut, dass sie da waren und ich habe erzählt und geschweigen und wieder erzählt. Und das war trostvoll für mich damals.
Jemand hat mir mal erzählt, wie er in schwerer Zeit ein altes, abgewetztes Kuscheltier hervorgekramt hat, das ihn daran erinnert hat, wie die Eltern ihn früher als Kind getröstet haben. Wie sie ihm gezeigt haben: „Du bist geliebt!“
Bei jemand anderem ist es vielleicht die Nachricht einer Freundin auf dem Handy, die zeigt: Da denkt jemand an mich, da ist jemand für mich da!
Gott tröstet Menschen, und getröstete Menschen trösten ihrerseits trostlose Menschen. Es geht immer weiter, und Trost breitet sich aus.
Aber das Trösten braucht Zeit und auf der Seite dessen, der getröstet wird, da braucht es Geduld, um ans Ziel zu kommen. Trost lässt sich nicht anknipsen, wie ein Lichtschalter, sodass der Raum, der eben noch dunkel war, plötzlich hell erleuchtet ist.
Das Trösten und Getröstetwerden ist eher wie das Wachstum eines Baumes. Der Same wird in die Erde gelegt, keimt und braucht Zeit, um zu wachsen und groß zu werden. Paulus sagt: „Wie ihr an den Leiden teilhabt, so habt ihr auch am Trost teil.“
Die Bekannte aus unserer alten Gemeinde, die mich da um einen trostvollen Spruch gebeten hatte für ihre trauernde Freundin, der konnte ich kein immergültiges Rezept geben. Keinen festen Fahrplan für den Trost. Es gibt keine Worte, die immer passen, keinen Trost, den man schnell mal aus der Tasche ziehen kann. Ich habe ihr geraten, zur trauernden Freundin hinzugehen und einfach dazusein. Das Schwere auszuhalten.  
Paulus sagt: Denn wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus.
Getröstet durch Jesus Christus – Gott tröstet mich. Manchmal direkt mit seinen Worten, manchmal durch andere, die seinen Trost zu mir tragen. Darauf lasst uns trauen.

AMEN
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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für den Sonntag Sexagesimae, 20. Februar 2022
Pfarrer Jochen Maier

 

Kirche St. Bartholomäus Sommerhausen
Bildrechte: Pfarrgemeinde Sommerhausen/Eibelstadt
Wochenspruch:
"Heute, wenn ihr seine Stimme hört, so verstockt eure Herzen nicht." Hebr. 3,15
Predigttext: Hebräer 4,12+13
 
„Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist,
auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.
Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft geben müssen.“


 

Liebe Gemeinde,
 
ich möchte Ihnen und Euch heute von André erzählen.
André ist ein hoffnungslos verschuldeter Kleinganove in Paris. Er hat Schulden bei seinem Boss, mehrere 10Tausen Euro haben sich da angehäuft und der Boss ist nicht gerade zimperlich. Er will sein Geld zurück und zwar sofort. Als André keinen anderen Ausweg mehr sieht, will er von einer Brücke in die Seine stürzen und sich das Leben nehmen. Aber kurz bevor er springt schaut er zur Seite und entdeckt er auf einem Pfeilervorsprung eine schöne blonde Frau, die offensichtlich dasselbe vorhat, wie er. Als die Frau springt, springt er hinterher und rettet sie aus dem Wasser. So erzählt es jedenfalls ein französischer Spielfilm von Luc Besson.
Und dann nimmt die Geschichte ihren Lauf. Angela, so heißt die schöne Blonde, entpuppt sich nämlich als Engel, vom Himmel gesandt, um André zu retten. Das erweist sich aber als sehr schwierig, denn André glaubt nicht an Engel und er glaubt vor allem auch nicht an sich selbst.
 
