Gottesdienst
der evang.-luth. Kirchengemeinde Sommerhausen-Eibelstadt
für Karfreitag, 18.4.2025
Pfarrerin Irene Maier
Wochenspruch:
„Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“
(Joh 3,165)
Predigttext: Joh 19, 16-30
16Da überantwortete er ihnen Jesus, dass er gekreuzigt würde.
Sie nahmen ihn aber, 17und er trug selber das Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt Schädelstätte, auf Hebräisch Golgatha. 18Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere zu beiden Seiten, Jesus aber in der Mitte.
19Pilatus aber schrieb eine Aufschrift und setzte sie auf das Kreuz; und es war geschrieben: Jesus von Nazareth, der Juden König. 20Diese Aufschrift lasen viele Juden, denn die Stätte, wo Jesus gekreuzigt wurde, war nahe bei der Stadt. Und es war geschrieben in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache. 21Da sprachen die Hohenpriester der Juden zu Pilatus: Schreibe nicht: Der Juden König, sondern dass er gesagt hat: Ich bin der Juden König. 22Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben.
23Die Soldaten aber, da sie Jesus gekreuzigt hatten, nahmen seine Kleider und machten vier Teile, für jeden Soldaten einen Teil, dazu auch den Rock. Der aber war ungenäht, von oben an gewebt in einem Stück. 24Da sprachen sie untereinander: Lasst uns den nicht zerteilen, sondern darum losen, wem er gehören soll. So sollte die Schrift erfüllt werden, die sagt Ps 22,19: »Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über mein Gewand das Los geworfen.« Das taten die Soldaten.
25Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria Magdalena. 26Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! 27Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.
28Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet. 29Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und legten ihn um einen Ysop und hielten ihm den an den Mund. 30Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht. Und neigte das Haupt und verschied.
Liebe Gemeinde,
Karfreitag. Das Kreuz steht heute im Mittelpunkt.
Als Zeichen für Leid und Tod ist es uns sehr vertraut. Wir finden es in Todesanzeigen, auf Gräbern und am Straßenrand, wo es auf Unfallopfer hinweist. Das Kreuz ist aber auch Zeichen für persönliche, vielleicht gesundheitliche, berufliche vielleicht auch familiäre Katastrophen, Hoffnungen, die ausgelöscht wurden.
Das Kreuz steht bis heute auch als Zeichen der brutalen Gewalt, des Terrors und des Krieges.
Vor allem aber ist es Zeichen für den der am Kreuz gestorben ist, für Jesus Christus. Es findet sich daher in jeder christlichen Kirche. Bei uns hier über der Sakristeitür, auf dem Gemälde im Chorraum und auf dem Altar.
Je nach Zeit und nach Sichtweise eines Künstlers kann das Kreuz Jesu ganz unterschiedlich aussehen. Aus Holz oder Metall, mit oder ohne Korpus. Jeweils auf andere Weise, mit anderem Blickpunkt erzählt das Kreuz die Geschichte vom Leiden und Sterben Jesu.
Noch immer hab‘ ich ein modernes Kreuz aus der Zeit um 1950 vor Augen, das in der Löpsinger Kirche, unserer früheren Gemeinde hängt. Es ist ein schlichtes Holzkreuz, von dem sich Jesus, bekleidet mit einem roten Königsmantel und goldener Krone abhebt. Die Arme sind ausgestreckt in einer schwebend, segnenden Haltung, wie wenn er bereits sein Kreuz hinter sich lässt.
Wir finden das ähnlich auch in anderen Kirchen, dass ein vergoldeter Korpus das Kreuz ziert. Auch unser Altarkreuz glänzt ja golden.
„Gold passt doch nicht zu einem Kreuz“, meinte eine Schülerin als es drum ging, eine passende Farbe für das Kreuz zu finden.
Wie sehen Sie das, liebe Gemeinde? Sollte eine Kreuzesdarstellung nicht vor allem die Grausamkeit und Brutalität des Todes zum Ausdruck bringen? Würden wir sonst nicht den Tod Jesu verharmlosen?
Über die Verlorenheit im Tod und über die unsagbaren Schmerzen kann man doch nicht einfach goldene Farbe gießen..
Das passt doch so gar nicht zur Leidensgeschichte Jesu, wie sie uns die Evangelisten Matthäus und Lukas überliefern.
Und doch bin ich froh über diese andere Darstellung, die uns Christus als König am Kreuz zeigt. Es lässt uns nämlich die Geschichte vom Ende her, ja ganz von Ostern her verstehen.
So wird sie nämlich vom Evangelisten Johannes erzählt, wie wir sie vorhin gehört haben.
Vielleicht ist es Ihnen beim Hören aufgefallen: Im Johannesevangelium trägt kein Simon von Kyrene zwangsweise Jesu Kreuz, das muss er schon selbst erledigen und sein Kreuz aus der Stadt Jerusalem hinaustragen. Auch kein Erdbeben erschüttert die Welt, keine Finsternis bricht herein.
