Gottesdienste im November 2020





Gottesdienst der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für den Ewigkeitssonntag, 22.November 2020
Pfarrer Jochen Maier

 
Wochenspruch:
"Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen." Lk 12,35
Predigtwort: 1.Korinther 15,35-38.42-44a

 

Liebe Gemeinde,

ein Militärpfarrer hatte einmal vor jungen Soldatinnen und Soldaten lebenskundlichen Unterricht zu halten. Und wie üblich saßen hinterher noch einige aus der Gruppe gemütlich bei einem Glas Bier beisammen. Man redete in lockerer Runde über dies und das, es wurde viel gelacht, die Stimmung war gut. Man sprach über Gott und die Welt. Mit der Zeit kamen auch ernste Themen auf den Tisch. Man diskutierte über mögliche Auslandseinsätze und die damit verbundenen Gefahren. Schließlich kam man auch auf den Tod zu sprechen.
Dieser Militärpfarrer wusste damals sehr genau, dass seine Tage gezählt waren. Er hatte Krebs. Er wusste, dass er nur noch wenige Monate zu leben hatte, Regelmäßig ging er zu den ärztlichen Untersuchungen, Die Ergebnisse bestätigten den Krankheitsverlauf. Noch hielten sich seine Beschwerden in Grenzen und so lange es ging, wollte er ein möglichst normales Leben führen und dazu gehörte für ihn auch sein Dienst als Militärpfarrer.
Offen und ehrlich erzählte er den Soldaten, wie es um ihn stand. Da wurden die jungen Männer und Frauen wurden ganz still. Sie sahen ihn entsetzt an. In ihr schockiertes Schweigen hinein sagte er: „Wenn das stimmt, was ich Sonntag für Sonntag predige, dann kann das, was kommt, doch gar nicht so schlimm sein!“
Liebe Gemeinde, wir denken heute an die Menschen aus unserer Kirchengemeinde, die wir im nun zu Ende gehenden Kirchenjahr bestattet haben. Einige hatten ein langes erfülltes Leben hinter sich, bei manchen haben die Kräfte in den letzten Monaten, manchmal auch schon Jahren spürbar nachgelassen. Manche waren im Geist schon in einer anderen Welt. Von Abraham wird im Alten Testament erzählt: „Er verschied und verstarb in einem guten Alter, als er alt war und lebenssatt.“
Das ist wie so ein Idealbild, wenn jemand so zufrieden und erfüllt wie Abraham sein Leben aus der Hand geben kann. So wünschen wir uns das wohl auch für uns selbst. Zufrieden zurückschauen können auf die eigene Lebenszeit und dann reich an Lebenserfahrung die Augen schließen dürfen.
Aber viele uns haben leider auch andere Bilder vor Augen: Da wird jemand viel zu früh aus dem Leben gerissen, manche von uns mussten ein langsames Sterben begleiten, fühlen sich hilflos, ohnmächtig. Die Medizin war an ihre Grenzen gekommen. Sie, die Angehörigen haben gebangt, gehofft, gebetet und vielleicht haben Sie gefragt: Warum? Warum mussten wir das durchmachen? Warum mutet Gott uns das zu? Der Verlust eines geliebten und vertrauten Menschen wiegt schwer.
Manche von uns stecken tief drin in ihrer Trauer, können und wollen es nicht wahrhaben, was da geschehen ist. Beim Trauern gibt es kein richtig oder falsch. Jeder Mensch trauert anders: Die einen wollen in Ruhe gelassen werden, die anderen können in dieser Zeit nicht allein sein. Die einen wollen gehalten werden, die anderen darf man überhaupt nicht berühren. Es gibt so viele Arten traurig zu sein, und jede ist in Ordnung.
