Gottesdienste im September 2020



Gottesdienst für den 15. Sonntag nach Trinitatis, 20. September 2020
Pfarrerin Irene Maier

 

Wochenspruch: "Alle eure Sorgen werft auf ihn;
denn er sorgt für euch." 1.Ptr.5,7
Predigttext: Gen 2, 4b-9.15

Liebe Gemeinde,

"Das kann doch wohl nicht alles gewesen sein", sagt einer im mittleren Alter. "Ja vieles hab‘ ich mir aufgebaut und erreicht bisher, ich hab ja auch tagtäglich dafür geschuftet... aber jetzt trete ich scheinbar auf der Stelle, es gibt nichts, was mich noch antreibt und motiviert... "
Auch ältere Menschen wissen manchmal nicht mehr um den Sinn und Zweck ihres Daseins. "Seit ich im Ruhestand bin, habe ich keine Aufgaben mehr. Das fehlt mir einfach.", so hör ich das hin und wieder.
Warum sind wir Menschen und diese Welt überhaupt da? Was gibt meinem Dasein in dieser Welt einen Sinn? Das fragen Menschen schon in früheren Zeiten.  Und in Geschichten geben sie Antwort auf diese Frage. Eine dieser Geschichten ist die sog. 2. Schöpfungserzählung, unser heutiges Predigtwort.
Sie erzählt uns etwas darüber, warum wir da sind und wo wir hingehören. Ich lese aus dem ersten Buch Mose im 2. Kapitel:

 

Es war zu der Zeit, da Gott der HERR Erde und Himmel machte.
5 Und alle die Sträucher auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen. Denn Gott der HERR hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und kein Mensch war da, der das Land bebaute; 6 aber ein Strom stieg aus der Erde empor und tränkte das ganze Land. 7 Da machte Gott der HERR den Menschen aus Staub von der Erde und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen. 8 Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. 9 Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen …..
15 Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.

 

