Gottesdienst am 24.12.2020


Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
Weihnachten 2020
Pfarrer Jochen Maier

 

Weihnachtskrippe
Bildrechte Pfarrgemeinde Sommerhausen/Eibelstadt
Predigttext: Hebräer 1,1-3

 

 

 

 

 

 

 

An dieser Stelle finden Sie ein Video von www.youtube.com. Sie können es sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von www.youtube.com angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten übermittelt werden.


Liebe Gemeinde,

vielleicht kennen manche von Ihnen die die prächtige spätbarocke Abteikirche von Neresheim auf der Ostalb.
Balthasar Neumann, dem wir auch die Würzburger Residenz verdanken, war der Baumeister.
Wenn man die Kirche betritt hoch über dem kleinen Ort gelegen, dann spannen sich über einen die eindrucksvollen Deckenfresken von Martin Koller. Zentral über der Vierung der Kirche sieht man die hoch im Himmel thronende Heilige Dreifaltigkeit mit Vater, Sohn und Heiligem Geist. Umgeben vom himmlischen Hofstaat, farbenfroh, in vollem Glanz und in barocker Pracht. Wenn man dieses Bild anschaut, dann hört man förmlich die himmlischen Chöre: Jauchzet frohlocket!
Dieses Bild, diese Erinnerung kam mir in den Sinn, als ich unser Predigtwort für diesen Weihnachtstag gelesen habe.
Da heißt es am Anfang des Hebräerbriefes, Hebräer 1,1-3:
Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er zuletzt in diesen Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum Erben über alles, durch den er auch die Welten gemacht hat.
Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort und hat vollbracht die Reinigung von den Sünden und hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe.
Ein richtig wuchtiges Wort ist das: Vom Abglanz der Herrlichkeit ist die Rede, von der göttlichen Majestät – mit Tannengrün und Rausch-goldengelchen, mit Kerzenschein und Krippelein hat das zunächst herzlich wenig zu tun, sondern wie eine Fanfare tönt dieses Wort mitten hinein in die Weihnachtsidylle, die dieses Jahr gar nicht so idyllisch ist.
Und doch: wenn wir etwas genauer hinschauen, dann wird da genau das beschrieben, das Weihnachten doch im Kern ausmacht: „Zuletzt in diesen Tagen (hat Gott) uns geredet durch den Sohn.“
Das ist doch genau das Wunder der Weihnacht!
Der große erhabene Gott thront eben nicht nur im himmlischen Hofstatt, so wie es auf dem Kuppelfresko der Neresheimer Abteikirche zu bestaunen ist, sondern der mächtige majestätische Gott beugt sich ganz tief hinab bis in die Niedrigkeiten unserer menschlichen Existenz.
Der große Gott wird ein kleines hilfloses Kind.
In diesem kleinen Kind ist Gott selbst gegenwärtig.
„Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens“. Gott hat die Kluft zwischen Himmel und Erde überwunden. Er will zu uns kommen, will uns ganz nahe sein.  
„Ihr werdet finden, das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend,“ so hat es der Engel in der Heiligen Nacht verkündet. Gott will sich von uns finden lassen. Er will verstehbar sein – auch für so einfache Leute wie diese Hirten damals draußen vor den Toren von Bethlehem, auch für so einfache Menschen wie dich und mich. Für so einfache, kleine Menschen, die alles andere als perfekt sind, die viele Fehler haben. Uns will er auch Augenhöhe gegenübertreten.
Als die Hirten damals vom Stall weggingen, da hat sich äußerlich nichts verändert. Sie mussten weiterhin Schafe hüten, galten weiterhin als sozial eher am Rand stehend. Die Leute haben weiterhin die Nase gerümpft, wenn sie vorbeikamen. Und doch war für sie alles anders geworden: Das Kind in der Krippe hatte ihren Blickwinkel verändert. Gott hatte ihre Hoffnung neu entfacht und ihre Zuversicht gestärkt.
Dafür macht Gott sich ganz klein, wenn er uns näher kommt und darum sind die kleinen Dinge und die kleinen Gesten auch so wichtig! Scheinbar kleine Ereignisse können große Wellen schlagen. Von so einem scheinbar kleinen Ereignis möchte ich Ihnen und Euch erzählen.
Es war kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in einer kleinen Stadt in Frankreich am Heiligen Abend in aller Früh. Die deutschen Kriegsgefangenen zogen durch die Rue Bonaparte hinaus in den Steinbruch, um dort Granit zu brechen. Die Bevölkerung hatte sich längst an den Anblick der Kriegsgefangenen gewöhnt. Traurige Gestalten in teilweise zerschlissenen Wehrmachtsuniformen. Die Schrecken des Krieges und die Verbrechen, die geschehen waren, sie waren noch zu frisch, als dass die Franzosen Mitleid gehabt hätten mit den deutschen Kriegsgefangenen. Es waren Feinde. Für die Franzosen waren diese Männer mit daran schuld, dass Ehemänner, Söhne und Freunde gar nicht oder oftmals schwer verletzt in die Heimat zurückgekehrt waren.