Aber Angela lässt nicht locker. Mit klaren Worten konfrontiert sie ihn mit seinem eigenen verkorksten Leben. Ihre Worte sind scharf, messerscharf und sie decken auf, was André immer versucht hat irgendwie zu beschönigen oder zu vertuschen. Was er einfach nicht wahrhaben will, dass er nämlich ziemlich viel verbockt hat in seinem Leben. Aber der Engel Angela stößt ihn auch auf den eigenen guten Kern, die Herzensgüte und die Sanftmut, die ihn eigentlich ausmacht, tief drinnen, die aber von den Gaunereien überlagert wurde. Sie hilft ihm zu sich selbst.
Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen Gottes, dem wir Rechenschaft geben müssen.
Es gibt Situationen, da braucht es deutliche Worte. Da hilft es nicht, um den heißen Brei herumzureden. Da hilft es nicht, etwas schönzureden. Die Propheten des Alten Testaments, ich denke vor allem an Jesaja, Jeremia, Hosea und Amos, sie haben immer wieder Klartext geredet. Sie haben Unrecht schonungslos beim Namen genannt, haben Heucheleien aufgedeckt und klare Kante gezeigt. Sie haben sich dadurch nicht unbedingt beliebt gemacht, denn sie haben den Herrschenden die Stirn geboten, ohne Rücksicht auf die Folgen für sich selbst.
Ich denke aber auch an moderne Propheten, an einen Dietrich Bonhoeffer, der ja in der Zeit des Nationalsozialismus das Unrecht beim Namen nannte und Hitler schon zwei Tage nach der Machtergreifung im Radio als Verführer bezeichnet hatte. Ich denke an eine Anna Politkowskaja, die russische Journalistin, die Unrecht anprangerte oder viele viele andere. Die beiden Genannten haben ihren Mut mit dem Leben bezahlt.
„Das Wort Gottes ist lebendiger und kräftiger und schärfer als jedes zweischneidige Schwert.“ Das kann dir aber auch heute passieren, mitten im Alltag. Stellen wir uns vor: Da ist ein Familienvater, nennen wir ihn Peter. Seine Tochter Lea ist 15. Peter sitzt mit einem guten Freund eines Abends zusammen im Biergarten.
 