Manchmal muss aber auch etwas sterben, damit etwas Neues entstehen kann. Aber es fällt uns schwer, uns die Auferstehung vorzustellen. Das ging schon den Leuten damals in Korinth so, den Leuten, denen Paulus seinen Brief geschrieben hat. Sie haben gefragt: Wie wird das sein, wenn wir auferstehen? Was für einen Leib werden wir dann haben? Manche haben die Auferstehung auch komplett in Frage gestellt.
Paulus sagt: Die Auferstehung übertrifft alle unsere Erwartungen. Unser irdisches Leben ist wie das Weizenkorn, das ausgesät wird und die Auferstehung ist wie die Ähre, die sich im Winde wiegt. Sie sieht ganz anders aus, hat eine andere Form, ist einfach anders. Sie hat einen ganz anderen Leib, wie er es nennt.
Der Mensch stirbt wie das Korn.
Er stirbt ganz und gar und Gott schenkt ihm einen neuen Leib, der unsere Erwartungen und Vorstellungen übersteigt.
Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich.
Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit.
Es wird gesät in Armseligkeit und wird auferstehen in Kraft.
In unserer deutschen Sprache sagen wir ja auch: jemand ist „entschlafen“. Er hat die Augen für immer verschlossen. Der Tod ist Schlafes Bruder. Ausruhen dürfen, ablegen und loslassen, was schwer war, die Bürden und Lasten des Lebens ablegen.
All das ist der Tod und doch spricht Paulus ja zugleich von einem kraftvollen Neuanfang, einer Neuschöpfung.
Aus dem sterben Korn wird eine Ähre, aus der Raupe ein Schmetterling. Nur da, wo etwas stirbt, kann etwas Neues entstehen.
Natürlich sind das alles Bilder, Vergleiche, die alle irgendwie auch hinken. Aber vom Leben nach dem Tod und von der Auferstehung kann man eben nur in Bildern reden. Aber es sind doch genau diese Bilder, die Trost geben könne. Ich kann die Auferstehung nicht beweisen. Das kann kein Mensch. Und trotzdem vertraue ich darauf. Warum? Weil Gott es uns vorgemacht hat. Gott hat uns gezeigt, dass es geht. Er hat seinen Sohn als einen Menschen in die Welt geschickt, als einen von uns. In wenigen Wochen, an Weihnachten, erinnern wir uns wieder daran.
Und Jesus ging seinen Weg. Er wurde angefeindet, wurde verraten und verleugnet. Er starb am Kreuz aber der Tod war eben nicht das Ende. Am dritten Tage ist er auferstanden von den Toten. Und die Auferstehung Jesu von den Toten hat Folgen. Sie gibt Hoffnung: Es gibt ein Morgen. In allem Dunkel gibt es ein Licht. Gott zeigt, dass er da ist. Ganz gewiss. Auch mitten im Leid. „Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an.“  So hat es der Psalmdichter einst erlebt und so gilt das auch heute noch: Zu Gott kann ich immer kommen, er lässt mich nicht fallen.
Von einem neuen Himmel und einer neuen Erde schreibt der Seher Johannes in seiner Offenbarung. Wir haben das vorhin in der Lesung gehört.
Gott ist da. Und vielleicht schickt er dir einen Menschen, der genau weiß, was du jetzt gerade brauchst. Ein tröstendes Wort, eine Geste oder die tatkräftige Hilfe, weil du es allein gerade nicht mehr schaffst. Eine breite Schulter, an der du weinen kannst und darfst oder einen Menschen, der mit dir gemeinsam weint.
„Wer könnte atmen ohne Hoffnung?“ So fragt die Dichterin Rose Ausländer in einem ihrer Gedichte. Ohne Hoffnung kann man nicht leben. Und Gott schenkt uns diese Hoffnung, die Hoffnung, die über den Tod hinaus reicht. Diese Hoffnung ist die Mitte unseres Glaubens. Diese Hoffnung hat der Bundeswehrpfarrer, von dem ich eingangs erzählt habe den jungen Rekruten bezeugt und an dieser Hoffnung können auch wir uns aufrichten.
Das schenke Gott uns allen.

