Gottesdienste im Juli 2020





Gottesdienst für den 7. Sonntag nach Trinitatis, 26. Juli 2020
Pfarrer Jochen Maier

Wochenspruch:
"„So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen." Epheser 2,19
Predigttext: Hebräer 13,1-3

 

„Bleibt fest in der brüderlichen Liebe.
Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt.
Denkt an die Gefangenen, als wärt ihr Mitgefangene, und an die Misshandelten,
weil auch ihr noch im Leibe lebt.“

 

Liebe Gemeinde,


ungefähr 280 mal werden Engel in der Bibel erwähnt – so habe ich gelesen, nachgezählt habe ich es nicht. Aber unter allen Stellen die mir geläufig sind, ist mir die, die uns da heute aufgegeben ist besonders lieb. Engel, die Boten von Gottes Nähe können ganz unscheinbar sein. Man kann sie leicht übersehen. Den Boten des Heiligen sieht man ihre Heiligkeit nicht unbedingt an. Wer sie nicht verpassen möchte, der braucht einen offenen Blick und ein offenes Haus.
Wenn der Hebräerbrief dazu auffordert, gastfrei zu sein, um den Besuch eines Engels nicht zu versäumen, dann erinnert er damit an eine Geschichte aus dem Alten Testament. Da wird im 1. Buch Mose erzählt, wie Abraham in der Mittagshitze im Hain von Mamre vor seinem Zelt vor sich hin döst, als sich drei Männer dem Lager nähern. Abrahmen fährt aus seiner Siesta hoch, ist plötzlich hellwach und lädt die drei ein, bei ihm einzukehren. Er entpuppt sich als perfekter Gastgeber und bewirtet die Gäste im Schatten der Bäume.
Während Sara im Innern des Zeltes das Essen für die Gäste vorbereitet, hört sie, wie die Gäste davon erzählen, dass sie übers Jahr einen Sohn bekommen wird. Sara lacht über diese Ankündigung, denn sie ist nicht mehr gerade die Jüngste. Aber die Verheißung wird sich erfüllen. Diese drei Männer sind Boten der Gegenwart Gottes, sie sind Hoffnungsboten. „Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt.“
Vielleicht haben Sie, habt Ihr mit solch überraschenden Besuchen auch schon interessante Erfahrungen gemacht…. Und wer weiß, vielleicht war ja auch da schon ein Engel dabei!
Engel waren lange Zeit fast völlig aus der Mode gekommen und hatten höchstens noch in der Weihnachtszeit eine gewisse Saison. Und dann, so in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts gab es so etwas wie eine Engel-Renaissance, eine Wiederentdeckung der Engel in allen Formen und Farben, zum Zeit aber mit etwas seltsamen esoterischen Einfärbungen. Das ist inzwischen aber wohl wieder etwas abgeebbt.
Hier in unserer Kirche gehören Engel einfach dazu. Sie können einem gefallen oder nicht. Die beiden Engel hier links und rechts des Altares lassen sich jedenfalls von der Mode nicht beeindrucken.
Nach dem Zeugnis der Bibel und das ist für uns entscheidend, da haben Engel eine durchaus wichtige Funktion. Sie bringen den Menschen die Botschaft von Gottes Gnade.
Im Neuen Testament ist es ja auch ein Engel der Maria die Nachricht von der Geburt des Heilandes bringt. Und später waren es auch wieder Engel, die den Zeuginnen und Zeugen der Auferstehung das leere Grab gedeutet haben: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden.“ So haben sie die Jüngerinnen und Jünger auf die Spur des Auferstanden gebracht.
Engel sind Interpreten, sind Wegweisen und Boten. Sie öffnen die Verbindung zwischen Himmel und Erde und deuten, was den Menschen sonst verborgen bleiben würde. Engel sind keine versteckten kleinen Götter, sie haben keine eigene Macht, sondern sind Boten für die Macht Gottes. Der große mittelalterliche Theologe Thomas von Aquin meinte daher, dass Engel nicht einmal einen eigenen Körper hätten, sie seien immaterielle Wesen, schrieb er, völlig transparent für die Wirklichkeit Gottes.
Martin Luther hat in seinem wunderschönen Morgensegen gebetet: „Dein heiliger Engel sei mit mir, dass der böse Feind keine Macht an mir finde.“ Wir beten Engel nicht an, wir müssen nicht einmal an sie glauben, aber wir dürfen Gott um den Beistand der Engel bitten. Gott wirkt auf unterschiedlichste Weise und so können uns Menschen zu Engeln werden, ohne dass sie es selbst wissen oder spüren. Vielleicht haben sie das selbst ja auch schon erfahren, dass andere uns zum Engel wurden. Wenn jemand zur rechten Zeit am rechten Ort ist, dann kann er zum Engel werden und der Hebräerbrief mahnt uns, Augen und Ohren – vor allem aber das Herz offen zu halten für Gottes Erscheinen – „Vergesst nicht, einige haben ohne ihr Wissen Engel beherbergt!“
Der Engel, der vorne auf unserem Liedblatt abgedruckt ist, den haben wir vor zwei Jahren zur Begrüßung hier in Sommerhausen und Eibelstadt von einem lieben Menschen erhalten. Er steht bei uns im Wohnzimmer. Manchmal liegt ein Brief oder eine Adresse unter ihm: Menschen, die ich nicht vergessen will, denen ich einen Gruß schicken möchte, an die ich im Gebet denken möchte. So wie mich der Engel auf Gott verweist, so verweist er mich auch auf Menschen, die mir nahe sind oder denen ich näher kommen möchte. Engel schlagen Brücken.
„Lenk deinen Schritt engelwärts“ rät uns ein Gedicht von Rose Ausländer. Das meint: Öffne dich für Gott und für deinen Nächsten. Vielleicht können die beiden Engel hier oder auch alle anderen Engel daran erinnern: „Lenk deinen Schritt engelwärts.“
Insgesamt lautet diese kleine Gedicht von Rose Ausländer, mit dem ich schließen möchte, so:
Der Engel in dir
freut sich über dein Licht
weint über deine Finsternis
Aus seinen Flügeln rauschen Liebesworte
Gedichte  Liebkosungen
Er bewacht deinen Weg
Lenk deinen Schritt engelwärts