Sie reden über Belangloses. Aber schließlich traut sich Peter ans Eingemachte. Er erzählt von den Schwierigkeiten, die sie daheim mit ihrer Tochter haben. Schwierig war sie schon immer, erzählt Peter, aber in letzter Zeit, da sei es kaum auszuhalten. Sie höre nicht, wenn die Eltern etwas sagen, in der Schule gäbe es Probleme und immer wieder käme es zu richtigen Wutanfällen. „Da rastet sie regelrecht aus.“ Erzählt Peter. Neulich habe sie sogar den PC auf den Boden geschmissen, nur weil er, der Vater, den nach der dritten Ermahnung einfach ausgeschaltet habe. Da sei sie völlig ausgerastet.
Als Peter zu Ende erzählt hat, herrscht zunächst Schweigen. Dann fragt ihn sein Freund ganz ruhig: „Was magst Du an Deiner Tochter Lea?“
Eine kurze einfache Frage nur, aber sie geht Peter durch Mark und Bein. Sie schneidet ihn tief ins Innere hinein. Peter fühlt sich ertappt und durchschaut. Ihm fällt nichts ein. Nichts, was er an seiner Tochter mag. Er schämt sich dafür und verabschiedet sich schnell von seinem Freund.
„Was magst Du an Deiner Tochter Lea?“ Eine Frage, die auf den ersten Blick gar nicht scharf wirkt, aber sie lässt den Vater nicht los, sie wühlt ihn auf. Er spürt: „Da ist etwas schiefgelaufen, und das nicht erst gestern.“ Und er spürt auch: Er kann die Schuld nicht nur auf seine Tochter abwälzen. Das Problem liegt tiefer. Er selbst hat seinen Teil dazu beigetragen. Mit ihren Wutanfällen hatte die Tochter an der Fassade der heilen Familie gekratzt. Er hatte versucht, die heile Familie zu retten, indem er die Tochter zurechtgewiesen hat, immer wieder. Aber das hat nicht funktioniert. In seinem Innersten entdeckte er seine eigene Schuld. Er fühlte sich in den Grundfesten erschüttert.
Ein paar Tage danach kommt dann der Freund zu Besuch und die beiden haben ein wirklich gutes und offenes Gespräch. Peter spürt, dass der andere ihn nicht verurteilt, ohne Scham kann er mit ihm reden. Zum ersten Mal seit langer Zeit spürt er wieder eine Verbindung zu seiner Tochter. Und schließlich sagt der Freund zu ihm: „Peter, du kannst neu anfangen!“ Das ermutigt ihn, lässt ihn den Boden unter den Füßen sehen und so kann er den nächsten Schritt tun, hin zu seiner Tochter. Den Schritt nach vorne.
In unserem Predigtwort aus dem Hebräerbrief geht es ja nun nicht um ein Menschenwort, sondern um das Wort des lebendigen Gottes. Aber Gottes Wort begegnet uns meist in menschlicher Gestalt. Manchmal sogar in ganz alltäglichem Gewand.
Es ist oft tröstlich und wohltuend und erbauend, aber immer wieder ist es eben auch „lebendiger und kräftiger und schärfer als jedes zweischneidige Schwert.“ Manchmal braucht es diese Schärfe, auch wenn sie oft schwer zu ertragen ist.
Entscheiden ist ja, wer so zu uns redet. Es ist eben kein unbarmherziger Richter, dem unser Schicksal gleichgültig ist, sondern es ist der gnädige Vater, der unser Leben fördern möchte, an den wir uns klammern können, auch wenn Misstrauen unser Herz frisst. Ihm können wir alles, wirklich alles anvertrauen. Zu ihm können wir auch mit dem kommen, was tief in unserem Herzen vergraben ist. Mit liebevollen Augen schaut er in unser Herz und sieht alles, was drinnen ist. Und er hält uns aus, bleibt bei uns und liebt uns. Im Angesicht Gottes und durch sein Wort trennt sich das Wichtige vom Unwichtigen, das Lebensnotwenige vom Überflüssigen.
André, der kleine Ganove aus dem französischen Film, der hat das in der Begegnung mit Angela, dem Engel erlebt. Angela musste sehr beharrlich sein. Sie gab nicht auf. Er dauerte lange, bis André die Wahrheit über sich akzeptiert hat. Und die Wahrheit heißt: „Du wirst geliebt und du kannst lieben!“ Als André das erkennt, kehrt sich alles um. Angelas Mission ist beendet. Sie muss zurück in den Himmel. Am Ufer der Seine wachsen ihr Flügel. Sie wird auch äußerlich zum Engel und macht sich zum Rückflug bereit. Doch André will sie nun nicht mehr loslassen. Er klammert sich an sie, wird von ihr mit in die Luft getragen. Sie will ihn abschütteln. Er lässt sie nicht los. Seine Liebe will den Engel auf die Erde zurück holen. Sie drohen beide abzustürzen. Doch am Ende geht es gut aus. Der Engel bleibt bei ihm.

AMEN
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Gottesdienst  
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für Sonntag Septuagesimae, den 13.02.2022
Pfarrerin Irene Maier

Kirche St. Bartholomäus Sommerhausen
Bildrechte: Pfarrgemeinde Sommerhausen/Eibelstadt

 

Wochenspruch:
„Wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsre Gerechtigkeit,
sondern auf deine große Barmherzigkeit.“ Daniel 9, 18

Predigttext: Jeremia 9, 22-23
So spricht der HERR: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums.
Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der HERR.

 
Liebe Gemeinde!
 