AMEN

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Gottesdienst der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für den Buß- und Bettag, 18.11.2020
Pfarrerin Irene Maier


Wochenspruch:
"Gerechtigkeit erhöht ein Volk;
aber die Sünde ist der Leute Verderben." Spr 14,34
Predigttext: Jona 2, 1-11


Liebe Gemeinde,

Ein Fragebogen im Konfirmandenunterricht wird ausgeteilt. Die Präparanden und Konfirmanden kennen das.
Das ist schnell gemacht, denkt eine Konfirmandin. 10 Sätze. Sie soll nur ankreuzen ob sie zustimmt oder nicht. Es geht dabei um das Thema „Gebet“.
Gleich beim ersten Satz bleibt sie hängen: "Beten nutzt doch nichts. Ja oder Nein?" Das ist schwer zu sagen.
Dann zur nächsten Frage: "Im Gebet kann man alles sagen." Ja. Das stimmt.
"Beten lernt man in der Not." Das hat zumindest ihre Oma gesagt.
Und dann zurück zum schwersten Satz: "Beten nutzt doch nichts." Hier macht sie ein Fragezeichen.
Sie weiß es einfach nicht.
Bei der Vorbereitung zum Buß-und Bettag habe ich ein Bild entdeckt. Da sitzt ein Mann mit gefalteten Händen auf dem Boden. Andere Menschen stehen um ihn herum. Das scheint ihn nicht zu stören. Er sitzt da, ganz in Gedanken versunken.
Was ihm wohl durch den Kopf geht? Sind es schwere Gedanken? Kann er sie überhaupt in Worte fassen?
Vieles geht durcheinander:
Die Sorgen um seine Kinder.
Sein Sohn liegt im Clinch mit seiner Freundin. Richtig helfen kann er ihnen nicht mehr.
Und die Welt, in der sie sich zurechtfinden müssen, wird durcheinander gewirbelt von einem kleinen Virus. Wie wird die Zukunft für sie aussehen, wenn Gesundheitssysteme an ihre Grenzen kommen und immer mehr Unternehmen in die Insolvenz geraten?
Vielleicht ist es auch die Sorge um die eigene Existenz, die ihn umtreibt. Wie bei dem Dorfwirt, der sein Gasthaus von den Eltern und Großeltern übernommen hat, und nun aufgeben muss. Was heißt das nun für ihn?
Am liebsten würde er auf und davonlaufen, einfach nur weg. Zurück in die Zeit vor Corona. In eine Zeit, in der alles einfacher war.
Ob es in biblischer Zeit einfacher war?
Es wird erzählt vom Propheten Jona. Er soll etwas tun. Er soll etwas sagen. Seit Tagen hört er es.
Immer wieder ist da die Stimme Gottes in seinem Ohr: "Mach dich auf! Geh in die große Stadt Ninive und sag den Leuten: Ihr müsst euch bessern."
Ausgerechnet "Ninive"! Die persische Metropole der Macht im Osten! Dort sind schon immer die Feinde seines Landes gewesen. Dort sind Angst und Schrecken zuhause. Und die Leute dort sind böse von Grund auf. Schon als Kind hat er das so gehört.
Die Leute in Ninive werden nicht gerade auf ihn warten. Wer hört schon gern, dass er sich ändern soll. Allein wird er eh nichts ausrichten können, sie werden ihn im besten Fall auslachen. Wahrscheinlich wird noch Schlimmeres passieren. Nach Ninive geht er auf gar keinen Fall. Darüber will er nicht einmal mit Gott reden.
Jona will möglichst weit weg. Drum steigt er in ein Schiff nach Tarsis, das liegt im Westen, also am andern Ende der Welt.
Dort will er endlich zur Ruhe kommen. Nur noch schlafen. Ja er verschläft sogar den Sturm, in den das Schiff gerät. Die Schiffsleute beten zu ihren Göttern. Aber die Wellen hören nicht auf und schlagen immer weiter. Bald wird das Schiff sinken. Seltsamerweise merkt Jona nichts davon Er schläft weiter bis ihn die Seeleute wecken.. Hinter diesem Sturm muss eine Macht stecken. Vielleicht der Gott dieses Fremden unter Deck? Jona betet nicht zu ihm. Auch jetzt nicht. Doch als der Sturm nachlässt, lässt er sich ins Meer werfen.