Und Jesus schreit auch nicht in all seinem Leid das alte Psalmgebet:“Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, sondern er spricht fast triumphierend: „Es ist vollbracht!“
Mit diesem Satz „Es ist vollbracht“, bringt Johannes die Passion Jesu auf den Punkt. Jesus weiß, was er tut. Er behält in allem die Fäden in der Hand, erscheint als Herr, nicht als Opferlamm, er erscheint königlich und nicht armselig. Auch wenn er zu Tode misshandelt wird, ist er alles andere als passiv, sondern handelt dennoch souverän. Und schließlich rückt Gott dann an Ostern alles in ein neues Licht.
Weil Gott es so wollte, beginnt durch Jesu Tod etwas Neues.
„Es ist vollbracht!“, sagt Jesus. Das Ende ist da. Sicher ist das erschreckend, aber es haben auch die unerträglichen Qualen ein Ende: die grausame römische Geißelung, die Dornenkrone, das stundenlange Hängen am Kreuz.
Der Tod kann auch eine Erlösung sein. Manch einer von uns hat das wohl auch schon erlebt, wenn ein Angehöriger furchtbar leiden musste und der Tod den Schmerzen und Qualen letztlich ein befreiendes Ende machte.
Sterben/Tod ist eine Durchgangsstation. So erzählt es Johannes: Jesus geht an das Kreuz, aber Gott führt ihn auf diesem Weg durch den Tod hindurch zu neuem Leben. Jesu Kreuz ist keine Katastrophe, kein Scheitern, wie es die Jünger zunächst betrachtet haben.. Im Gegenteil: Inmitten unserer Welt, die voller Scheitern ist, ist Gott am Werk durch Jesus Christus. Er will seine Verheißung erfüllen: nämlich Leben für alle, seinen Himmel für alle offenhalten und die Lieblosigkeit unter uns Menschen überwinden. Er will vollenden und nicht beenden, was er mit der Schöpfung begonnen hat.
Die goldene Farbe passt also doch zum Kreuz: Im Licht von Ostern erscheinen alle Kreuze golden oder wie vom Licht umflutet. Und gerade in diesem Licht können sie uns Orientierung geben.
Der Tod wird uns nicht abgenommen, aber er ist nicht mehr das Ende, bei dem das Spiel des Lebens wie ein Konzert aus ist, sondern das Ende Jesu an Karfreitag gibt uns Hoffnung, ist Grund für einen neuen Anfang. Durch alle Finsternis hindurch leuchtet Gottes Liebe auf.
Von dieser Hoffnung hat auch Dietrich Bonhoeffer bis zuletzt gelebt. So waren seine letzten Worte im Konzentrationslager Flossenbürg: „Das ist das Ende. Für mich der Beginn des Lebens.“. Angesichts des Todes hat er weit über den Tod hinausgeblickt: zu Gott und zu neuem Leben, wie es uns nur Ostern verspricht. Das ist die Hoffnung, der Glaube, mit dem uns auch Johannes anstecken möchte, weil da einer für alle seinen Kopf hingehalten hat, weil da einer die größtmögliche Liebe gezeigt hat und getan hat wozu keiner sonst fähig war, weil da einer voller Liebe war bis zum Ende.
Doch schauen wir nochmal genauer hin und zwar unters Kreuz. Was geschieht denn da?
Da stehen Menschen, Verwandte, Freunde und sie leiden mit und können nicht helfen. Das kennen wir doch auch: Nicht helfen können. Wie bedrückend und ohnmächtig fühlt sich das an.
Aber Jesus sorgt sich um die Menschen unterm Kreuz, noch bis zur letzten Minute. Er macht sie aufeinander aufmerksam, er ordnet sie einander zu.. Er hinterlässt nichts Unklares, sondern regelt alles.
Johannes erzählt: „Jesus sah seine Mutter dort stehen und daneben den Jünger, den er liebte. Da sagte er zu seiner Mutter: ‚Er ist jetzt dein Sohn!’ Und zu dem Jünger sagte er: ‚Sie ist jetzt deine Mutter!’ Von da an nahm der Jünger sie bei sich auf.“
Johannes und Maria, sie sind dageblieben in Jesu Nähe unterm Kreuz. Die andern Jünger dagegen haben sich schon längst im Garten Gethsemane verdrückt aus Angst vor den möglichen Folgen, aus Angst um ihr eigenes Leben sind sie lieber geflohen.
Doch diese beiden, Maria und Johannes, sie sind geblieben, sie haben ausgeharrt und das hat etwas unglaublich Tröstliches. Diese beiden stehen dafür ein, dass es immer Menschen unter dem Kreuz geben wird, die nicht vor dem Leid reisausnehmen, sondern sich dem Anblick und dem Tod stellen, die Widerstand leisten, indem sie bleiben.
Immer wird es Menschen unter dem Kreuz geben, die sich nicht wegscheuchen lassen, sondern mit-leiden, mit-fühlen und geduldig ausharren. Und hoffentlich gehören wir auch dazu: dass wir dort anzutreffen sind im Gebet, in Gedanken, und wenn möglich auch mit unserem Helfen und Handeln. Dass wir aushalten in der Gewissheit: Jesus lässt uns nicht im Stich. Er beauftragt uns, Sorge zu tragen für das Leben in der Welt.
Amen
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