Wenn man das so hört, dann kann man zunächst innerlich nicken und zustimmen: „Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums.“ Das klingt eigentlich nicht schlecht, das klingt nach christlicher Demut. Und viele von uns wissen von Kindesbeinen an, dass Angeber unbeliebt sind.
Da sitzen in der Schule Kinder im Stuhlkreis und erzählen sich gegenseitig vom zurückliegenden Wochenende. Ein Kind fängt an und beschreibt mit leuchtenden Augen und voller Begeisterung ein ganz besonderes Erlebnis. Dann braucht ein anderes Kind nur zu sagen: „Gib nicht so an!“ und schon ist die Luft raus beim Erzählen.
Und spätestens jetzt weiß dieses Kind: Ich sollte mich lieber zurückhalten, sonst gelte ich als Angeber. Und Angeber sind unbeliebt.
Eigentlich schade, denn was gibt es Schöneres als von einem Erlebnis begeistert zu erzählen? Gerade die Höhepunkte machen doch unser Leben besonders reich und geben ihm ein besonderes Gewicht.
Sich selbst lieber bescheiden zurückhalten, ist das wirklich eine Haltung, die uns Jeremia mit seinen Worten nahelegen will. Ist solch eine Haltung denn erstrebenswert?
Im Gegensatz dazu machen wir doch immer wieder die Erfahrung, dass es Situationen gibt, da ist es äußerst wichtig, dass ich meine eigenen Fähigkeiten und Qualitäten nicht unter den Scheffel stelle. Da kommt es sogar darauf an, dass ich sie richtig präsentiere. Bei Bewerbungsgesprächen z.B. da gehört doch die Frage, „Wo sehen Sie Ihre Stärken und wo Ihre Schwächen?“ zum Standard. Und wenn dann einer bei den Stärken nichts zu sagen hat, dann hat er wohl kaum eine Chance auf die Stelle. Leben wir dann heutzutage eher nach dem Motto: „Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr!“
Was aber sollen wir dann mit den Worten des Propheten Jeremia anfangen? Einfach weg damit. Ablegen unter die Rubrik: “Nicht mehr zeitgemäß“?
Nun, schauen wir doch einmal genau hin, was da eigentlich gemeint ist! „Sich rühmen“, was heißt das?
In den Psalmen ist immer wieder davon die Rede, dass Gott gerühmt und gepriesen werden soll. Ihn sollen wir loben und preisen. „Meine Seele soll sich rühmen des Herrn!“ heißt es z.B. in Psalm 34.
 Aber sich selbst rühmen? Das klingt doch sehr nach „angeben“ nach „protzen“. Das klingt nach irgendwelchen seichten Reality-Soaps im Privatfernsehen, danach, dass einer auf Instagram möglichst viele „likes“ sammelt. Was bin ich nicht für ein prima Typ.
Es ist ein entscheidender Unterschied, ob jemand mit einem gesunden Selbstbewusstsein auftritt oder ob jemand prahlt. Wenn Jeremia hier sagt, dass wir uns unserer Stärke, unserer Weisheit und unseres Besitzes nicht rühmen sollen, dann heißt das nicht, dass wir alle als kleine graue Mäuschen durch die Welt schleichen müssen. Wer etwas kann, wer etwas geleistet hat, der darf sich auch daran freuen. Er braucht sein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen, wie es ja auch in der Bergpredigt Jesu heißt.
Wenn eine Oma mit Stolz erzählt: „Ich glaube, ich bin eine gute Oma. Die Enkel kommen gern zu mir, sie vertrauen mir und erzählen ganz unbekümmert, was sie so erleben und was sie beschäftigt!“ Warum sollte sie dieses Glück denn verschweigen? Wir dürfen uns freuen, wenn uns etwas gelungen ist und auch davon erzählen. Problematisch wird das Ganze erst, wenn es auf Kosten anderer geschieht.
Und genau das geschieht, wenn ich damit prahle, dass ich größer und stärker und besser bin als andere, dann ist das Angeberei. Dann versuche ich mich über andere zu erheben, dann rücke ich mich selbst ins Licht indem ich andere in den Schatten stelle. Und das soll nicht sein.
Natürlich ist da der Übergang fließend. Das macht die Sache so schwierig. Da bleibt mir nichts anderes übrig, als mich immer wieder neu selbst zu prüfen.
Der Prophet Jeremia gibt uns da ein Rezept an die Hand. Er schreibt uns so zusagen ins Stammbuch: Vergiss Gott nicht über alledem. Vergiss nicht, dass alles, was du bist und hast dir von Gott anvertraut ist. Es geht letztlich um die Frage, worauf ich mein Leben baue und worauf ich mich im Letzten unbedingt verlassen kann und will.
Gerade das zeigt doch menschliche Größe, dass ich auch zu meinen Fehlern und Begrenzungen stehen kann. Ich brauche nicht alles zu können. Wenn mir etwas fehlt, dann darf ich wissen, andere sind auch fähig und wir können es gemeinsam schaffen. Gott will keine Einzelkämpfer, er will ein Miteinander.
Wenn ich meine Grenzen sehe und akzeptiere, dann kann ich leichter und gelassener leben. Dann brauche ich mich nicht vor anderen aufzuspielen, denn ich weiß: Gott hat jedem von uns Gaben und Fähigkeiten mit auf den Lebensweg gegeben – aber er hat uns auch Grenzen gesteckt. Und das ist gut so Vergiss Gott nicht über alledem, ermahnt uns Jeremia.
Es gibt Situationen da zählen Weisheit, Stärke und Reichtum nämlich gar nichts mehr. Da ist ein älterer Herr im Krankenhaus umgeben von besten Ärzten, die sich um ihn bemühen und nun eine schwere Operation an ihm durchführen wollen. Nach all den Voruntersuchungen sagt er ganz ruhig zur Klinikseelsorgerin: "Die Ärzte machen das hier sehr gründlich. Sie geben sich viel Mühe und haben bisher getan, was sie tun konnten. Und mehr kann ich jetzt auch nicht mehr tun. Alles andere liegt jetzt in Gottes Hand."
Ich finde es sehr beeindruckend, wenn ein Mensch so die Ruhe behält und darauf vertraut, dass für sein Leben im Letzten gesorgt ist. Ich weiß nicht, ob ich selber in einer ähnlichen Situation so gelassen bleiben könnte. Aber wir dürfen vertrauen, dass Gott auch uns dann die nötige Kraft geben wird, dann, wenn wir sie brauchen.
Und darauf kommt es in der Tat an:
Dass ich Gott als den tragenden Grund in meinem Leben erkenne, dass ich ihm vertraue, der mein Leben hält und trägt, der es über alle Höhen und Tiefen hinweg an ein gutes Ziel bringt.
"Wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er mich kenne“, spricht der Herr. Wer das tut und wer sich so für sein Leben auf Gott verlässt, der wird Weisheit, Stärke und Reichtum nicht als alleinigen Besitz betrachten, mit dem er sich über andere erhebt, sondern immer als gute Gaben Gottes. Als Gaben, die uns zum Leben gegeben sind und als Gaben mit denen wir anderen zum Leben helfen können.