René mit seinen zwölf Jahren hatte den Krieg nur aus der Ferne erlebt. Er verdiente sich zu jener Zeit vor der Schule ein kleines Taschengeld, indem er mit dem Fahrrad für den Bäcker Brötchen ausfuhr. Und da passierte es an diesem Heiligen Abend in der Früh, dass sein Rad auf dem rutschigen Kopfsteinpflaster ins Schlingern geriet und er kopfüber vom Rad stürzte und sich überschlug.
83 Brötchen, so rechnete der Bäcker nachher genau aus, 83 frische Brötchen kullerten über das harte Pflaster eben als der Zug der deutschen Kriegsgefangenen vorbeizog. Und ehe die beiden Wachsoldaten oder auch René selbst richtig begriffen, was da geschah, da waren die Brötchen auch schon verschwunden wie Schnee in der Sonne.
René war bis auf eine zerrissene Hose und ein blutendes Knie nichts passiert – vom Bäckermeister aber gab es noch eine schallende Ohrfeige – eigentlich hatte er noch mehr erwartet.
Damit schien die Angelegenheit zunächst erledigt.
Nicht aber für die übrigen Bewohner des Städtchens. Was da geschehen war, das ging wie ein Lauffeuer durch die Stadt. Eine Stunde später kam die junge Lehrerin Nanette in den Bäckerladen und sagte: „Ich habe gehört, Sie haben den armen Deutschen heute am Heiligenabend einen Korb Semmeln gespendet. Das soll ihr Schaden nicht sein. Hier haben sie das Geld!“
Und noch ehe der Bäckermeister die Angelegenheit richtigstellen konnte, war die junge Lehrerin auch schon wieder verschwunden.
Wenig später betrat der Notar Gevrey den Laden. Vorsichtig schaute er sich nach allen Seiten um. Er flüsterte: „Sehr geschickt, wie Sie das mit den Semmeln gemacht haben. Sehr geschickt! Man könnte Sie sonst ja wegen Begünstigung des Feindes verklagen – aber so war es halt ein Unfall – sehr geschickt! Aber ich möchte mein Scherflein bei-tragen um den Schaden zu mindern und die gute Tat unterstützen!“ So ging das weiter. Am Abend dieses denkwürdigen Tages hatte der Bä-cker Geld für 795 Semmeln im Kasten. Was sollte er tun? Behalten wollte er das Geld nicht, das wäre nicht in Ordnung . Der Unfall konn-te aber auch nicht so ohne weiteres wiederholt werden. So ging er in die Kaserne, die nun als Kriegsgefangenenlager genützt wurde und einigte sich mit dem sehr verständnisvollen wachhabenden Hauptmann darauf, dass René morgens als erstes zum Lager der Deutschen Bröt-chen brachte. Und bald freute sich René darauf, in den harten und ernsten Gesichtern der Männer ein verklärtes Lächeln zu sehen, wenn er kam.
Was aber noch bedeutsamer war: Das weihnachtliche Geschehen auf der Rue Bonaparte hatte die Herzen der Menschen verwandelt.
Und das ist es, wozu Gott Mensch geworden ist, um Liebe und der Barmherzigkeit mehr Raum zu schaffen in einer oft so friedlosen Welt. Gott sagt: Ich will, dass du Vertrauen gewinnst und dass du lieben lernst. Und dass du diese Liebe weitergibst an andere. Du sollst spüren, dass Geld und Gut nicht alles sind in dieser Welt. Weihnachten soll die Sehnsucht wach halten nach Liebe und Harmonie.
Und das brauchen wir heute so sehr wie eh und je.
Darum ist Gott nicht in fernen himmlischen Sphären verharrt, sondern hat sich klein gemacht, ganz klein.
Im Stall von Bethlehem hat er ein neues Kapitel mit uns Menschen aufgeschlagen. Gott, der Schöpfer Himmels und der Erde, wollte sich auf menschliche Augenhöhe begeben.
„Gott hat in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn“, so heißt es im Hebräerbrief. Ja das hat er. Und wo wir der Liebe Gottes Raum geben in unserem Leben, wo Versöhnung geschieht und Grenzen überwunden werden, da ist der Geist von Weihnachten spürbar – so wie damals in jenem kleinen Städtchen in Frankreich.

 

Es sind die kleinen Zeichen und Gesten, in denen diese Liebe aufleuchtet – auch bei uns aufleuchtet. Schenke uns Gott, dass wir solche Zeichen erkennen und wahrnehmen und darin Zeichen der Liebe Got-tes spüren.

Der große Gott macht sich klein, um uns nahe zu kommen. Ihm lasst uns unsere Herzen öffnen.
In Jesu Namen.

AMEN

zurück