Und dann passiert, was die meisten von uns aus der Bibel wissen:
Ein großer Fisch kommt und verschlingt Jona bei lebendigem Leib, ohne ihm auch nur ein Haar zu krümmen. Ein Wunder! Im Bauch des Fisches ist es eng und stickig. So eng, dass er sich kaum regen kann. Aber er kann fühlen und sagen, was er fühlt.
Wir hören Jona 2, 1-11
Liebe Gemeinde,
drei Tage und drei Nächte ist Jona wie eingeschlossen. Da geht nichts mehr. Aber eins geht noch. "Jetzt hilft nur noch beten", vielleicht hat er so gedacht. Jona redet jetzt mit seinem Gott, er schreit sogar. Er findet Worte, die er nicht erfinden muss. Er hat sie von seinen Vorfahren gelernt: "Wogen und Wellen gingen über mich, der Erde Riegel schlossen sich über mir." Er hat Angst, dass es hier kein Zurück gibt. Eigene Worte hat er nicht. Aber er betet. Und er vertraut auf Gottes Macht, auf Gottes Kraft, die allein sein Leben retten kann. Nach drei Tagen speit ihn der Fisch wieder aus.
Im Nachhinein weiß er: Es muss Gott selbst gewesen sein, der ihm Hilfe geschickt und nach drei Tagen wieder auf die Füße gestellt hat.
Ja, eine wundersame Geschichte ist das. Und doch ist uns die Lage des Jona vertraut.
Auch wir kennen Momente, in denen es eng ist. Situationen, in denen wir keinen Spielraum haben und nichts tun können. Sorgen um die 'Allernächsten überfallen uns manchmal wie eine Welle. Sie lassen sich nicht abstellen. Sie kommen immer wieder.
Jona sucht Worte für seine Lage. Er flieht hin zu Gott mit all seiner Angst. Die Angst darf sein. Gott redet sie ihm nicht aus.
Wer sich bei Gott aussprechen kann, auch wenn er nur stammelt oder stottert, der kann spüren: Das was so übermächtig ist, was Angst macht, wird kleiner.
Jona ist verändert nach diesen drei Tagen und drei Nächten.
Wieder an Land nimmt er den Auftrag an, vor dem er davongelaufen ist. Es gelingt ihm, die Menschen von Ninive aufzurütteln, sie hören auf zu freveln, sie rufen Gott an und tun Buße.
Und Gott lässt sich erweichen. Er lässt sie leben und schenkt neue Zukunft.
Jona kann das erst gar nicht glauben. Was machst du Gott?
Das biblische Buch endet mit einer Gegenfrage Gottes an Jona: "Sollten mich diese 120000 Menschen nicht jammern, wenn sie mich rufen, diese Menschen, die nicht wissen, was rechts und links ist?"
Ein Mensch hat beim Beten Kraft bekommen. Er steht auf und redet in Gottes Namen. Und Gott wirkt durch ihn. Beten hat ihn und die Menschen von Ninive verändert und Gott schenkt ihnen eine neue Zukunft.
Nun nochmal zur Ausgangsfrage:
Beten: Bringt das etwas?
Heute hier im Gottesdienst?
Bringt das etwas für morgen, für unsere Zukunft, in der wir wohl noch lange mit der Pandemie und ihren Folgen zu kämpfen haben?
Ich kann mir vorstellen, dass uns Gott heute ähnlich zurückfragen könnte: "Sollten mich nicht die Menschen jammern hier in Sommerhausen und anderswo? All die Menschen, die manchmal nicht wissen, was rechts und links ist? Mit ihren Gedanken, die sie sich um ihr Leben und ihre Gesundheit machen; mit den Sorgen um ihre Liebsten, mit ihrer Sehnsucht nach Nähe und Gemeinschaft. Sollte ich mich nicht derer annehmen, die ich ins Leben gerufen habe?"
Stille
Das Buch Jona zeigt uns:
Gott ist einer, der sich all seiner Geschöpfe erbarmt. Darauf dürfen wir vertrauen und mit Franz von Assisi beten: O Herr, in deinen Armen bin ich sicher. Wenn du mich hältst, habe ich nichts zu fürchten. Ich weiß nichts von der Zukunft. Aber ich vertraue auf dich.