Amen
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Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für den 2. Sonntag nach Epiphanias, 16.01.2022
Pfarrerin Irene Maier

 

Kirche St. Bartholomäus Sommerhausen
Bildrechte: Pfarrgemeinde Sommerhausen/Eibelstadt
Wochenspruch:
„Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.“ Johannes 1,16
 
Predigttext: 1. Korinther 2, 1-10
Auch ich, meine Brüder und Schwestern, als ich zu euch kam, kam ich nicht
mit hohen Worten oder hoher Weisheit, euch das Geheim-nis Gottes zu predigen. Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, ihn, den Gekreuzigten.
Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit gro-ßem Zittern; und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten der Weisheit, sondern im Erweis des Geistes und der Kraft, auf dass euer Glaube nicht stehe auf Menschenweis-heit, sondern auf Gottes Kraft.
Von Weisheit reden wir aber unter den Vollkommenen; doch nicht von einer Weisheit dieser Welt, auch nicht der Herrscher dieser Welt, die vergehen. Sondern wir reden von der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist, die Gott vorherbestimmt hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit, die keiner von den Herrschern dieser Welt erkannt hat; denn wenn sie die erkannt hätten, hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt.
Sondern wir reden, wie geschrieben steht (Jesaja 64,3): »Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.«
Uns aber hat es Gott offenbart durch den Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen Gottes.
 