Liebe Gemeinde, die eben gehörte Geschichte ist eine Glaubensaussage. Sie erzählt von Gott, der sich wie ein Töpfer eine Welt erschafft. Erst sorgt er für seinen Werkstoff. Deshalb erschafft er Himmel und Erde. Danach lässt er regnen, damit der staubige Ackerboden befeuchtet wird und die Erde formbar ist. Danach schafft er aus der Erde vom Ackerboden den Menschen.
Alles zielt darauf, den Menschen zu erschaffen. Das ist des Schöpfers Plan. Gott gibt sich nicht mit sich selbst zufrieden, er will nicht allein bleiben. Er will sich ein Gegenüber schaffen, das sich mitfreut, mitdenkt und mitfühlt. Gott will sich mitteilen, will sich schenken.
Darum hat Gott uns geschaffen. Darum sind wir da, weil Gott es mit uns zu tun haben will. Und das macht uns unglaublich wertvoll. "Du bist von Gott gewollt", das gilt jedem Menschen ausnahmslos. Das gilt dir, der du gerade nicht vorwärts kommst oder dir, auch wenn du gerade keinen Sinn in deinem Leben siehst.
Von der Erde ist der Mensch genommen. Von der „adamah“ sagt der hebräische Text. Darum heißt der Mensch auch Adam. Der erste Mensch genauso wie jeder nach ihm. Für die Bibel ist jeder von uns Adam. Jeder ist ein Teil der Erde. Wir sind Erde, Materie. Und Materie ist endlich, ist vergänglich. Gleich im Kapitel nach unserm Predigtwort sagt Gott zum Menschen: „Du bist Erde und sollst zu Erde werden.". Das wird uns bei jeder  Beerdigung schmerzlich bewusst, wenn wir den Körper eines lieben Menschen der Erde zurückgeben müssen.
Erde, Materie ist der Mensch und doch ist er noch weit mehr. Ja er wird viel mehr durch Gott. Denn: "Gott blies ihm den Atem des Lebens in seine Nase!" Gott kommt dem Menschen ganz nah und haucht ihm den Atem ein. So ist Gott in mir, in dir und wir leben aus ihm. Also ist mein Leben, das ich jetzt führe eine Gabe, ein Geschenk Gottes. Durch seinen Atem schenkt mir Gott Leben und Lebendigkeit. Die Kraft meines Lebens kommt von ihm und nicht aus mir selbst.
Durch das Atmen sind und bleiben wir lebendig. So fährt der biblische Erzähler fort. Etwa 20000 Mal atmen wir in 24 Stunden und wir halten es nur kurze Zeit ohne Atmen aus. Atmen ist ein ganz selbstverständliches Bedürfnis.
Es ist auch viel mehr als nur Luftaustausch.
Wir wissen, dass die Art und Weise, wie wir atmen, etwas über unser seelisches Befinden aussagt. Das verraten ja nicht zuletzt unsere Redewendungen, wie “das hat mir den Atem verschlagen“, oder zieht sich etwas lange hin, dann sagen wir, „es hält uns in Atem“. Es gibt Momente, die wir als atemberaubend beschreiben. Und wenn wir aufatmen können, leben wir auf, fassen wieder Mut und Zuversicht.
Atmen kann auch therapeutisch wirken. Mit dem Ausatmen können wir loslassen, was uns beschwert und bedrückt. Wenn wir bewusst ein- und ausatmen werden wir ruhiger, gelassener. Die Anspannung lässt nach. Verspannung kann sich lösen.
Das Atmen macht uns zu lebendigen Wesen, heißt es in der Schöpfungserzählung. Deshalb können wir uns bewegen und handeln. Wir können sprechen, weil Luft an unsere Stimmbänder gelangt. Wir können Worte finden, die es uns möglich machen, mit anderen in Beziehung zu treten.
Das Atmen verbindet uns untrennbar mit unseren Mitgeschöpfen. Denn sie sind genauso wie wir auf dieselbe Luft angewiesen. Sie gehören zur gleichen Erde, zur gleichen Welt. Da wollen sie leben wie wir. Was ihnen gut tut, tut auch uns gut. Was ihnen schadet, schadet über kurz oder lang auch uns.
Zu unseren Mitgeschöpfen gehören die Pflanzen. Ohne sie wäre die Erde unendlich öde und unsere Luft wäre noch stärker belastet. In der Photosynthese entwickeln Pflanzen und Bäume den Sauerstoff. So versorgen sie alle anderen Geschöpfe mit guter Luft zum Atmen.
Das Evangelium handelt von Gottes Sorge für uns Menschen. Unter diesem Leitwort kann auch das Predigtwort gelesen werden.
Gott sorgt für die Existenz des Menschen. Er sorgt, dass dieser atmen kann. Und er gibt ihm einen Raum zur Entfaltung. Denn es heißt: "Er setzte ihn in den Garten Eden." Eden kann sowohl "Oase in der Wüste" als auch "Garten der Wonne" bedeuten. Ein paar Verse weiter heißt es, dass der Garten Adam entzückt. Alles ist verlockend anzusehen und gut davon zu essen.
Ich denke, das gilt für jeden Garten bis in unsere Tage. Viele von uns haben einen Garten am Haus und wissen, wie wohltuend es sein kann nach einem langen Arbeitstag im Garten zu stehen, die frische Luft einzuatmen, zu staunen über die Farbenpracht der Blumen, Beeren, Sträucher und Bäume. Gerade zu Coronazeiten war und ist es ein großes Geschenk, einen Garten zu haben oder die Weinberge in der Nähe. Bald beginnt sich wieder alles zu verfärben und die Blätter leuchten in allen Nuancen von Braun- bis Gelbtönen. Besonders wertvoll ist ja auch ein grüner Park für die Menschen in der Stadt, in Würzburg ist der Ringpark so eine Oase im Häusermeer. Ein Stück Erde, das Freude schenken kann.
So ist der Garten der Inbegriff von Erholung und Freiheit. Mit dem Garten sorgt Gott für Adam, also für einen jeden Menschen.
Und wenn wir gerade jetzt im Herbst wieder sehen und staunen, wie viele Früchte Gott hat wachsen lassen, trotz wenig Regen und trotz der Fröste im Frühjahr, dann ist das mehr als ein Zeichen dafür, dass Gott uns in dieser Welt nicht allein lässt, sondern noch immer für uns sorgt.
Mit all dem will er uns heute, wie den Menschen damals Lust machen, nun auch selber Verantwortung und Sorge für seine Schöpfung zu tragen. Bebauen und bewahren, lautet der Auftrag,   d.h. Sorge tragen, dass Pflanzen, Tiere und Menschen so zusammenleben können, ohne sich gegenseitig zu zerstören.
Bebauen und bewahren!
Junge Menschen, voran Greta Thunberg erinnern an diesen Auftrag, der auch in der Corona-Krise nicht vergessen werden darf.
Fürsorge tragen füreinander und für alles, was lebt, das braucht keine Last zu sein. Es kann uns vielmehr eine Ahnung davon geben, wozu wir da sind und zu wem wir gehören.
Denn „Gott gab uns Atem, damit wir leben, er gab uns Augen, dass wir uns sehn. Gott hat uns diese Erde gegeben, damit wir auf ihr die Zeit bestehn.“

Amen
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