 

Amen.  

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Gottesdienst der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für den Volkstrauertag, 15.November 2020
Pfarrer Jochen Maier

 

Wochenspruch:
"Denn wir müssen alle offenbar werden
vor dem Richterstuhl Christi."  2. Kor 5,10a
Predigtwort: Lukas 16,1-9


Liebe Gemeinde,


der US-Amerikaner David Benioff erzählt in seinem Roman „Stadt der Diebe“ von zwei jungen Männern während der Belagerung Leningrads durch die deutsche Wehrmacht von 1941 bis Januar 1944. Der 17-jährige Halbjude Lew wird von Soldaten der Roten Armee verhaftet, weil er einem toten deutschen Fallschirmspringer eine Flasche Cognac aus der Tasche genommen hat. Das galt als Plünderung und darauf stand die Todesstrafe. So landet er im Gefängnis, wo er auf den 2 Jahre älteren Soldaten Kolja trifft, der als Deserteur ebenfalls zum Tode verurteilt wurde.
Aber der Geheimdienstchef lässt die beiden nicht gleich hinrichten, sondern stellt ihnen die Aufgabe binnen sechs Tagen in der völlig ausgehungerten Stadt 12 Eier für die Hochzeitstorte seiner Tochter zu besorgen. Wenn es ihnen gelänge, die Eier herbeizuschaffen, dann wären sie frei.
Die Sache scheint völlig aussichtslos. Die Stadt ist von der deutschen Wehrmacht eingekesselt und es fehlt an allem. Die Menschen hungern. Woher da 12 Eier nehmen?
Mehrmals kommen die beiden in lebensbedrohliche Situationen. Aber durch Koljas Unverfrorenheit, seine Redegewandtheit und auch Durchtriebenheit und durch Lews Meisterschaft im Schachspiel schaffen die beiden es schließlich nicht nur, zu überleben, sondern tatsächlich auch noch, die geforderten Eier aufzutreiben.
Benioff beschriebt, dass unter solch ungewöhnlichen Bedingungen wie Krieg, Belagerung und Todesgefahr, dass da andere Maßstäbe gelten. Gut bleibt gut und falsch bleibt falsch aber zuallererst geht’s da ums nackte Überleben.
Und darum geht es auch in Gleichnis Jesu. Auch für den Verwalter geht’s ums Überleben – wirtschaftlich und gesellschaftlich!
Wir erfahren nicht, was damit gemeint ist, dass er den Besitz seines Dienstgebers „verschleudert“ hat. Ob er sich wirklich etwas hat zuschulden kommen lassen, ob er wirklich Gelder unterschlagen hat oder vielleicht auch nur zu weich war und aus den Untergebenen nicht das Letzte herausgequetscht hat, das bleibt offen. Das ist für den Fortgang der Geschichte aber auch nicht entscheidend.
Jedenfalls wird er gefeuert, ist seinen Job los und wird so schnell auch nichts mehr finden in dieser Richtung. Es geht also um seine Zukunft.
Und was tut er nun? Er lässt die Schuldner, mit denen er im Auftrag seines Herrn Geschäfte gemacht hat antanzen und gemeinsam ändern sie die Schuldscheine. Sie reduzieren einfach die darauf vermerkte Schuldsumme. Die Schuldner müssen weniger zurückzahlen.
Nun klingen die Zahlen da zwar ziemlich bescheiden – da sind wir bei den Summern, die derzeit im Zusammenhang mit Corona-Hilfsgeldern verhandelt werden ganz andere Summer gewöhnt, aber für damalige Verhältnisse waren das schon ordentliche Beträge.
Der Verwalter tut das, weil er sich Freunde machen will. Er weiß, an wessen Tür er später, wenn er entlassen ist, einmal anklopfen kann. Er weiß, wer ihm den einen oder anderen Gefallen schuldet.
Und das Skandalöse an diesem Gleichnis ist, dass Jesus diesen betrügerischen Verwalter am Ende sogar lobt: „Und der Herr lobte den ungetreuen Verwalter, weil er klug gehandelt hatte.“
Das ist nun schon ein starkes Stück! Da geht’s um Betrug, Urkundenfälschung und Unterschlagung im großen Stil und das wird auch noch gelobt. Was soll nun solch eine Skandalgeschichte ausgerechnet am Volkstrauertag?