Liebe Gemeinde,
wer erfolgreich sein und Karriere machen will, der kommt mit Be-scheidenheit in der Regel nicht weit. Vielmehr gilt es, die eigenen Schwächen zu kaschieren und stets eine weiße Weste zu tragen. Auch in der Politik ist mit Bescheidenheit kein Staat zu machen!
Ganz anders klingt das, was Paulus hier der Gemeinde in Korinth zu schreiben hat:
Er berichtet von seiner Schwachheit, von Furcht und Zittern, von rhetorischer Schwäche. Paulus weiß um seine Schwächen und um seine Defizite. Aus der Apostelgeschichte wissen wir, dass seine Predigten so lang und auch langweilig sein konnten, dass mancher dabei eingeschlafen ist.
Dennoch hatte Paulus selbst die Gemeinde in Korinth bei seiner sogenannten zweiten Missionsreise gegründet. Er hat ihnen von der Liebe Gottes erzählt, von der Kraft Gottes, die er im eigenen Leben erfahren hat.
Aber nun, rund drei Jahre später erreichen ihn Infos aus Korinth, die ihm Sorgen machen! Offensichtlich hatte die junge Gemeinde ihre Mitte verloren, es kam zu Fehlentwicklungen, zu Spaltungen. Einzelne Personen wurden wichtiger als Jesus selbst. Die einen sagten: Wir sind die echten Paulusfans! Andere hielten sich zu einem gewissen Apollos, die dritten zu Petrus und die vierten sagten: Nur wir sind die echten Christen!
In dieser verfahrenen Situation kehrt Paulus zurück zu den Grundlagen, er erinnert an die Anfänge: „Ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, ihn, den Gekreuzigten.“
Es geht nicht um Personenkult, nicht um besonders talentierte Prediger oder Missionare, es geht einzig und allein um Jesus Christus. Und auch er selbst, der Gekreuzigte und Auferstandene, entspricht ja nicht den Maßstäben dieser Welt.
Jesus ist nicht der starke Held, der das Kreuz einfach locker wegsteckt. Er stirbt, als Verbrecher und von den Menschen verachtet und zeigt in seiner Auferstehung: Gott ist in den Schwachen mächtig! Sein Kreuz hat uns befreit: Wir müssen nicht immer stärker und erfolgreicher und besser sein als die anderen. Wir müssen nicht alles haben und erreichen. Das Kreuz befreit uns davon, seelische und körperliche Defizite als Niederlagen werten zu müssen. Wir dürfen die sein, die wir sind.
Es befreit uns dazu, Schwächen und eigenes Versagen zugeben zu können, so wie Paulus selbst das ja auch getan hat. Wir brauchen diese Schwächen nicht hinter echten oder scheinbaren Stärken zu verstecken.
Unser Gott wartet nicht oben auf dem Gipfel der immer Erfolgreichen und immer Angesehenen, er wartet unten am Fuß des Kreuzes auf uns, so, wie wir sind.