 

Das wünsche ich uns allen
AMEN

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Gottesdienst für den 5. Sonntag nach Trinitatis, 12. Juli 2020
Pfarrer Jochen Maier

 

Wochenspruch:
"Aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch:
Gottes Gabe ist es." Epheser 2,8
Predigttext: Lukas 5,1-11


Liebe Gemeinde,

„ja – aber“ – diese beiden unscheinbaren Wörtchen gehören oft zusammen. Manchmal klingen sie zögerlich, manchmal genervt, manchmal zornig und manchmal auch verzweifelt.
„Jetzt räum‘ endlich dein Zimmer auf!“ mahnt die Mutter – „Ja – aber jetzt hab‘ ich gerade gar keine Zeit. Ich mach’s später!“
Zumindest wer Kinder hat, dem ist dieses „Ja-aber“ wahrscheinlich nicht unbekannt.
Manchmal kann einen dieses „Ja – aber“ so richtig auf die Palme bringen – aber manchmal verbirgt sich hinter diesem „Ja – aber“ auch eine echte Not.
„Ja, ich würde ja gerne wieder mehr unter die Leute, aber ich kann einfach nicht. Ich fühle mich so lustlos, so müde.“
„Ja, ich hab‘ es immer wieder versucht, den Streit zu beenden. Ich hab‘ immer wieder die Hand ausgestreckt, aber es ist nichts daraus geworden.“
Hinter diesem „Ja – aber“ steckt manchmal die Frage nach dem Sinn. Die Frage danach, welchen Sinn es überhaupt noch macht, sich immer wieder neu aufzuraffen, manchmal sogar die Frage nach dem Sinn des Lebens.
Unser heutiges Predigtwort erzählt von einer Begebenheit, an deren Anfang auch so ein „Ja – aber“ stehen könnte.
Ich lese Verse aus dem Lukasevangelium, Kapitel 5:
Es begab sich aber, als sich die Menge zu Jesus drängte, zu hören das Wort Gottes, da stand er am See Genezareth.
Und er sah zwei Boote am Ufer liegen; die Fischer aber waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze.
Da stieg er in eines der Boote, das Simon gehörte, und bat ihn, ein wenig vom Land wegzufahren. Und er setzte sich und lehrte die Menge vom Boot aus.
Und als er aufgehört hatte zu reden, sprach er zu Simon: Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!
Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen.
Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische und ihre Netze begannen zu reißen.
Und sie winkten ihren Gefährten, die im andern Boot waren, sie sollten kommen und ihnen ziehen helfen. Und sie kamen und füllten beide Boote voll, sodass sie fast sanken.
Da Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sprach: Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch.
Denn ein Schrecken hatte ihn erfasst und alle, die mit ihm waren, über diesen Fang, den sie miteinander getan hatten, ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, Simons Gefährten. Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen.
Und sie brachten die Boote ans Land und verließen alles und folgten ihm nach.
„Ja – aber…“ so mag sich Simon Petrus wohl gedacht haben.
Jesus war ja für ihn kein Unbekannter gewesen. Kurz zuvor war Jesus bei ihm daheim gewesen und hatte seine kranke Schwiegermutter geheilt. Die hatte hohes Fieber und Jesus hatte sie gesund gemacht.
Petrus wusste also, dass Jesus Macht hatte, dass er etwas Besonders war. Ja – aber … aber hatte er auch Ahnung vom Fischfang?
Auf dem Gebiet konnte dem Petrus keiner so schnell was vormachen. Da war er der Fachmann. Zum Fischen ging man in der Nacht, dann, wenn die Fische an die Oberfläche kamen – aber doch nicht mitten in der Hitze des Tages. Die anderen würden ihn ja für bescheuert halten, für völlig durchgedreht!
Und außerdem war er müde. Die ganze Nacht hatten sie geschuftet und nichts, absolut nicht hatten sie gefangen.
Vielleicht hatte er das Netz schon aus lauter Frust und Wut in die Ecke geschleudert.
Und Jesus?