Nun, ich glaube, um wirklich zu verstehen, worauf es Jesus ankommt und wo er hinauswill, da muss man genauer hinschauen. Jesus lobt hier ausdrücklich nicht, das Urkundenfälschen und Geldunterschlagen, das wäre ja auch ein absolutes Unding, nein, sondern was Jesus lobt, das ist die Tatsache, dass dieser Verwalter den Ernst der Stunde erkannt hat. Darauf kommt es an und das ist brandaktuell.
Er hat gemerkt: Jetzt muss ich handeln, sonst ist es zu spät. Er lässt nicht den Kopf hängen und sagt deprimiert: „Es ist eh zu spät, da kann man nichts mehr machen!“ Sondern er ergreift die Chance, die er jetzt noch hat.
Eigentlich wollte ich heute nicht schon wieder auf Corona zu sprechen kommen, da wir alle das wohl kaum mehr hören können. Aber diese Geschichte, die Jesus da erzählt ist eben auch in dieser Hinsicht brandaktuell: Jetzt geht es darum, zu tun was wir könne. Jetzt heißt es Maske tragen und Abstand halten und auf manches zu verzichten, auch wenn es schwer fällt. Darum haben Bürgermeister Willi Saak und ich lange überlegt, wie wir diesen Gottesdienst und diese Gedenkstunde zum Volkstrauertag so organisieren, dass das Risiko so gering wie irgend möglich ist.
Und genau das ist es, was Jesus uns ins Stammbuch schreibt: Er lobt nicht den Betrug, den der Verwalter begangen hat, sondern seine Energie und seine Entschlossenheit.
Jesus sagt: Verschenke und vergeude doch nicht die Gaben und Möglichkeiten, die dir gegeben sind! Die Talente und Chancen, die Gott dir anvertraut hat. Setze sie ein! Setze sie jetzt ein!
Das Leben ist wertvoll, es ist wertvoll, weil es begrenzt ist. Es ist viel zu wertvoll, um es einfach hinzuschmeißen.
So ist es übrigens auch in dem Roman von David Benioff: Dieser Lew und sein Freund Kolja nützen die Gunst der Stunde, um ihr Leben zu retten. Sie bringen ihre eigenen Gaben ein: das Schachspiel, die Wortgewandtheit, die Freundschaft.
Und auch wir sollen unsere Gaben und Talente nützen und das Beste aus unserem Leben und den uns anvertrauten Gaben machen.
Jesus ist kein weltfremder Träumer. Er weiß, wie es zugeht in unserer Welt. Und deshalb wählt er ein Beispiel aus der knallharten Geschäftswelt, wo manchmal mit harten Bandagen gekämpft wird.
„Wenn ihr schon rechnen müsst!“, so sagt er, „Wenn ihr schon rechnen müsst in einer durch und durch geschäftigen Welt, dann rechnet wenigstens richtig. Dann rechnet damit, dass irgendwann einmal abgerechnet wird. Dass einmal alles auf den Tisch kommt, wirklich alles, dass einmal alles offenbar werden wird vor dem Richterstuhl Jesu Christi. Das Leben ist weder eine Schnäppchenjagd in der Fundgrube, wo es darum geht, möglichst günstige Angebote einzufahren noch ist es ein ewiger Funpark, wo du möglichst viel Spaß haben sollst. Das kann nicht der Sinn des Lebens sein. Ganz gewiss nicht.
Wer so lebt und handelt, der wird irgendwann unweigerlich gewaltig auf die Nase fallen.
Rechne vom Ende her.
Das hat der Verwalter begriffen und drauf kommt es an.
Hab‘ das Ende im Blick.
Rechne so, dass ganz am Ende, dass vor dem Richterstuhl Gottes viele Menschen aufstehen werden und dir freudig die Hand reichen.
Die Geschichte von Lew und Kolja hat übrigens leider kein Happy End. Während Lew den Krieg übersteht und sogar die Liebe seines Herzens wiedertrifft, wird Kolja von den eigenen Leuten angeschossen und stirbt, bevor die Belagerung der Stadt ein Ende findet.
Aber anders als im Roman wird uns Christinnen und Christen im Gleichnis wirklich ein Happy End verheißen: Da werden sich die Kinder des Lichts als die Klügeren herausstellen, weil sie ihre Kraft, ihre Phantasie, ihre Möglichkeiten dafür einsetzen, sich Freunde zu machen, solange Gott noch Zeit gibt dafür.