Das ist die Weisheit Gottes und die ist anders, als die Weisheit der Welt. Es ist die Weisheit seiner Liebe, die sich hinabbeugt zu uns Menschen, die sichtbar wird in der Krippe, im Kreuz und in der Auferstehung.
Diese Weisheit Gottes ist nichts, was man durch Erfahrung, durch Lernen oder Wissen erwerben kann, die steht nicht in Büchern und erst recht nicht in Wikipedia. Diese Weisheit kann man sich nur von Gott schenken lassen, weil ja auch der Glaube immer ein Geschenk ist.
Es ist die Weisheit der Liebe. Der tschechische Schriftsteller Ivan Klima hat einmal gesagt, dass Liebe nur dann am Werke sei, wenn der geliebten Person ihr Geheimnis verbleibt. Wer einen anderen Menschen wirklich liebt, der respektiert ihn in seiner eigenen Würde und Unterschiedlichkeit. Als einen Menschen, an dem es immer, ein Leben lang noch Neues zu entdecken gibt.
Und so ist es auch mit Gott: Wer Gott sein Geheimnis nimmt, der macht ihn zum Götzen.
Und genau das will Paulus vermeiden. Er will nicht von einem Scheingott reden, nicht von einer menschlichen Projektion, sondern von dem Gott, der sich in Jesus uns Menschen gezeigt hat und doch gleichzeitig verborgen bleibt – so wie uns ein anderer lieber Mensch verborgen bleibt, wenn wir ihm sein Geheimnis und seine Würde lassen.
Mit dieser Botschaft kam Paulus damals nach Korinth, mit der Botschaft des liebenden Gottes, der selbst noch im Scheitern, noch in größter Todesnot nahe ist und uns befreit vom Zwang, immer noch besser und noch effektiver sein zu müssen.
Und da ist Paulus nun ganz unbescheiden: Denen, die Gott lieben ist eine große Zukunft verheißen:
»Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.«
Dazu eine, wie ich finde, sehr berührende Geschichte:
Bei einer Frau wird eine unheilbare Krankheit diagnostiziert. Die Ärzte sagen, dass sich nur noch wenige Wochen zu leben hätte. Da beginnt sie, ihr Haus zu bestellen und alles zu regeln was zu regeln ist.
Mit dem Pfarrer möchte sie ihre Beerdigung absprechen und bittet ihn um einen Besuch. Sie sagt ihm dann, welche Lieder gesungen werden sollen, schreibt einen Lebenslauf auf, nennt ihm einen Wunschtext für die Ansprache. Als der Pfarrer wieder am Gehen ist, da fällt ihr noch etwas Wichtiges ein: „Ach eines noch, Herr Pfarrer, sorgen Sie doch bitte dafür, dass man mir einen Löffel in die rechte Hand steckt, wenn ich aufgebahrt im Sarg liege!“
Der Pfarrer stutzt, weiß nicht, was er da sagen soll, ihm fehlen die Worte.
Da erklärt die Frau: „Wissen sie, in meinem Beruf war ich auf vie-len Empfängen eingeladen. Und wenn da das Geschirr abgetragen wurde, dann hieß es oft, man solle den Löffel behalten. Da habe ich mich immer gefreut, denn ich wusste, dass noch etwas Besse-res kommt: nämlich der Nachtisch. Ein Apfelstrudel, oder ein Eis, oder irgendetwas anderes Wunderbares jedenfalls.
Ich möchte, dass die Leute sich wundern, wenn sie mich mit einem Löffel im Sarg sehen. Und ich bitte Sie, Herr Pfarrer, dass Sie ihnen dann sagen: „Behalten Sie ihren Löffel, das Beste kommt noch!“
Und so kam es dann auch: Auf der Beerdigung gingen die Leute an ihrem Sarg vorbei und sahen in ihrer linken Hand ihre Bibel und in ihrer Rechten den Löffel.
In der Predigt erklärte der Pfarrer dann die große Hoffnung, in der diese Frau verstarb: „Behalten Sie ihren Löffel, das Beste kommt noch!“

Liebe Gemeinde, das ist die Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist, die über das hier und heute hinausreicht, die alles von Gott erwartet und sich von ihm allein gehalten weiß. Dort, an der Schwelle des Todes, da ist die menschliche Weisheit, die Weisheit der Welt tatsächlich am Ende. Da hilft kein Großtun, kein Erfolgsgebaren mehr, da trägt nur die Weisheit Gottes, die in den Schwachen mächtig ist und den Tod überwunden hat.
„Behalten Sie ihren Löffel, das Beste kommt noch!“

So sei es.


AMEN
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