Er hört sich das Murren des Petrus an. Aber er lässt sich auf keine Diskussion ein.
Mich erinnert das daran, wie mir mein Vater vor vielen Jahren im Hof unserer Schreinerei das Fahrradfahren beigebracht hat. „Los, steig noch einmal auf. Probier’s noch einmal!“ Keine Erklärung, nur die Aufforderung. Ich weiß nicht mehr, wie lange und wie oft ich es versucht habe, bis es endlich geklappt hat mit dem Radfahren!
So ähnlich ist es hier auch: Jesu Aufforderung ist klar und eindeutig: „Fahrt hinaus, wo es tief ist und werft die Netze aus zum Fang!“
Er erklärt nichts, gibt keine Garantien. Einfach die klare Aufforderung.
Und er muss das sehr überzeugend gesagt haben.
Mit fester Stimme.
Mit einer Autorität, die keinen Widerspruch zulässt.
Und was tut Simon Petrus?
Er gehorcht.
„Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen.“
Er überwindet seinen Zweifel, seine Resignation, seine Bedenken: Dieses „aber“ ist kein Einwand, sondern eine Einwilligung: Ja auf dein Wort hin – noch einmal!
Und dann passiert das Unvorhersehbare, das Wunder.
„Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische und ihre Netze begannen zu reißen. Und sie winkten ihren Gefährten, die im andern Boot waren, sie sollten kommen und ihnen ziehen helfen. Und sie kamen und füllten beide Boote voll, sodass sie fast sanken.“
Petrus hat aufgehört, um seine eigenen Zweifel und Bedenken zu kreisen und das Wunder geschieht. Völlig überraschend und gegen alle Erfahrung. Ohne wenn und aber!
Im Vertrauen auf Jesu Worte sind Wunder möglich, auch heute noch.
Dort, wo Menschen neuen Lebensmut finden, wo Traurige getröstet werden und Niedergeschlagene neue Hoffnung bekommen.
Petrus, Jakobus und Johannes, die drei Fischer, die eben noch müde und resigniert am Strand kauerten und nicht wussten, wie sie ihre Familien ernähren sollten an diesem Tag, die erfahren in dieser Begegnung mit Jesus die Macht Gottes.
Da Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sprach: Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch.
Denn ein Schrecken hatte ihn erfasst und alle, die mit ihm waren, über diesen Fang, den sie miteinander getan hatten, ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, Simons Gefährten.“
Petrus kommt in diesem Augenblick nicht nur zu Jesus, er kommt auch zu sich selbst. Er erkennt sich selbst.
„Ich bin ein sündiger Mensch!“ sagt Petrus. Das heißt, er erkennt, dass er ohne Jesus nichts tun kann. Er kann sich abrackern, so viel er will – allein wird er’s nicht packen.
Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen.
Und sie brachten die Boote ans Land und verließen alles und folgten ihm nach.
Jesus lässt Petrus nach vorne blicken. Ich habe noch etwas vor mit dir, mit euch. Ich brauche euch.
Zum Menschenfischer will er Petrus machen. Das ist ein etwas schwieriger Begriff, das klingt so ein bisschen nach Bauernfängerei, darum, den Leuten etwas aufzuschwätzen wie ein Staubsaugervertreter.
Aber das ist nicht gemeint. Das ist ein Wortspiel - Petrus hat‘s verstanden, was Jesus gemeint hat.
Es geht darum, das Wort Gottes unter die Menschen zu bringen, damit sie sich daran festhalten können, damit sie einen Halt bekommen.
Es geht nicht um billigen Trost, sondern um Lebensmut, um Hoffnung und Zuversicht.
„Ja – aber…“ noch oft werden wir das hören und wohl immer wieder auch selbst denken und sagen. Manchmal aus Faulheit, manchmal aus Sorge, weil uns die Herausforderungen des Lebens zu groß erscheinen.
Jesus aber will uns Mut machen, es dennoch zu wagen.
Immer wieder. Auch wenn es Rückschläge gibt.
„Ja, doch, auf dein Wort hin, Herr will ich‘s wagen.“

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

 

AMEN

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