 

Schenke uns Gott, dass wir diese Chance auch ergreifen.
AMEN

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Festgottesdienst zur Goldenen Konfirmation
St. Bartholomäus, Sommerhausen
8. November 2020
Pfarrer Jochen Maier


„Dennoch bleibe ich stets an dir;
Denn du hältst mich bei meiner rechten Hand.“
Psalm 73,23

 

Liebe Goldenen Konfirmanden, liebe Gemeinde,


ein eher unbekannter Maler bekam einmal von einem reichen Industriellen den Auftrag, „das Leben“ zu malen, einfach das Leben, wie es halt so ist. Der Künstler nahm den Auftrag an und hat versprochen, sich unverzüglich ans Werk zu machen. Der Industrielle war natürlich nun gespannt, was der Maler wohl auf die Leinwand bringen würde. „Vielleicht einen Baum“, dachte er bei sich - den Baum des Lebens mit tiefen Wurzeln, weit ausladend, oder einen Weg, den Lebensweg, manchmal steinig, manchmal steil und manchmal einladend und bequem oder vielleicht eine Flusslandschaft,  der Fluss, das Wasser als Symbol für den Ursprung und die Quelle allen Lebens.
Vieles hätte der Industrielle sich vorstellen können, aber als der Künstler ihn dann schließlich zur Staffelei führte und ihm das entstandene Ölgemälde zeigte, da staunte er dann doch nicht schlecht.
Denn der Künstler hatte keinen Baum gemalt, auch keinen Weg oder Flusslauf - sondern: eine Schaukel!
Ja, meinte der Maler, eine Schaukel versinnbildlicht für mich am besten das Leben! Und darum hängt heute hier auch eine Schaukel!
Die Schaukel auf dem Bild des Künstlers hing nicht starr nach unten, sondern nahm Anlauf zum Aufschwung. Und der Künstler meinte: „Wenn Kinder auf der Schaukel sitzen oder wenn Verliebte darauf sitzen, dann ist sie ständig in Bewegung, so wie alles im Leben. Ihr Prinzip ist das Auf und Ab, so wie die Höhen und Tiefen, die in jedem Leben vorkommen.“
Liebe Goldenen Konfirmanden! Als sie damals vor 50 Jahren, am 22. März 1970 von Pfr. Arno Schneider hier konfirmiert wurden, da war Ihre Lebensschaukel so richtig im Aufschwung.
Das Leben lag vor Ihnen, das Ende der Schulzeit war in greifbare Nähe gerückt. Das waren ja schon auch bewegende Zeiten, so um 1970 herum: Manche Mädchen, so haben Sie mir erzählt, haben bei der Konfirmation ein Blumenkränzchen getragen – andere haben das entschieden abgelehnt. Eine Zeit im Wandel
In 50 Jahren ist eine Menge geschehen - in der großen weiten Welt, und vielleicht noch mehr im eigenen Leben.
Die USA hatten auch damals ihre Probleme – da war der Vietnam-Krieg!
1970 war aber auch das Jahr, in dem Willi Brand seinen berühmten Kniefall tat vor dem Warschauer Ghetto-Ehrenmal.
Aber auch in anderen Bereichen gab es gewaltige Veränderungen: Dass zum Beispiel viele oder die meisten einmal privat daheim einen Computer oder gar mehrere stehen haben würden, das war undenkbar. Das Telefon hatte damals noch selbstverständlich ein Kabel, hing bei vielen an der Wand und im Fernseher liefen höchstens drei Programme und die auch noch meist in Schwarzweiß!
Sie, liebe Jubilare, sind damals so nach und nach den Kinderschuhen entwachsen - die Mädchen meist etwas früher, die Jungs haben das dann aber wohl schnell nachgeholt.
Sie haben dann die Schule abgeschlossen, viele haben eine Ausbildung gemacht, sind ins Berufsleben eingetreten. Manche haben geheiratet, manche eine Familie gegründet und viel von Ihnen haben inzwischen auch Enkelkinder.
Jeder und jede von Ihnen ist seinen ganz eigenen und persönlichen Weg gegangen. Und manches kam wohl auch anders, als sie es mit 14 gedacht haben.
Und wahrscheinlich war es wie bei der Schaukel: Da geht es nicht immer nur aufwärts, sondern da gibt es auch Tiefs. Niemand bleibt im Leben von Enttäuschungen, Leid und bitteren Erfahrungen verschont. Aber in allem Leid und in allen bitteren Erfahrungen dürfen wir wie auf der Schaukel doch wissen: Es geht auch wieder aufwärts.
Wer sich vor dem Schmerz, dem Leid und den bitteren Erfahrungen schützen möchte, der muss auf das Leben verzichten! Wer sich auf eine Schaukel setzt und sie im Ruhezustand belässt, der erfährt nichts von der Freude und dem Spaß eines Kindes, wenn es immer höher schwingt - dem Himmel entgegen!
Die Schaukel wird erst dann zur Schaukel, wenn sie in Bewegung gesetzt wird. Sonst ist sie nichts anderes, als eine Sitzbank!
So ist das auch mit dem Leben: Erst wenn wir uns auf das Leben mit seinem Leid, seinem Schmerz und seinen bitteren Erfahrungen einlassen, dann erst bekommen wir auch die schönen Dinge geschenkt: die Freude, das Glück und die Liebe!
Und wenn wir Kinder beim Schaukeln beobachten, dann sehen wir, dass die Hochs überwiegen: Auf zwei Hochs, nämlich vorne und Hinten kommt ein Tief! Das Gute also überwiegt und das kann uns doch auch ermutigen, was das Leben betrifft.
Aber den wichtigsten Punkt, den habe ich bisher ausgespart: Das ist nämlich der da oben, dort, wo die Schaukel befestigt ist. Wenn wir glücklich und zufrieden leben wollen, wenn wir nicht nur die Zeiten des Glücks der Liebe und der Zufriedenheit erleben wollen sondern die Zeiten des Leids und der bitteren Erfahrungen in Gelassenheit und Ruhe durchstehen wollen, dann brauchen wir Vertrauen ins Leben.
Dann brauchen wir einen festen Halt im Leben.
Einen Halt, den wir uns nicht selbst geben können, sondern der uns gegeben wird.
Dann brauchen wir Gott.
Davon bin ich fest überzeugt.
Wenn Sie genau hinschauen, dann sehen Sie, dass das Seil dieser Schaukel schon etwas in die Jahre gekommen ist. Das war bei uns im Garten Jahrelang der Sonne, den UV-Strahlen ausgesetzt - das muss mal wieder erneuert werden.
So ist es auch mit dem Glauben: Der kann auch nicht für alle Zeit konserviert werden, der muss genauso gepflegt, und erneuert werden wie diese Seil.
Glaube ist etwas Lebendiges - und wenn der Glaube erstarrt, dann stirbt er ab.
Damals, bei Ihrer Konfirmation wurde Ihnen hier vorne am Altar der Segen Gottes zugesprochen und ich hoffe, dass sie diesen Segen, diesen Halt immer wieder auch gespürt haben im Auf und Ab ihres bisherigen Lebens.
Dennoch bleibe ich stets an dir; Denn du hältst mich bei meiner rechten Hand.“
Diesen Vers aus Psalm 73 möchte ich Ihnen heute zusprechen. Dennoch bleibe ich stets an dir; Denn du hältst mich bei meiner rechten Hand.“
Trotz allem manchmal Schweren und Belastenden möchte ich an Gott festhalten weil er mich hält. Weil er mich nicht fallen lässt.
Das ist es, was zählt.
In der Hand Gottes können wir umfallen, krank werden, wir können straucheln und bittere Erfahrungen bleiben uns nicht erspart. Aber eines, eines können wir nicht: Wir können nicht aus dieser Hand Gottes herausfallen. Er hält uns, egal was kommen mag so wie er Sie auch bisher auf Ihrem Lebensweg gehalten hat.
Die Schaukel ist also ein Bild für das Leben - ein ständiges auf und ab. Wenn du im Aufschwung bist und Erfolg hast und im Hoch der Gefühle bist, dann sei dir bewusst: es kann nicht immer nur aufwärts gehen, es kommt auch wieder der Umschwung. Und wenn du auf dem Weg nach unten bist, dann halt dir das Bild der Schaukel vor Augen und sag dir: Eine Fahrt ins Tief ist gleichzeitig der Anlauf für den Aufschwung. Und wenn du länger unten im Tief hängst, dann vertraue darauf: Auch im Tief wirst du von oben gehalten und nicht fallen gelassen.
Dennoch bleibe ich stets an dir; Denn du hältst mich bei meiner rechten Hand.“
So sei es.
AMEN     

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